Читать книгу Unmögliche Aufträge: Zwei Thriller - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 14
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ОглавлениеNach einiger Zeit vergaß Schaake das laufende Tonband. Urbach stellte Fragen, die Schaakes Verhältnis zu Heller betrafen. Wann sie sich kennengelernt hatten, seit wann sie sich als Freunde betrachteten, welche gemeinsamen Freunde oder Freundinnen sie gehabt hatten, Hobbies, Gewohnheiten.
Schaake war auf der Hut. Er spürte, dass Urbach ein geschickter Vernehmer war. Mit seinen Fragen lockte er vergessen geglaubte Gedanken aus der Tiefe der Erinnerung. Aber er, Schaake, blieb bei seinen Antworten einsilbig, kurz angebunden.
Natürlich hatte er seit seiner Unterredung mit Mehrländer und Urbach im Holiday Inn fast ununterbrochen an Jochen denken müssen. Begegnungen, Erlebnisse, Gesichter, Szenen tauchten auf. Sie waren blass, farblos, aber die Erinnerungen waren mit Gefühlen verbunden, die irgendwo im Inneren schmerzten. Wie eine unglückliche Liebe.
»Wie war er veranlagt?«, fragte Urbach.
Schaake starrte den Mann wortlos an. »Nun stellen Sie sich nicht so an. Homosexualität unter jungen Männern ist doch nichts Ungewöhnliches! Oder hatte er Freundinnen? Wie war das bei Ihnen? Hatten Sie eine sturmfreie Bude? Oder er? Oder gingen Sie mit Ihren Mädchen ins Heu?«
Schaake schwieg. Was wusste dieser Mann von keuscher Schwärmerei? Was wusste er von Jochens scheuer Liebe zu Jutta? Schaake brachte es nicht fertig, seine Gedanken und Gefühle von damals mit Urbach, diesem Zyniker, zu teilen. Er fürchtete, die Erinnerungen dann endgültig zu verlieren.
Die Abendsonne schien schräg durch eins der hohen Fenster, als Urbach verärgert seine Unterlagen zusammenraffte, das Tonband aus dem Gerät nahm, und eine neue Spule einlegte. Das besprochene Band steckte er in seine Aktentasche. »Machen wir Schluss für heute«, sagte er. »So kommen wir nicht weiter. Morgen früh versuchen wir es zuerst einmal mit Fotos. Wenn Sie nicht zu müde sind, können Sie sich noch mit Georg unterhalten.«
Schaake hörte Georg und Urbach im Flur miteinander sprechen, dann klappte die Wohnungstür. Georg kam zurück.
»Soll ich uns einen Kaffee machen?«, bot er an.
»Ja, bitte.«
Schaake fühlte sich ausgelaugt wie nach einer langen Konferenz, bei der er sich viele Stunden lang hatte konzentrieren müssen. Jetzt hätte er nur Fragen beantworten müssen, aber er hatte mehr zurückgehalten, als er von sich gegeben hatte. Er hatte jede Antwort genau abgewogen. Urbach hatte das geprüft und das Gespräch – oder war es ein Verhör gewesen? – abgebrochen.
Georg kam mit dem Kaffee herein. Er lächelte offen, als er Schaakes Tasse füllte. »Milch und Zucker?«, fragte er.
»Nur etwas Milch. Danke.«
Georg setzte sich auf Urbachs Platz, drehte den Stuhl etwas zur Seite, und legte die Füße auf den Tisch. Er rührte in seiner Tasse.
»Er ist nicht immer so scharf«, sagte er nach einiger Zeit.
Schaake schwieg. Er fühlte sich träge. Das Tonband lief. Georg sollte ihn vermutlich einlullen, einen auf freundlich und verständlich machen.
»Es ist eine ziemlich wichtige Sache«, sagte Georg.
»Sie heißen nicht wirklich Georg?«
Georg lächelte unbestimmt. »Für Sie bin ich Georg. Das genügt.«
»Und Urbach und Mehrländer? Sind das richtige Namen?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht.«
»Welche Chancen haben wir, ihn zu finden? Heller, meine ich.« Wenn er selbst fragte, lief er weniger Gefahr, ungewollt etwas preiszugeben. Aber was hatte er schon preiszugeben?
