Читать книгу Slave me - Besitze mich | Erotischer SM-Roman - Alissa Stone - Страница 4
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Ich schließe die Wohnungstür auf, werfe meine Tasche auf die Kommode und verstaue Mantel und Schuhe im Garderobenschrank. Noch bevor ich den Umschlag aus der Tasche hole, tippe ich Noahs Nummer ins Telefon – so hastig, dass ich mich beinahe vertippt hätte. Ich hoffe bei Gott, dass er zu Hause ist, was wegen seines Schichtdienstes immer schwer vorauszusagen ist.
Nach vier Mal klingeln, nimmt er den Hörer ab. Zum Glück. Er begrüßt mich überschwänglich, als hätte er seit Monaten nichts von mir gehört. Dabei ruft er mich mindestens einmal die Woche an, um zu fragen, wie es mir geht. Und um nachzufühlen, ob er sich Chancen auf einen Neuanfang machen kann.
Seine Stimme klingt tief und anzüglich. »Sag bloß, du vermisst mich …«
Ich falle ihm ins Wort. »Kannst du mir bitte erklären, warum du mir das Foto in die Arbeit geschickt hast?«
Ich höre einen Löffel klimpern und stelle ihn mir vor, wie er in seiner weißen Pflegeruniform an der Küchenzeile steht. Vor ihm seine hellblaue Jumbotasse, randvoll mit japanischem Weißtee, in den er gerade den vierten Löffel Zucker rührt – während sich in mir die Ungeduld von einer Seite auf die andere wälzt.
»Welches Foto?«
»Noah, stell dich nicht so dumm.«
»Weshalb sollte ich dir ein Foto schicken? Worum geht es überhaupt?«
Einen Moment lang schließe ich die Augen. So wie er das sagt, weiß er tatsächlich nicht, wovon ich spreche. Ich kenne Noah, lügen ist nicht seine Stärke.
»Du warst es wirklich nicht?«
»Ich weiß ja nicht mal, wovon du sprichst.«
Wenn er mir das Foto nicht geschickt hat, wer war es dann? Habe ich Feinde, von denen ich nichts weiß? Meine Gedanken schießen umher, suchen verzweifelt nach einem weiteren Verdächtigen.
»Jetzt sag schon, was ist los?«, hakt er nach.
»Ich hab ein Foto bekommen, das jemand von mir gemacht hat. In dem Club. Du weißt schon.«
Es dauert einige Sekunden, bis er etwas dazu sagt. »Der Club?«
»Ja.« Ich atme tief durch, klemme den Hörer zwischen Ohr und Schulter und ziehe den Schnappschuss aus dem Umschlag. Meine Finger zittern. »Ich bin erledigt! Was soll ich bloß tun? Irgendjemand muss es mir doch geschickt haben. Und er muss sich was dabei gedacht haben. Warum sonst sollte er so etwas tun?«
»Jetzt beruhig dich erst mal.«
»Noah, ich habe ein Ansehen zu verlieren! Wenn rauskommt, wo ich mich überall herumtreibe, kann ich meinen neuen Posten in Liverpool vergessen. Henry duldet keine Eskapaden. Er wird mich hochkant rauswerfen. Ich steh so kurz davor, und jetzt droht alles, den Bach hinunterzulaufen.«
»Du ziehst nach Liverpool?«
Ich fächere mir mit dem Foto Luft zu und bemerkte, dass auf der Rückseite etwas geschrieben steht. »Warte, da steht was.«
»Wo?«
»Auf dem Foto. Hier steht, ich soll heute Abend meine Mails abrufen.«
Noah gibt einen anzüglichen Laut von sich. »Vielleicht ist es eine Masche des Clubs, um prickelnde Erinnerungen zu wecken, damit wir ihnen wieder einen Besuch abstatten.«
Mir ist klar, was er mit diesem Wink bezweckt. Doch ein Wir wird es nicht mehr geben. Abgesehen davon sind die Erinnerungen an den Clubbesuch nicht prickelnd, sondern beschämend. Das reinste Desaster, um genau zu sein.
