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Besuch der Navigationsschule in Altona

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Mein ungestümer Hang zur Seefahrt hatte durch meine bisherige seemännische Tätigkeit wohl eine gewisse Befriedigung gefunden, und meine Anschauungen waren jetzt von allem phantastischen Ballast befreit. Klar und deutlich lag mein Lebensweg vor mir. Es bedurfte nicht des väterlichen Ausspruchs: Junge sei vernünftig! Was man sein will, muss man ganz sein! Nur zu klar hatte ich bereits erkannt, dass es unmöglich sei, ohne wissenschaftliches Studium das mir gesteckte Ziel zu erreichen. Die physische Kraft, die tüchtigste Praxis ist der durch Forschertrieb immer mehr ausgebildeten Theorie unterstellt und nur, wo sie beide Hand in Hand gehen, ist ein gedeihliches Wirken möglich.

Als Reeder würde ich mein Schiff niemals einem Kapitän anvertrauen, der nicht im Stande wäre, auch die unbedeutendsten praktischen Arbeiten an Bord selbst auszuführen. Glücklicherweisen hält ja unsere sich täglich mehr entwickelnde Seemannsausbildung an dieser Grundidee fest. Die segensreichste Ernte wird dieser Aussaat folgen. Sie wird den guten Ruf, den sich der deutsche Seemann vermöge seiner vortrefflichen Charakteranlagen bei allen Schifffahrt treibenden Völkern der Erde langsam und mühevoll erworben, immer mehr befestigen und stärken.

Während eines Jahres besuchte ich nun die Navigationsschule in Altona. Sehr bald gewann ich das anfangs trocken erscheinende Studium lieb. Je weiter sich mein Blick erschloss, desto größer wurde meine Wissbegierde. Übrigens galt es während dieses Zeitraumes sehr vieles zu erlernen, und wenn ich hier die hauptsächlichsten Gegenstände anführe, so geschieht es nur, um dem eingeweihten Leser manches fernere Vorkommnis anschaulicher darstellen zu können. Die unter dem Vorsitz eines höheren dänischen Marineoffiziers gebildete Prüfungskommission begann am 4. Dezember 1855 ihre Examina über:

Kenntnis aller Zirkel, die man sich auf der Himmelskugel denkt; von der eigenen Bewegung des Mondes und der Planeten, von dem Zusammenhange zwischen der Uhrzeit und der Länge auf der Erde; von der wahren Sonnenzeit, Mittelzeit und der Zeitgleichung; von der Einrichtung des Nautical-Almanachs und der Planet-Tabellen. Vollständige Kenntnis der Art und Weise, wie der Sextant zu untersuchen und zu berichtigen ist und Fertigkeit, mit demselben Winkel zwischen zwei Gegenständen zu messen. Kenntnis der wichtigsten Sternbilder und Fähigkeit, die zu den Distanz-Observationen dienlichen Sterne am Himmel zu finden. Die Höhe eines Himmelskörpers zu einer gegebenen Zeit zu berechnen. Fähigkeit, die Uhrzeit mittelst Höhe der Sonne oder eines Sternes zu berechnen.

Fähigkeit, den Gang der Seeuhr zu untersuchen, sowohl auf dem Lande durch künstlichen Horizont, als auf einer Reise durch Peilung von Punkten, deren Länge genau bestimmt ist; Kenntnis der Behandlung der Seeuhr und durch dieselbe die Uhrzeit in Greenwich zu finden. Fähigkeit, die Uhrzeit in Greenwich aus der gemessenen Distanz zwischen dem Monde und der Sonne oder zwischen dem Monde und einem Sterne oder Planeten zu berechnen, wenn die Höhen zugleich gemessen sind.

Fähigkeit, die Länge und Breite zu finden.


Ich könnte noch weitere hierher gehörende nautische Prüfungsgegenstände aufzählen, aber ich fürchte, vor allem die Geduld des geehrten Lesers zu erschöpfen, und solchen unverzeihlichen „Observationsfehler“ möchte ich gar zu gerne vermeiden.

Wenn sich auch die Nautik seit jener Zeit wesentlich entwickelt und manches aus unserem Systeme verworfen hat, so möge doch kein moderner Seefahrer beim Lesen dieser Zeilen die Nase rümpfen oder mitleidig lächeln. Er darf sich mit der Versicherung begnügen, dass wir schon damals sehr genau jeden Seeweg zu verfolgen im Stande waren, niemals unser Ziel verfehlten und wie der heimatliche Volksmund so verständnisvoll ausdrückt: „Keenen Buern in de Finster loopen sünd.“

Von der Prüfungskommission empfing der Matrose Alfred Tetens sein Steuermannszeugnis mit dem Charakter „Gut bestanden“ in deutscher und dänischer Sprache ausgestellt. Immer deutlicher lag nun mein Lebensweg vor mir. Mein höchster Ehrgeiz, einstmals als Kapitän ein mir anvertrautes Schiff durch die Weltmeere zu führen, erhielt immer neue Nahrung.


Weltweit unter Segeln um 1850-70 – Die Seefahrt unserer Urgroßväter

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