Georg deutete auf die Kunststoffkästen im Regal. »Wenn wir ihn auf einem Foto oder Film haben, stehen die Aussichten gut. Es hängt davon ab, wie hoch er wirklich steht, und wie groß das Netz ist, das er unterhält. Mit anderen Worten – tritt er direkt mit seinen Agenten in Verbindung, oder hat er andere Leute oder tote Briefkästen und was es sonst an Kinkerlitzchen gibt, zwischengeschaltet? – Ich schätze, dass er sich gut abgeschottet hat.« Georg zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch unter die Decke.
»Was wissen Sie eigentlich über ihn? Außer, dass er ein Spion ist. Ich meine, Persönliches. Oder wissen Sie nichts?«
»O doch, wir wissen sogar sehr viel. Wir wissen, dass er verheiratet ist, zum Beispiel, und sogar, wie lange.«
»Das wissen Sie? Woher?«
Georg lächelte. »Es sickert immer mal etwas durch. Wir haben schließlich auch Leute drüben. Und es kommen immer mal wieder Überläufer, die dann ausgequetscht werden. Alles, was sie wissen, kommt in den Computer. Auf diese Weise haben wir vor Jahren von einem Topmann erfahren, der hier arbeitet. Irgendwann kam der Deckname hinzu – Gabriel. Ein Agent ist ein verdammt einsamer Mann, das wissen unsere Kollegen drüben. Deshalb versuchen sie, den menschlichen Faktor zu berücksichtigen. Dazu gehört, dass schon mal Glückwünsche über Funk kommen. Es ist ein Puzzle-Spiel. Irgendwann fängt sich einer. Spätestens dann, wenn das Raster voll ist.«
»Was ist Ihre Funktion in diesem Fall?«
»Ich bin der Fallführer. Das ist der kleinste Mann. Nicht, dass ich den Fall bearbeite. Ich bin der Kaffeeholer und Aufpasser, mehr nicht.«
»Urbach ist Ihr Chef?«
»Für diese Aktion, ja. Normalerweise ist noch jemand zwischengeschaltet, ein Referent. Urbach ist Referatsleiter. Weil diese Sache so wichtig ist, wird sie von einem Referatsleiter bearbeitet.«
»Mehrländer ist Urbachs Chef?«
»Ich darf eigentlich nicht darüber reden, aber es liegt ja auf der Hand.«
»Mehrländer leitet also die Ermittlungen.«
»Bitte, Herr Schaake, ich darf doch nicht mit einem Außenstehenden über Interna reden!«
»Ich bin also ein Außenstehender. Ich bin nichts. Oder?«
»Sie sind ein GM, ein Geheimer Mitarbeiter«, antwortete Georg ernsthaft. »Das ist die offizielle Bezeichnung.«
»Ich bin also ein offizieller geheimer Mitarbeiter. Aber ich weiß nicht, an wen ich mich wenden kann, wenn ich ein Problem habe. Oder eine Beschwerde, oder was weiß ich. Kommen Sie mir nicht mit Urbach. Wie erreiche ich Mehrländer?«
»Über Urbach.«
Schaake trank seinen Kaffee. Dann fragte er: »Was würden Sie an meiner Stelle tun? Würden Sie sich an der Jagd auf einen ehemaligen Freund beteiligen?«
Georg sah Schaake eine Weile verständnislos an, dann nickte er überzeugt. »Aber selbstverständlich!«, versicherte er.
Schaake seufzte. Er stand auf. »Bis morgen früh. Halb neun, nicht wahr?«
»Herr Urbach kommt um neun. Früher brauchen Sie nicht hier zu sein.« Georg sprang auf und angelte nach seiner Jacke.
»Wo wollen Sie denn hin?«, fragte Schaake.
»Wir können doch einen gemeinsamen Bummel machen. Ich zeige Ihnen die Stadt.«
Schaake schüttelte den Kopf. »Wenn ich Sie in meiner Nähe sehe, steige ich in ein Taxi, lasse mich zum Flughafen fahren, und nehme die nächste Maschine nach München. Ist das klar?«
Georgs Miene verriet Skepsis, aber er hängte seine Jacke wieder über die Stuhllehne. Schaake deutete auf das Tonbandgerät.