»Genau«, scherze ich. »Und damit es die Kollegen auch gleich noch mitkommen, schicken sie den Brief direkt in die Arbeit.«
Während Noah kichert, krame ich in der Tasche nach meinem Handy. Die einzige E-Mail-Adresse, die infrage kommt, ist die von der Galerie. Es ist nicht schwer, an meine Mailadresse zu gelangen. In der Galerie liegen genügend Visitenkarten von mir aus. Doch wer zum Teufel kann es auf mich abgesehen haben?
Im Posteingang liegen drei ungeöffnete Mails. Zwei von Henry und eine mit dem Absender Stillewasser@secure-mail.cc.
»Ich habe tatsächlich eine Mail bekommen«, sage ich, klicke sie an und lese laut vor. »Meine liebe Melissa. Ich hoffe, du hast dich über das Foto gefreut. Stellt sich nur die Frage, ob sich dein Umfeld auch darüber freut. Wenn du nicht willst, dass in der Presse steht, wie versaut die hochgeschätzte Kunsthändlerin Melissa Harris ist, wirst du mir einen Gefallen tun müssen. Besorge mir das Gemälde, von dem ich dir ein Bild in den Anhang gelegt habe. Du findest das Objekt in der Künstleragentur von Ethan Luces. Zehn Tage hast du Zeit, verschwende sie nicht.«
»Jemand will dich erpressen?«
Mir wird heiß und schummrig, mein Magen fühlt sich an wie ein dicker, fetter Klumpen. Am liebsten würde ich das Foto zerknüllen und alles ungeschehen machen. »Warum ausgerechnet ich? Soll ich zurückschreiben? Soll ich fragen, was das soll?«
»Das wird nichts nutzen. Hört sich nach einem anonymen Remailer-Account an.«
Ich verstehe zwar nicht, was das ist, aber Noah kennt sich mit Computern eindeutig besser aus als ich.
»Kennst du diesen Luces?«, fragt er.
»Ja, flüchtig.«
Das stimmt nicht ganz. Er war hin und wieder bei uns in der Galerie, wir hatten einige Gemälde seiner Künstler im Programm. Bis Henry beschlossen hat, keine Geschäfte mehr mit ihm zu machen. Seit Ethan ihm letztes Jahr ein Geschäft versaut hat, dürfen wir seinen Namen in Henrys Gegenwart nicht einmal mehr laut erwähnen. Er hasst ihn abgrundtief und behauptet, Ethan Luces sei nur deshalb ein gefragter Kunstagent, weil seinen Vorfahren halb Kensington gehörte. Luces selbst habe weder Stil noch Anstand. Ethan ist jemand, der seinen Willen durchsetzt, und wenn er dafür über Leichen gehen muss. Zur Not auch über Henrys Leiche. Er genießt Narrenfreiheit, nicht zuletzt was Frauen betrifft. Seine Annäherungsversuche machten auch vor mir nie Halt. Doch als Trophäe in seiner Sammlung war ich mir immer zu schade. Ich kenne diese Männer zu Genüge. Männer, die wissen, dass sie gut aussehen und mit ihrer selbstbewussten Art wissentlich jeder Frau den Kopf verdrehen. Diese Männer sind in meinen Augen nicht fähig zu lieben. Dafür sind sie zu unstet, zu unreif und reine Zeitverschwendung.
»Du solltest zur Polizei gehen«, schlägt Noah vor.
»Und was meinst du, werden die tun? Sicher werden sie auch mit Henry sprechen wollen, um Hinweisen nachzugehen. Dann kann ich es gleich selbst an die große Glocke hängen.«
Ich gehe ins Wohnzimmer, lasse mich auf den braunen Cordsessel nieder und fahre mir mit den Fingern durchs Haar. »Vielleicht ist es besser, ich schaue heute Abend bei diesem Club vorbei. Wenn ich Glück habe, gibt es dort Überwachungskameras.«
»Der hat aber erst wieder morgen auf. Heute ist Mittwoch.«
Auch das noch! Das kostet mich einen Tag, und ich weiß nicht einmal, ob es mich weiterbringt. Ich lege den Hinterkopf an die Lehne und starre auf die Taube aus mundgeblasenem Glas, die ganz oben in meiner Vitrine steht. Noah hat sie mir zum achtundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Er war es leid, dass ich bei jedem Spaziergang eine Viertelstunde vorm Schaufenster des Antiquitätenhändlers gestanden hatte, weil ich nicht die Augen davon lassen konnte. Dabei bringt sein Job als Altenpfleger nicht gerade ein Vermögen ein.
