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New Orleans, Vereinigte Staaten von Amerika, 2011

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Wenn ich meine Familie retten will, muss ich meinen Sohn opfern.

Caleb setzte sich auf die Couch. Er beobachtete, wie seine Kinder miteinander spielten. Eine der Zwillinge, Olga, zerrte ihren großen Bruder an der Hose herbei. Ihre Schwester erkannte das Vorhaben und löste sich von ihrem Puppenhaus, um Nicolai ebenfalls zum Mitspielen zu bewegen. Ihre Mutter kam angesichts des Lärms aus der Küche, lächelte aber nur, als sie stehen blieb.

„Komm schon, Nico. Tu deinen Schwestern einen Gefallen.“

Seufzend ergab sich der Junge und warf gespielt resigniert die Hände hoch.

„Na, dieser Übermacht muss ich mich wohl geschlagen geben.“

Seine Schwestern kicherten und ließen ihn los. Er ergriff die Chance, ging in die Knie und packte jede von ihnen um die Hüfte, um sie hochzuheben.

Als sie wieder zur Ruhe kamen, setzten sich alle drei vor das Puppenhaus und Wera nahm ihre vorherige Tätigkeit wieder auf. Olga drückte Nico eine Puppe in die Hand, damit er mitspielen konnte.

Angesichts des fröhlichen Geschnatters wurde Caleb das Herz schwer.

Er würde seinen Sohn nicht töten können. Auch nicht, um seine Familie zu schützen. Es gab lediglich eine andere Möglichkeit… Cal sah hinunter auf seine Hände. Wenn er den Jungen fortschickte, würde es Mord sein, das wusste er.

Obwohl Nicolai erst das zweite von fünf Geschwistern war, war er der einzige, der jetzt schon Macht ausstrahlte. Calebs ältester Sohn, Mattheus, wies keinerlei ähnliche Anlagen auf, genau wie sein jüngster, Konstantin. Nico dagegen war im Begriff, eine Gefahr für sie zu werden, obwohl er es noch nicht einmal ahnte. Die Barrieren, die Cal zum Schutz seiner Familie errichtet hatte, würden mit dem Beginn oder spätestens im Verlauf von Nicos Wandlung löchrig werden und schließlich verschwinden, bis sie ungeschützt wären, angreifbar für jedermann. Vor allem für die Vampir-Mafia, die hier in der Stadt agierte. Er musste sich abwenden. Nadja beobachtet ihn still von der Tür aus, sie hatte sehr wohl gemerkt, was in ihm vorging, aber sie hielt ihn nicht auf, als er das Zimmer verließ. Seine Frau wusste nicht, worum er sich Gedanken machte. Sie nahm vermutlich an, dass er sich wegen der Initiationsriten sorgte, die sein Sohn empfangen würde müssen. Das war bei Matt so gewesen, da er sich gesorgt hatte, das Potenzial seines Ältesten könne erst nach den Riten zum Vorschein kommen.

Es war ausgeblieben. Nico war anders. Er sandte schon jetzt Schwingungen aus, die die Schutzschilde durchbrachen und weitere Geschöpfe der Schattenwelt anlockten. In den letzten Wochen hatte sich schon allerlei zwielichtiges Gesindel in der Nähe ihres Hauses umher getrieben, aber die Schutzzauber hatten sie fern gehalten. Nadja wusste zwar, dass ihr Mann ein Eismagier war und nur noch zum Teil Dryade, doch sie hatte keine Ahnung, wie mächtig er war. Es war inzwischen schon so weit, dass er sich wieder im Sonnenlicht aufhalten konnte, ohne zu verbrennen.

Die meisten ihrer beider Kinder, die noch vor dem Beginn der Wandlung standen, hatten keine Ahnung, was sie wirklich waren. All die Jahre, die sie älter als ihre menschlichen Freunde werden würden. Die Unterschiede zwischen ihrem Aussehen und dem der Menschen. Zum Glück trat das auffälligste Merkmal eines jeden Dryaden erst nach der Wandlung auf: riesige, schwarze Pupillen mit einer schmalen blauen Umrandung. Damit konnten sie nicht länger offen unter Menschen leben, ohne erkannt zu werden. Dieser augenscheinliche Unterschied war der Grund dafür, dass Cal sowohl sich selbst als auch seine Frau und seinen schon erwachsenen Sohn mit Tarnzaubern schützte.

