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Ein Geist im Boden

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Vor 8000 Jahren fiel ein Samenkorn auf fruchtbaren Boden, irgendwo in der Nähe der Küste in Nordwesteuropa. Es war weit gereist. Nicht mit dem Wind, nicht einmal auf dem Schnabel oder im Verdauungsapparat eines Vogels, sondern auf einem Schiff. Es war Teil einer wertvollen Fracht, aber es war so klein, dass es auf einer Lichtung im Wald zu Boden fiel und niemand es bemerkte.

Das Samenkorn erwachte. Es keimte und seine langen Triebe schoben sich nach oben. Doch die Pflanzen in seiner Umgebung waren stärker. Dem Eindringling gelang es nicht, eigene Samenkörner zu erzeugen. Er starb ab, doch sein Geist blieb in der Erde. Selbst nachdem die saprotrophen Pilze und Bakterien ganze Arbeit geleistet und sie vollständig in ihre Einzelteile zerlegt hatten, überlebten einige Moleküle dieser exotischen Pflanze. Und mit jedem Jahr, das verging, lag die Erdschicht, in der sie ruhten, tiefer unter dem Waldboden vergraben. Dann verschwanden die Bäume und wurden durch Riedgras und Schilf ersetzt. Diese wuchsen und starben und verrotteten teilweise. Der Meeresspiegel stieg und die Röhrichte wichen Meerfenchel und Salzmelden. Die Flut schwemmte feine Sedimente an, die sich in einer Schlammschicht auf dem Torf ablagerten. Eine Weile wurde das neu entstandene Watt nur durch die höchsten, die Springfluten überschwemmt. Dann zweimal am Tag. Dann lag es dauerhaft unter Wasser und nicht einmal die Salzmelden konnten sich noch behaupten. Der Meeresspiegel stieg und die Wellen rollten heran. Aber der molekulare Geist der alten exotischen Pflanze hing noch immer in den tief liegenden torfigen Sedimenten am Boden der Meerenge Solent, vergraben unter meterdicken Kleischichten.

Spiel des Lebens

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