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Ebbe und Flucht

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Viele können das Wort nicht mehr hören und oft gehöre ich dazu: Flüchtlinge. Ich schlage die Zeitung auf: neue Skandale, neue Pro­bleme. Ich kann das nicht mehr sehen, nicht mehr hören. Die meisten halten sich schon die Ohren zu, verschließen ihre Augen und leider auch ihr Herz. Parolen von »Wir schaffen das« bis »Ausländer raus« durchstreifen das Land. Meinungen, zweigeteilt. Und dann werde ich gefragt. Und stelle fest, dass ich keine Meinung hab oder haben will. Doch gewiss, aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Die »Richtig oder Falsch«-Methode funktioniert hier nicht. Es ist ein Dilemma. Es zerbricht mein Herz, wenn ich die Bilder seh, die Geschichten höre. Und dann streiten sich die Menschen über Menschen, als wären es Dinge, sachliche Pro­bleme, und ich werde wütend. Die Objektivität ist dahin. Die Verantwortung wird abgegeben, aufgeschoben, aufgehoben. Grenzen werden dicht gemacht.

Ebbe und Flucht.

Die Flucht kommt wie eine Welle, wie die Flut. Menschen fliehen vor dem Krieg und riskieren ihr Leben. Um Frieden zu finden. Doch statt Frieden finden sie das »Jeder gegen Jeden«-Prinzip vor. Enttäuschte Hoffnungen und enttäuschte Erwartungen. Der Traum ist geplatzt. Doch statt Hilfe und Anerkennung stoßen sie auf Ablehnung, Fremdenhass und Vorurteile: Flüchtlinge kosten zu viel Geld, Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze …

Man kann doch nicht berechnen, was ein Mensch im Jahr kostet. Menschen sind un­bezahlbar und wir alle sind Menschen. Keiner ist besser oder schlechter als ein anderer.

Ebbe und Flucht.

In ihrem Land herrschte Ebbe. Dürre, Krieg, Zerstörung.

Flucht, auf und davon in ein neues Zuhause.

Zukunft und Perspektive suchen und finden.

Ebbe und Flucht. Die Hoffnung auf Frucht.

Die Briten diskutieren schon seit Ewig­keiten, ob die Migranten »gain« oder »drain« sind, ein Nutzen oder eine Belastung. Kritiker sagen, sie würden das Gesundheitssystem belasten, und andere sagen, Multikulturalismus sei Freiheit. Ethnische Gruppen wachsen zusammen und bereichern vor allem die Großstadt London. Also auch die Briten sind sich uneinig, ja, verlassen sogar die EU. Um unter anderem ihre eigene Flüchtlingspolitik zu betreiben. Wo sind die Werte geblieben?

Und doch stelle ich fest, dass auch ich zweifle, Fragen habe, ja sogar Ängste. Sicherlich kann Deutschland nicht jeden aufnehmen, aber es gibt Länder, die nehmen noch mehr auf. Doch die Luft ist raus, und so oft bekommt man nichts mit und ein anderes Mal zu viel. Ist die Politik in einer Sackgasse?

Ebbe und Flucht.

Was ist jetzt meine Meinung? Ich sitze im Bus und neue Menschen kommen rein. Man hört an ihrer Sprache, dass sie nicht aus Deutschland kommen, und auch ihre Haut­farbe ist anders. Ich denke erst mal nichts. Und irgend­wann denke ich nach, will meine Vor­urteile unterdrücken und schäme mich für diese. Oder ist es doch nur Angst? Wenn sie plötzlich anfangen, über Messer zu reden, die sie immer dabeihaben, um sich selbst zu verteidigen, frage ich mich: Bin ich noch sicher? Aber im nächsten Moment sag ich mir, nicht alle sind gleich. Jeder ist anders. Und anders ist nicht schlechter. Nicht jeder gleicht dem anderen. Nicht jeder ist schlecht. Nicht jeder ist gut.

Ebbe und Flut.

Was wird aus der Zukunft? Was wird aus meiner Zukunft? Was ist meine Meinung? Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Es ist nicht leicht. Und ich glaube, es gibt nicht die Lösung.

Aber was ich weiß, ist, dass wir alle eine Gemeinsamkeit haben: Wir sind Menschen. Und wir haben das Recht auf Frieden, auf Freiheit. Können wir nicht öfters auf die Gemeinsamkeiten, anstatt auf die Unterschiede schauen? Viel mehr auf das, was verbindet, als auf das, was trennt?

Wir sind Menschen. Wir sind gleich.

Und darum finde ich, hat jeder eine Chance verdient.

Ebbe und Flut.

Können wir nicht alle zusammen der Anker auf See, das Ufer am Fluss, der sichere Halt im Sturm sein?

Alle an einem Strang?

Die Welt im Einklang?

Bitte? Für uns Menschen, für den Frieden.

Himmel trifft Erde

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