Würden sie unter Dryaden oder gar unter seinesgleichen leben, wäre all das kein Problem, nicht einmal Nicolais Wandlung – nun ja, bei den Eisdryaden wäre sie das wohl doch – aber er müsste nicht überlegen, seinen Sohn zu opfern, um den Rest der Familie zu schützen. Caleb war verstoßen wurden, sobald das Ausmaß seiner Macht sichtbar geworden war. Sein Volk hatte Angst vor ihm.

Nadja hingegen hatte ihn begleitet.

Seitdem wohnten sie ihn New Orleans. Wenn bekannt wurde, dass er seine Gaben weitervererbt hatte, würden seine Kinder nicht länger sicher sein.

Er erhob sich.

„Nico, kommst du mal kurz?“

Der Junge sah fragend zu ihm auf, erhob sich dann und nickte.

„Was gibt´s?“

Der offene Ausdruck im Gesicht seines Sohnes ließ Cal zögern. Er hoffte, das war ihm nicht anzumerken, als er seinem Sohn winkte, ihm zu folgen. Er ging in dessen Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen. Nico flezte sich aufs Bett.

„Was ist denn jetzt so wichtig, Dad?“

„Du weißt, dass du in wenigen Tagen siebzehn wirst?“

„Natürlich. Ich arbeite doch schon ein ganzes Jahr drauf hin. Was denkst du denn?“

Schalk blitzte seinen Augen. Cal beschloss, dem Jungen sein Handeln erst zu begründen, damit er Nicolai zu nichts zwingen musste.

„Sieh mir in die Augen.“

Cal ließ den Zauber fallen, der seine Augen menschlich erscheinen ließ. Er wusste, was Nico nun sehen würde: schwarze Iriden, die fast den gesamten sichtbaren Raum einnahmen, umrandet von einem dünnen hellblauen Band. Das Weiß der Augäpfel war bei Dryaden nur an den Seiten leicht ausgeprägt. Die Reaktion seines Sohnes ließ nicht lange auf sich warten. Nico wurde ernst. Dass er nicht erschauderte, gereichte ihm durchaus zum Vorteil.

„Was willst du mir damit beweisen?“

„Ab deinem siebzehnten Geburtstag wirst du nicht mehr menschlich sein, Nico.“ Beziehungsweise war er es auch nie gewesen, schließlich schlummerte das Potential eines Dryaden schon sein ganzes Leben lang unter seiner Haut. Die Unterschiede zwischen Nicolais und Mattheus´ Wandlung wiesen allerdings darauf hin, dass sein jüngerer Sohn kein Eisdryade sein würde, sondern wie er selbst ein Eismagier. Und das war das Problem. Wenn er das dem Jungen jetzt allerdings alles auf einmal sagte, wäre es zu viel. Schon allein das, was ihnen jetzt noch bevorstand, war hart.

Nicolai keuchte auf.

„Du machst mir Angst, Dad. Was sollte ich sein, wenn ich nicht länger menschlich wäre?“

„Die Sierewski sind Dryaden, mein Sohn. Mythenweltgeschöpfe. Dein Element wird das Eis sein. Deswegen leben Wesen unserer Art für gewöhnlich in den polaren Regionen. Du wirst ohne einen Schutzzauber nicht einmal mehr das Haus verlassen können, wenn du nicht bei lebendigem Leibe verbrennen willst. Und zudem habe ich starken Verdacht zu der Annahme, dass du meine Anlagen bezüglich der Eismagie geerbt hast. Wenn ich mich nicht täusche, wirst du ein stärkerer Eismagier werden als ich es je war und sein werde. Deine Kraft ist noch ungezügelt und wenn du mir nicht erlaubst, sie zu hemmen, werden uns andere Mythenweltgeschöpfe bis zu deinem Geburtstag aufspüren und töten.“

Nico starrte seinen Vater an. Dann schüttelte er langsam den Kopf.

„Das ist verrückt. So etwas gibt es nicht, Dad.“

Caleb ließ statt einer Antwort eine Stichflamme blauen Eisfeuers auf seiner Handfläche erscheinen. Sein Sohn beobachtete es mit gleichen Anteilen von Schrecken und Faszination.

„Fass hinein. Es wird dich nicht verbrennen.“

Der Junge streckte die Hand aus. Er fuhr mit der Handfläche über das Feuer. Es war, wie sein Vater gesagt hatte. Die eisigen Flammen liebkosten seine blasse Haut und erfüllten ihn mit wohltuender Kälte. Er zog sie wieder zurück.