»Ich denke, Sie können das Ding jetzt abschalten«, sagte er. Dann verließ er die Wohnung.
Über Euskirchen und Zülpich fuhr er nach Düren. Er hätte auch die Autobahn nehmen können, aber er bevorzugte die zügige Fahrt durch die Dörfer und kleinen Städte. Es war kurz nach halb acht, als er an dem kleinen zementverputzten Haus seiner Tante schellte, in dem seine Mutter wohnte. Er, Volker Schaake, hatte dieselben beiden, winzigen Mansardenzimmer bewohnt, als er in Aachen studierte. Als sein Vater vor acht Jahren starb, war seine Mutter von Minden nach Düren zu ihrer Schwester und deren Mann gezogen.
Seine Mutter öffnete, und als sie ihn erkannte, umarmte sie ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen.
»Ja, Volker! Ich hatte gehofft, dass du gestern noch gekommen wärst, aber dann habe ich nichts mehr von dir gehört... Das ist aber eine Überraschung! Schade, dass Heike und die Kinder nicht dabei sind. Komm rein, komm. Du hast doch sicher noch nichts gegessen. Komm, komm. – Gerda, Otto! Volker ist da!«
Schaake begrüßte seine Tante mit einem herzlichen Kuss auf die Wange. Sie sah seiner Mutter sehr ähnlich. Sie war vier oder fünf Jahre jünger, eine gemütliche, bescheidene Frau. Otto Esser war Postbeamter, ein ruhiger, geduldiger Typ. Schaake mochte ihn. Otto Esser drückte Volker fest die Hand, und sie unterhielten sich ein paar Minuten, bis seine Mutter ihn rief und er nach oben ging.
Sie kochte Tee und richtete einige Butterbrote für ihn. Sie hatte schon gegessen, und sie sah ihm beim Essen zu und freute sich einfach, weil er da war.
Er erzählte auch ihr von der Reise nach Namur, und sie meinte, dann könnte er doch bei ihr übernachten. Er lachte.
»Das geht nicht, Mutter. Ich treffe heute Abend noch ein paar Kollegen.« Er streichelte ihre Hand, »ich wollte dir nur mal guten Tag sagen, wo ich schon in der Nähe war. Zu mehr reicht es einfach nicht.«
»Ach, ich freue mich ja auch so.«
Er erzählte von Udo und Gerd, weniger von Heike. Sie war mit zum Flughafen gefahren, weil er nicht wusste, wann er zurückkommen würde, und den Wagen nicht so lange stehen lassen wollte. Es war eine schweigsame Fahrt gewesen, nachdem sie Gerd an seiner Schule abgesetzt hatten. Als er gestern Abend zu ihr ins Bett kommen wollte, hatte sie sich geziert, und als sie dann wollte, war er stur geblieben. So war es oft in der letzten Zeit. Scheiße, dachte er. Na ja...
»Weißt du«, sagte er dann zu seiner Mutter, »als ich jetzt zu dir fuhr, musste ich an Minden denken. Komisch, ich habe lange nicht mehr an Minden gedacht.«
Seine Mutter wurde lebhaft. »Ach, das habe ich dir ja gar nicht erzählt! Im Juli habe ich die Jungs in Köln getroffen!«
Hans Jung, und seine Frau – wie hieß sie doch noch? Mathilde? Seine Eltern waren mit ihnen befreundet gewesen. Hans Jung war nach dem Krieg bis zu seiner Pensionierung Verwaltungsdirektor der Stadtwerke gewesen. Schaake erinnerte sich an einen stockkonservativen Mann mit pastoralem Gehabe.
»Sie waren in Köln«, fuhr seine Mutter fort. »Die Jungs sind ja so katholisch, weißt du noch? Da wollten sie doch im Jahr des Dom-Jubiläums unbedingt nach Köln. Na ja, sie haben in einem Hotel übernachtet, und ich bin nach Köln gefahren und habe sie getroffen.«
Schaake lächelte und hörte zu. Seine Mutter wechselte jedoch bald das Thema.