Ich reibe mir über das Kinn. »Weißt du, ich frage mich, warum kauft der Erpresser das Gemälde nicht selbst? Da ist doch irgendetwas faul.«
»Vielleicht möchte er als Käufer unerkannt bleiben.«
»Aber das ist doch kein Grund, mich zu erpressen.«
»Hm. Vielleicht solltest du zu dem Kunstagenten gehen und dich über das Gemälde erkundigen.«
»Wahrscheinlich bleibt mir gar nichts anderes übrig.«
***
Eiseskälte schlägt mir ins Gesicht, als ich am nächsten Morgen aus dem Wagen steige und über den Parkplatz husche. Der Wind peitscht frischen Pulverschnee von den Autodächern und wirbelt ihn durch meine langen, blonden Locken. Kaum zu glauben, dass es Menschen gibt, die dieser schwarz-weißen Jahreszeit etwas abgewinnen können. Ich halte den Kragen meines Mantels fest und stapfe über den schneebedeckten Gehweg.
Der Eingang zu Ethan Luces’ Agentur befindet sich in einer kleinen Seitengasse, in der sich eine exklusive Boutique an die nächste reiht. Zumindest behauptet mein Navi, dass ich ihn hier finden werde. Um spätestens zehn Uhr muss ich beim Auktionshaus sein, ich habe also eine gute Stunde Zeit, um mit Ethan zu verhandeln.
Neben einer großen, holzvertäfelten Eingangstür hängen mehrere Messingschilder. Auf einem davon steht Kunstagentur Ethan Luces, 1. Stock.
Ich drücke die Tür auf und betrete das Treppenhaus. Aufregung flattert durch meinen Magen. Es ist absolut nicht meine Art, unvorbereitet bei einem Geschäftskollegen aufzukreuzen. Zwar habe ich gestern lange überlegt, welchen Grund ich ihm auftischen könnte, doch glücklich bin ich mit keinem der zurechtgelegten Argumente. Ob es reicht, wenn ich sage, ich würde das Bild für die Vernissage haben wollen? Aber woher soll ich überhaupt von dem Bild wissen? Bisher hat er uns dieses Gemälde ja nie angeboten. Irgendetwas wird mir schon einfallen.
Meine Schritte hallen, als ich die Marmortreppe nach oben steige. Wenig später bleibe ich vor einer Tür aus satiniertem Glas stehen, neben der ein deutlich kleineres Messingschild angeschraubt ist, auf dem Ethans Name steht. Ich finde keine Klingel, also klopfe ich zweimal an und öffne die Tür.
Eine angenehme Wärme empfängt mich. Es riecht nach Holz und frisch verlegtem Teppichboden. Ich liebe es, wenn Geschäftsräume mit Teppichböden ausgelegt sind, weil das laute Klackern meiner Absätze dann nicht durch den Raum hallt.
Das Vorzimmer ist sehr hell und freundlich. Weiße Wände, hellgrauer Boden und Türen aus Glas. Im hinteren Bereich thront ein kastenförmiger Empfangstresen aus dunklem Holz. Und darüber hängt es – das Gemälde, um das es geht. Ein Blickfang. Besonders in diesem puristischen Umfeld. Auf der hochformatigen Leinwand zeigt sich eine angeschnittene Magnolienknospe, die so blass und schemenhaft gemalt ist, als wäre sie von einem seidenen Schleier bedeckt. Sehr beeindruckend. Dieser nebulose Effekt geht auf dem Bild, das der E-Mail beigefügt war, gänzlich verloren.