„Was muss ich tun, um unsere Familie zu schützen?“

Cal nickte. Er bemühte sich, seine Erleichterung nicht zu deutlich zu zeigen. Das hier würde schwer werden, das wusste er. Der Zauber war so kompliziert, dass sie beide sterben konnten, falls das hier schief ging.

„Leg dich hin. Ich werde dich mit einem Zauber belegen, der deine Entwicklung in die magische Richtung zumindest solange hemmt, bis du deine Kraft kontrollieren kannst,“ erklärte er, während Nico der Anweisung nachkam. „Es könnte ein wenig unangenehm werden.“

Ein eisiger Wind fegte durch das Zimmer, obwohl beide Fenster geschlossen waren. Cal zog die Augenbrauen zusammen und beschleunigte seine Bewegungen. Dabei drehte er sich ein Stück weit von seinem Sohn weg, um die Macht nicht versehentlich an Nicolai zu verlieren. Wenn der Junge jetzt schon seine Umgebung beeinflussen konnte, stand er schon sehr knapp an der Schwelle zur Wandlung.

„Beruhige dich, Nico. Ich habe nicht gesagt, dass es wehtun wird.“

Sein Sohn atmete leise aus und versuchte, sich zu entspannen.

„Vater..Da ist jemand hinter dir.“

Das leise Stöhnen des Jungen ließ Caleb herumfahren.

„Jäger.“

Die schwarzgewandete Gestalt wandte sich ihm zu, sah ihm ins Gesicht. Ein Messer, von ihrer Hand geführt, lag an der Kehle des Jungen.

„Caleb Sierewski. Endlich habe ich dich, Zauberer.“

„Lass meinen Sohn los. Ich muss diesen Zauber ausführen, sonst ist meine Familie bald vogelfrei.“

Im Gesicht des Jägers war keine Gefühlsregung zu erkennen. Cal spannte sich innerlich an. Er würde den Jäger töten, sobald sich die Gelegenheit bot. Und dann würde seine Familie erneut fliehen müssen. Aber das war es, was er schon sein ganzes Leben lang in Kauf genommen hatte. Er hoffte nur, es nicht vor den Augen seines Sohnes tun zu müssen…

„Ich warte so lang.“

Das Messer bewegte sich keinen Millimeter, als Cal näher kam, um Nico die Hand auf den Oberkörper zu legen.

„Wenn du ihm Angst machst, wird daraus nichts.“

Der Jäger trat einen Schritt zurück und an Cals Seite.

„Keine Tricks. Oder du hast die längste Zeit eine Familie gehabt.“

Cal biss die Zähne zusammen. „Sieh mich an, Nico.“

Sein Sohn kam dem Befehl nach. Der Eismagier begann mit der Litanei, sobald ihre Blicke sich trafen.

Abwartend stand der Jäger neben ihm. Nicos Augen schlossen sich, obwohl Cal fühlte, wie sein Sohn dagegen ankämpfte. Dann fiel sein Kopf leicht zur Seite. Als Cal einen Schritt zurück trat, spürte er, wie sich ein stumpfer Gegenstand zwischen seine Rippen bohrte. „Warum müsst ihr mich unbedingt töten?“

Der Jäger schnaubte. „Du bist zu einer unberechenbaren Gefahr für das Allgemeinwohl geworden.“

„Das Allgemeinwohl. Und was ist, denkst du, ein Atomkraftwerk?“

„Die können wir nicht aus dem Weg räumen.“

Ein hauchdünnes Messer fraß sich einen Weg durch sein Fleisch bis hin zum Herzen des Eismagiers. Cal ging zu Boden, während der Jäger ihn im Würgegriff hielt. Nicolai kam wieder zu sich und schrie auf, als er sah, in welcher Gefahr sein Vater schwebte.

„Dad!“

Er stürzte sich auf den Jäger. Der ließ den Sterbenden los und schlug den Jungen nieder. Nach einem Blick auf den Magier vergewisserte er sich, dass dieser nun auch wirklich sterben würde, bevor er dessen bewusstlosen Sohn eine Flüssigkeit einflößte.

Er murmelte: „Du wirst dich nicht hieran erinnern.“

Der Junge schlug die Augen auf und bäumte sich unter dem Griff des Jägers auf. „Nein!“

Der Knauf des Messers schlug gegen seine Schläfe. Es wurde schwarz um ihn herum.