»Von deinen alten Freunden und Klassenkameraden hörst du auch nichts mehr, nein? Auch nicht von Wolfgang?«
Wolfgang... Er konnte sich kaum noch an den Nachnamen erinnern. Fiebig, richtig
»Wolfgang lebt in Berlin, glaube ich. Er hat dort studiert und ist dort geblieben.«
»Rainer hat es von euch allen am weitesten gebracht, glaube ich.«
Schaake lächelte milde. Rainer hatte Jura studiert. Auch von ihm hatte er lange nichts mehr gehört.
»Er ist Bürgermeister in Petersdorf, wusstest du das?«
Schaake schüttelte den Kopf. »Nein, das wusste ich nicht.«
»Wer hätte das gedacht! Sein Vater war doch Straßenbahnfahrer.«
»Er war Fahrdienstleiter«, sagte Schaake mechanisch.
»Na, und der Jochen, der ist ja in die Zone gegangen. Komisch eigentlich. Ich hab das nie verstanden. Geschrieben hat er auch nie mehr. Ich weiß nicht, ich hätte etwas mehr Dankbarkeit erwartet. – Wie lange hat er bei uns gewohnt? Ein halbes Jahr?«
»Mutter! Sechs oder sieben Wochen!«
»Na ja, immerhin. Er hatte ja sonst niemanden.«
»Schade, dass all die alten Fotos weggekommen sind«, sagte er.
»Ach Volker, fang doch nicht wieder damit an! Ich weiß ja auch nicht, wie das passieren konnte. Dein ganzer Fotokoffer... Na, immerhin hab ich ja noch den Karton mit den alten Bildern, die Vater aufgehoben hatte.«
Schaake bemühte sich, nichts von seiner Erregung zu zeigen. Er hatte ja gehofft, dass seine Mutter irgendwo die Bilder verwahrte, an denen ihr etwas lag, und dass einige von ihm und seinen Freunden dabei wären. Er hatte damals ihren Hund, das Haus, seinen Vater, seine Mutter, fotografiert.
»Zeig doch mal«, sagte er.
Sie stand auf, schaltete das Licht über dem Bücherschrank, der für das kleine Zimmer viel zu wuchtig war, an und zog eine der unteren Schubladen heraus. Sie ächzte, als sie den überquellenden Karton unter anderen Papieren hervorzog. Glücklich lächelnd stellte sie ihn auf den Tisch, und sie begann, die gebündelten Fotos herauszunehmen.
Da war das große Bild von seinem Vater vor dem neuen Mercedes 180. Das hatte er 1958 gemacht, als er in den Semesterferien zu Hause gewesen war.
»Hier, weißt du noch, als Vater mir den Pelzmantel gekauft hatte?« Sie legte das Foto vor ihn hin.
Er hörte nicht auf das freudig-erregte Geplapper seiner Mutter, während er Packen um Packen hervorzog und rasch durchblätterte. Da waren Bilder von seiner Hochzeit, dann von den Kindern. Dann waren da wieder ältere aus der Kriegszeit, seine Mutter sehr jung, sehr schlank und sehr schön, und Bilder stiegen in seiner Erinnerung auf; Bilder, wie er, an der Hand seiner Mutter, durch die Straßen ging und Soldaten hinter ihr her pfiffen. Das musste schon nach dem Krieg gewesen sein, überlegte er. Er konnte sich an englische Soldaten erinnern. Bei Kriegsende war er sieben Jahre alt gewesen. Irgendwann in der Zeit hatte die Freundschaft mit Jochen begonnen.
»Hier, das ist das Bild von deiner Abiturfeier!«, sagte seine Mutter.
Sein Herz begann heftiger zu schlagen, als er ihr sanft den Packen Fotos entwand und das Band, mit dem er zusammengehalten wurde, löste. Obenauf lag das Foto, das damals von ihnen allen gemacht worden war. Sie waren 27 gewesen. 26 Gesichter sahen in die Kamera. Jochen war da schon abgereist.
Er sah in die blass wirkenden, seltsam konturlosen Gesichter, und er hatte Mühe, sein eigenes zu erkennen. Er stand ziemlich in der Mitte hinten, weil er zu den Größten gehörte. Er legte das Bild zur Seite.