Ich trete näher und bemerke hinter dem Tresen Ethans Assistentin. Soweit ich mich erinnere, heißt sie Nicole. Der Nachname fällt mir nicht mehr ein. Sie scheint gerade etwas aufzuschreiben. Nur ihre glatten, schwarzen Haare und der Ansatz ihrer Stirn sind zu erkennen.
Erst als ich direkt vor dem Tresen stehe, unterbricht sie ihre Arbeit und sieht zu mir auf.
»Willkommen«, sagt sie, steht auf und reicht mir die Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
»Melissa Harris. Wir wurden einander bei der Ausstellung von Ernest Cevalli vorgestellt.«
»Ah ja«, sagt sie gedehnt, verengt ihre Brauen und erkundet mein Gesicht. »Sie haben einen Termin?«
»Nein. Ich hoffte, Mr Luces hätte einen Moment. Es hat sich spontan ergeben. Ich war auf dem Weg und …«
»Mr Luces ist sehr beschäftigt. Es ist besser, wir vereinbaren einen Termin. Nächste Woche, am …« Papier raschelt, und wieder bekomme ich nur ihren Scheitel zu Gesicht.
»Ich muss ihn jetzt sprechen!«
»Das wollen viele«, sagt Nicole. »Nächste Woche Freitag wäre noch ein Termin frei. Elf Uhr Vormittag.«
Das ist zu spät. Ich blicke auf den Stift, der zwischen ihren Fingern klemmt, dann in ihr nach unten gerichtetes Gesicht. »Hm, dabei machen Sie einen äußerst kompetenten Eindruck.«
Nicole sieht zu mir auf und runzelt die Stirn.
Ich lächle. »Ethan wäre ohne Sie doch verloren. Sie koordinieren für ihn Termine, kümmern sich um seine Klienten und erledigen nebenbei den ganzen Schreibkram. Es sollte doch ein Leichtes für Sie sein, Ethan einen Termin unterzujubeln.«
Nicole grinst mich an, als durchschaue sie meinen Manipulationsversuch. »Na gut. Ich werde es versuchen.«
Ich nicke und stoße ein »Danke« hervor. War doch gar nicht so schwer.
Sie hält den Telefonhörer an ihr Ohr und räuspert sich. »Miss Harris ist hier. Sie würde gern mit dir sprechen … Soll ich sie fragen? … Okay.« Nicole legt den Hörer hin. Dann steht sie auf und kommt hinter dem Tresen hervor.
»Sie können sich dort hinsetzen«, sagt sie und deutet auf zwei weiße Oxford Sessel.
Mit geschwellter Brust geht sie an mir vorbei und verschwindet in einem Nebenraum. Ich klopfe mir im Gedanken auf die Schulter und setze mich. Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. Ich gehe meine Ersparnisse durch und überlege, ob sie reichen, um mir das Bild zu kaufen. Zwar besitze ich kein Vermögen, aber um zu verhindern, dass das Foto meinen Ruf und meine Karriere ruiniert, bin ich bereit, einen Großteil meines Geldes zu opfern. Und wenn die Galerie in Liverpool gut läuft, werde ich mein Konto ohnehin wieder aufpolstern können.
Das Summen und Schalten eines Kopierers dringt aus dem Zimmer, in das Nicole gegangen ist. Wenig später kommt sie mit einigen Blättern in der Hand zurück. Der schwarze Bleistiftrock spannt bei jedem ihrer Schritte. Sie wirkt sehr adrett in der weißen Bluse und den schwarzen Nylonstrümpfen, die ihre langen, schlanken Beine betonen.
»Wissen Sie, wie viel Mr Luces für dieses Gemälde verlangt?«, frage ich und deute darauf.
»Das Werk ist unverkäuflich«, sagt sie, sieht mich kurz an und setzt sich wieder hinter ihre Brüstung.
Unverkäuflich. Das Gewitter in meinem Bauch breitet sich schlagartig bis in die Brust aus. Also ist das der Grund, weshalb der Erpresser das Bild nicht selbst kauft.