Nico erwachte mit Kopfschmerzen. Seltsamerweise konnte er sich nicht daran erinnern, in sein Zimmer gegangen zu sein. Er stand auf und stieß mit dem Fuß gegen etwas Weiches am Boden. Er vermutete ein T-Shirt, das wegzuräumen er vergessen hatte und wollte es beiseiteschieben, bevor er sich mit einem Blick noch einmal dessen vergewisserte. Er sah zu Boden und blickte in das schmerzverzerrte Gesicht seines Vaters.

„Dad!“

Er kniete sich neben dem Verletzten nieder.

„Was ist passiert?“

Cal resignierte. Er sah seinem Sohn an, dass der Trank des Jägers gewirkt hatte. Es war zu spät, um Nico noch einmal in die Geheimnisse seiner Familie einzuweihen.

„Sag deiner Mutter, sie soll die Kleinen in Sicherheit bringen. Und hol mir einen Krankenwagen, Junge.“ Nicos Augen füllten sich mit Tränen, doch er stand auf und gehorchte. Cal hörte, wie er in die Küche lief und Nadja benachrichtigte. Sie schrie auf, und schon rannten auch ihre flinken Füße über den Holzfußboden – in seine Richtung. Nico sprach aufgeregt in sein Telefon.

Cal schloss die Augen.

Nico wünschte fast, es wäre nicht seine Aufgabe als Zweitältester, Matt zu suchen. Seine Mutter Nadja hatte ihm diesen Auftrag gegeben, kurz bevor der Krankenwagen eingetroffen war, den er angefordert hatte. Der Junge schloss für einen Moment die Augen. Er machte sich ernsthafte Sorgen um seinen Vater, auch deswegen, weil er augenscheinlich im Zimmer gewesen war, als dieser eine Herzattacke erlitten hatte, und sich noch immer an nichts erinnern konnte. Caleb hatte unnatürlich blass ausgesehen, als sie ihn in den Krankenwagen verladen hatten. Er war schon nicht mehr bei Bewusstsein gewesen.

Beinahe gewaltsam riss Nico sich von diesem Gedanken los und wandte sich den momentan im Vordergrund stehenden Problemen zu. Er musste Matt finden. Er sah sich um. Die Gegend hier gefiel ihm immer weniger, vor allem, da er das unangenehme Gefühl entwickelt hatte, von allen Seiten angestarrt zu werden. Es waren kaum Leute auf der Straße, die ihm auch nur heilwegs das Gefühl von Anstand vermittelten. Und doch hatten ihm Matts Freunde den Weg in dieses Viertel gewiesen, mit dem Ratschlag, er solle vorsichtig sein, wenn er seinen Bruder tatsächlich finden wollte.

Die Tür war so rostig, dass ein Teil des Metalls abblätterte, als er sie öffnete. Vorsichtig spähte er ins Halbdunkel der Lagerhalle, konnte aber nichts entdecken. Er ging einen Schritt weit hinein.

„Matt?“

Die Männer, die er draußen gefragt hatte, hatten ihm den Weg hierher gewiesen. Angeblich war sein Bruder hier. Er konnte es nicht so recht glauben, schließlich waren sie sich ja einig gewesen, unauffällig zu bleiben.

„Matt?“

Im Halbdunkel war der Lichtschimmer, der aus einer der hinteren Ecken kam, nur schwer wahrzunehmen. Nicolai sah ihn nicht. Hinter ihm krachte es, als die Tür ins Schloss fiel. Er fuhr zusammen. Dann hörte er Schritte und drehte sich um.

Ein Mann kam auf ihn zu.

„Hallo. Ähm..tut mir leid, dass ich hier einfach so reingekommen bin. Man sagte mir, mein Bruder wäre hier..“

Der Mann sagte nichts, sondern starrte ihn einfach nur an, während er immer näher kam. Als er dann doch sprach, meinte Nico, etwas unnatürlich Weißes in seinem Mund wahrzunehmen.

„Dein Bruder also.“

Eine Gänsehaut überzog seine bloßen Arme. Er war sich relativ sicher, dass der Mann es nicht sehen konnte, aber auf dessen Gesicht blitzte plötzlich ein schmales Lächeln auf.

„Jaaa, könnte sein, dass ich mich hier verirrt habe….“

Der Mann ging nicht mehr auf seine Worte ein und war plötzlich verschwunden. Nico wollte sich schon wundern, offensichtlich hatte er sich das Ganze nur eingebildet, als er neben ihm wieder auftauchte. Er wurde zur Seite gerissen und an einen harten Männerkörper gepresst. Eine Hand presste sich auf Mund und Nase des Jungen. Nicos Körper begann vor Panik zu zittern.

