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EINS

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Verflixt eng sitzt meine absolute Traumjeans heute wieder, ich rekle mich auf meinem Platz 12A auf einem der Frühflüge von München nach Brüssel. Gerade heute sollte ich mich doch einigermaßen gut fühlen, immerhin habe ich das wichtigste Meeting in diesem Jahr vor mir. Ich soll das neue Projekt von Sommers-Hall, ein speziell energieeffizientes Gasspeicherverfahren für Windenergie, bei der Kommission in Brüssel vorstellen, um dort eine EU-Förderung zu lukrieren und Investoren zu gewinnen.

Aber nein, heute wollten meine Haare in der Früh justament nicht richtig. Schon als Kind quälten mich diese Naturlocken, ich wollte immer lange, glatte Haare. Nun habe ich sehr lange, dunkelbrünette Haare, aber immer noch viel zu lockig. Meine Mähne habe ich heute Morgen letztlich mit einer Hochsteckfrisur bezwungen. Das gelingt im Notfall immer noch am besten.

Und jetzt ziept nicht nur meine Haarklammer, nein auch die edle Stonewashed-Jeans mag mich heute nicht. So ein Shit! Ruhig, Angie, du bist keine 20 mehr, du solltest dich ein wenig beherrschen können!

Also grabe ich in meiner weißen, überdimensionalen Lacktasche nach den Unterlagen. Die hat mir unser technischer Leiter, Peter Gallberger, ein zuverlässiger Mensch, schon vor einer Woche für das Meeting überlassen, als plötzlich eine sehr junge Stimme nachfragt: „Verzeihung Miss, Tee oder Kaffee? Was darf‘s für Sie sein?“ Ich sehe auf, und da steht eine bildschöne Blondine: „Kaffee, bitte!“, antworte ich bestimmt, während ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Glaubt das junge Ding echt, ich wäre noch eine Miss? Sie reicht mir meinen Becher Kaffee mit einem kleinen Frühstückssnack, und ich muss zugeben, ich werde leicht neidisch auf diese Jugendlichkeit. Nun ja, Frau tut ihr bestes, ich versuch‘s auch.

Manchmal gelingt es mir besser, vor allem, wenn ich meiner Lieblingsbeschäftigung, Aerobic, nachkomme, da fühle ich mich einfach wohl. Ich liebe es, mich zu Musik zu bewegen, den Rhythmus zu spüren und mit ihm eins zu werden. Das Tanzen und das Element Wasser haben immer schon eine magische Wirkung auf mich ausgeübt. Zu gerne verbringe ich meine Freizeit beim Surfen in warmen Küstengegenden. Doch mein alltägliches Leben spielt sich nun mal soweit vom Meer ab, dass ich mir für meine freien Stunden hier die Bewegung zur Musik gesucht habe.

Für den Anlass heute bin ich zwar offiziell extrem leger gekleidet, für mich aber fast zu elegant, mit meiner weißen ebenfalls engsitzenden, aber äußert glamourösen Bluse. Stolz bin ich auf meine kreierte Marke, mein Ich.

Mittlerweile bin ich vertieft in meine Unterlagen: Mal sehen, ok, das ist nochmal die Präsentation über die technischen Neuerungen, ach ja und hier die Gegenüberstellung zu den Daten, wie das Verfahren bisher lief und das, ja, da habe ich’s, das ist das Wichtigste. Hier ist das Diagramm für jene, die keine Ahnung von der Technik haben und sich nur an Zahlen orientieren. Nebenbei schlürfe ich meinen Kaffee und esse doch die nach eigentlich nichts schmeckende Brioche. Jetzt schnürt die Jeans endgültig, aber da muss ich durch.

Der Flug war ruhig und in time, somit brauche ich mich nicht in der line beim Taxistand mit: „Entschuldigung ich hab gleich einen wichtigen Termin, darf ich?“ vorzumanövrieren. Ich habe sogar noch Zeit in der Zeitung des vor mir wartenden, gutaussehenden Herren eine Überschrift aufzuschnappen. Ich weiß, das gehört sich nicht, aber es ist zu verlockend: „Summers-Hall stellt neues Projekt im Bereich Windenergie in Brüssel vor – Trendwende endlich da?“ Naja, das will ich mal hoffen, denke ich. Da springt der Herr bereits in sein Taxi, das nächste ist also meines. „Toll“, finde ich, da hat unsere Marketingabteilung gut gearbeitet, mein heutiger Termin steht also bereits in der Zeitung. Die Fahrt in den European District dauert eine gefühlte Ewigkeit. Zeit zu einer kurzen Entspannung, ich schließe meine Augen und denke an meine beiden Söhne, mein Ein und Alles. Sie sind mein Ruhepol, meine Energiequelle, auch wenn mich das manchmal viel Kraft kostet, ich liebe sie einfach über Alles. Sie werden wohl schon in der Schule sein, hoffentlich hat John jedem seine Jause richtigrum vorbereitet. Manchmal passiert es, dass er diese vertauscht, dann hat unser kleiner Sidney Käsesandwich mit, er hasst Käse und unser großer Aaron Salamisandwich, und er – klar – er kann Salami nicht ausstehen. Ich lächle, es ist komisch, manchmal koche ich für vier Personen drei Gerichte – und? Ich mache es gern, ich bin stolz auf meine Kinder, auch wenn dabei meine Beziehung zu John zu oft auf der Strecke geblieben ist.