Die nächsten Bilder stammten aus seiner Dunkelkammer. Er erkannte seine Handschrift sofort wieder. Bei Personenaufnahmen war er immer sehr nah herangegangen, und meistens hatte er beim Vergrößern noch einmal einen Ausschnitt gemacht.
Dann hielt er ein Bild in der Hand, auf dem Rainer und Jutta zusammen waren. Er lächelte.
»Hast du noch mal was von Jutta gehört?«, fragte er.
Sie hatten alle geglaubt, dass Jutta und Rainer heiraten würden, nachdem Jochen zu seinem Onkel gezogen war. Aber bestimmt hätte auch Rainer damals – noch – nicht den hohen Ansprüchen von Juttas Eltern genügt. Schaake wusste, dass Jutta schon 1958 geheiratet hatte. Den Sohn der Wall-Apotheke, wenn er sich recht erinnerte, einen Mann, der zehn Jahre älter war als sie. Rainer hatte damals gerade erst sein Studium begonnen. Rainer vermutete, dass sie in die Ehe geflohen war, um von zu Hause wegzukommen. Er erinnerte sich an einen Brief, den sie ihm geschrieben hatte, nachdem sein Vater gestorben war. Gesehen hatte er sie nicht mehr.
Er sah seine Mutter an. Ihm war aufgefallen, dass sie seine Frage noch nicht beantwortet hatte. Ihr Gesichtsausdruck machte ihn betroffen.
»Was ist?«, fragte er.
»Frau Jung hat es mir erzählt. Die Jutta soll Selbstmord begangen haben.«
Er spürte einen scharfen Stich in der Herzgegend. Die Umgebung verschwamm für Augenblicke vor seinen Augen. Wie durch eine Watteschicht drang die Stimme seiner Mutter an sein Ohr.
»Es ist nur ein Gerücht... Ich wollte es dir nicht sagen...«
»Wann war das?«, fragte er. Seine Stimme klang dumpf. Er sah in Juttas Gesicht, das ihm von einem Foto her entgegen lachte. Rasch legte er es weg.
»Es ist nicht lange her. Im Juni, oder Anfang Juli. Sie hatte zwei Mädchen, reizende Kinder...« Die Stimmer seiner Mutter verlor sich. Schaake wusste, dass auch seine Mutter Jutta gemocht hatte.
Er legte ein paar Bilder ab, die keine Erinnerungen weckten, bis er auf eins stieß, dass ihn, Jutta und Rainer auf Fahrrädern zeigt. Sie alle lachten in die Kamera.
Dieses Bild hatte Jochen aufgenommen. Schaake konnte sich an die Tour noch genau erinnern, Herbst 56. In den Ferien waren sie zu den Externsteinen gefahren. Juttas Eltern besaßen dort ein Jagdhaus. Ihre Eltern verbrachten einen großen Teil des Jahres dort, nachdem sie die Molkerei verkauft hatten. Jutta hatte im Jagdhaus bei ihren Eltern übernachtet, während Schaake, Jochen und Rainer in der nahen Jugendherberge schliefen. Die Tage hatten sie gemeinsam verbracht.
Und dann fand er die Bilder mit Jochen. Jochen saß auf einem Felsvorsprung, nachdenklich in die Weite schauend. Sein gewelltes blondes Haar hatte der Wind zerzaust. Man konnte das vorspringende Kinn erkennen, und die Kerbe darin, die hohe Stirn und die breiten Wangenknochen. Schaake wunderte sich jetzt, wie ausdrucksvoll Jochens Gesicht damals schon gewesen war, als sie alle noch Kinder waren.
Er suchte alle Bilder zusammen, auf denen Jochen zu sehen war. Alle waren gut, scharf und groß. Seine Mutter sollte nicht merken, dass es ihm nur um Jochen ging. Deshalb packte er noch einige andere Fotos dazu, auf denen er, sein Vater und andere Klassenkameraden abgebildet waren. Dann fragte er seine Mutter, ob er die Bilder haben könne.
»Ich möchte mir noch einmal ein Album anlegen, weißt du?«
»Aber natürlich! Nimm sie mit, Volker! Schick mir dafür noch mal ein paar Fotos von den Kindern.«
Er versprach es.