Dann fuhr sein Angreifer mit den Reißzähnen ganz leicht am Hals des Jungen entlang. Nico zuckte zusammen, als der andere Arm ihm den Brustkorb zusammenpresste.

Auf ein energiegeladenes „Du kommst mit.“ hin schwanden ihm die Sinne.

„Hast du Geschwister, Sullivan?“

Der Vampir richtete beiläufig das Wort an ihn, während der Stoff verpackt wurde. Sullivan war der Name, unter dem sie in ihrer amerikanischen Wahlheimat bekannt waren. Matt konnte sich als ältester Sohn nur noch dunkel an Weißrussland erinnern, die Haupteindrücke waren die wohltuende Kälte und die Feindseligkeit der Menschen.

Dass er hier mit den Vampiren zusammen arbeiten musste und sogar Drogen zu verkaufte, um seiner Familie ein kleines Zubrot zu verdienen, war aus Sicht eines jeden redlichen Menschen und Schattengeschöpfes undenkbar. Matt war froh, dass seine Eltern nicht wussten, was er hier tat. Außerdem gab er sein Bestes, um die Vampire nichts über sich erfahren zu lassen. Bei der ersten Begegnung allerdings hatten sie schon mitbekommen, dass er auch zu den Schattenwesen zählte, sie hatten seinen dryadischen Anteil riechen können. Deswegen war der Eisdryade sofort auf der Hut, als ihn einer von ihnen auf dieses Thema ansprach. Vampire waren zumeist von Grund auf verdorbene Wesen, nicht wenige von ihnen lebten ihren Blutrausch aus…

„Ja. Warum?“

Sein Geschäftspartner schlenderte der Wand entgegen. Matt erkannte im Dunkel die Umrisse zweier Gestalten.

„Gehört der hier zu dir?“

„Nico?“ Er eilte zu seinem Bruder. Der wirkte nicht so, als sei er bei Bewusstsein. Matt bemerkte die Bisswunde am Hals und verengte die Augen.

„Ja. Ja, er gehört zu mir. Was ist passiert?“

„Er ist hier rumgeschlichen und hat dich gesucht. Wie kommt dein gottverdammter Bruder hierher?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Nico, kannst du mich hören?“

Sein Bruder gab ein Stöhnen von sich. Dann nickte er schwach. Als er sprechen wollte, unterbrach der Vampir ihn.

„Dein leiblicher Bruder?“

„Ja.“

Nico schlug die Augen auf und fixierte zuerst den Vampir, dann Matt. Matt konnte die Angst in den Augen seines Bruders sehen. Es musste ihn eine gehörige Portion an Überwindung kosten, dass er jetzt überhaupt sprach. Aus dem Augenwinkel beobachtete er zugleich den Vampir, der seinem Bruder offensichtlich die Bisswunde zugefügt hatte. Es war nicht zu erkennen, was er dachte. Sicher war allerdings, dass er Nico hier raus bringen musste. Die Vampire würden andernfalls sonst was mit ihm anstellen.

„Dad musste ins Krankenhaus. Er hatte einen Herzinfarkt.“

Matt sah ihn alarmiert an. Ein Eisdryade mit Herzinfarkt? An der Geschichte war eindeutig etwas faul. Aber sein Bruder wusste noch nichts vom Familiengeheimnis. Ab dem achtzehnten Lebensjahr würde auch Nico beginnen, sich zu wandeln. Bis er mit einundzwanzig ein vollständiger Eisdryade war. Aber solange die Wandlung andauerte, war er noch kein Schattenwandler.

Er drehte sich wieder um.

„Lasst ihn in Ruhe.“

„Immer mit der Ruhe. Der Kleine ist noch ein Mensch, nicht wahr? Unsere Gesetze gelten für ihn nicht. Genau wie unsere Geschäftsbedingungen.“ Er lächelte verschlagen. „Im Gegensatz zu dir können wir ihn mitnehmen. Ich habe gehört, Eisdryadenblut wäre eine Spezialität.“

„Nein!“

Es war zu spät. Mitten im Raum lösten sich die Vampire plötzlich auf.

Teleportation.

Matt fuhr herum. Nichts als eine Rauchwolke kündete von der Anwesenheit seines Bruders. Sie hatten ihn mitgenommen. Er schlug mit der Faust gegen die Wand. Nicos Geburtstag war schon in zwei Tagen! Wenn er ihnen bis dahin nicht entwischte, war es nach den Gesetzen der Mythenwelt legitim, seinen Bruder festzuhalten!

Dryade

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