Da hält mein Taxi vor dem Haupteingang des hohen Glasgebäudes, die blauen Fahnen mit dem EU-Wappen wehen wie immer im Wind. Ich bezahle und steige hurtig aus dem Taxi… Shit das Wetter – Angie, nicht fluchen! Es ist Ende Jänner und es nieselt. Jetzt bin ich fast stolz auf meine Aufsteckfrisur, sie hält. Ich passiere die Pass- und Sicherheitskontrolle wie gewohnt und nehme eine der Rolltreppen in den 5. Stock. Am Empfang erkenne ich beim Hinauffahren bereits eine hübsche Rothaarige und eine ebenso gutgebaute Blondine. Assistentinnen, beide könnten fast meine Töchter sein.

So und jetzt aber – jetzt bin ich Businesswoman Angie.

Bestimmt und selbstbewusst trete ich diesen Assistentinnen gegenüber und melde mich an. „Guten Tag, Mrs Miller, Sie werden schon erwartet, darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?“, werde ich wie gewohnt empfangen. Elegant winde ich mich aus meinem schwarzen, langen Mantel und reiche ihn der Rothaarigen, dann folge ich nach meinem leisen „Danke“ der Blondine den Gang entlang zur dritten Tür links. „Mrs Miller ist nun hier“, die Blondine wendet sich wieder zu mir und hält mir die Türe weit auf. Ich hole tief Luft und begebe mich mit Ruhe in den Raum. Hinter mir schließt sich die Tür. Jetzt kann ich sicher sein, dass mir die volle Aufmerksamkeit gilt.

Im Raum steht ein ovaler Glastisch für geschätzte 25 oder 30 Personen mit den dazu passenden Komfortsesseln, einen von diesen habe ich an meinem Schreibtisch im Büro – Heimvorteil!

Ich verschaffe mir gekonnt einen Überblick über die anwesenden Personen, zwei bekannte Damen und acht Herren im Nadelstreif. Ich steuere geradewegs auf Geraldine Noo, sie leitet das Meeting, zu: „Hallo, Geraldine, na wie war dein Weihnachtsurlaub in den Schweizer Bergen? Hattet ihr diesmal mehr Glück mit dem Wetter?“ Wie sich das gehört, begrüßen wir uns mit einer kleinen Umarmung und Küsschen-Küsschen – ich hasse das. „Oh, ja ich muss dir darüber mal bei einem Kaffee erzählen!“ Mit einem:„Guten Tag, Monica!“, halte ich einer kleinen zierlichen Frau meine Hand entgegen. Monica Circoni ist die Protokollführerin.

„Ich begrüße Sie, Mrs Miller“, auch Alfred Matt streckt mir viel zu förmlich nun seine Hand entgegen und kommt gleich zur Sache. „Darf ich dir gleich die anwesenden Investoren und Fachleute vorstellen?“ Nun beginnt eine Runde von Handshakes, es sind sieben Herren, gesehen habe ich vorher noch keinen, nur vom Namen kenne ich einige. Es sind allesamt Herren mit ansehnlicher Statur, sechs davon im dunklen Nadelstreif mit Krawatte, nur einer tanzt mit einem grauen, unglaublich schicken Anzug ohne Krawatte aus der Reihe.

„Sehr erfreut“, eine atemberaubend tiefe Stimme fordert meine Aufmerksamkeit. Ich sehe vor mir einen großen, nein: einen sehr großen stattlichen Mann, ergraut, ein wenig verwegen mit seinen kinnlangen Haaren und einem Fünftages-Bart. Der sieht verdammt interessant aus, denke ich völlig unverschämt. Meine Hand verschwindet in seiner und ich habe das Gefühl, er lässt sie nicht los.

„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, ich bin sehr gespannt auf Ihre Präsentation“, ich genieße diese volle und tiefe Stimme, da funkt mir Alfred dazwischen: „Darf ich vorstellen: Das ist Mr Ron Kern.“ „Diese Stimme gehört also zu dem Namen, den ich bereits länger kenne, freut mich!“, so funkle ich Ron an.

Was ist los mit mir, ich soll arbeiten – flirte ich da etwa? „Sie werden ihrem Ruf gerecht, Angie, immer direkt – ich darf Sie doch Angie nennen?“ „Sie dürfen Ron“, ich blinzle ihm zu, überspiele meine Neugier und nehme meinen Platz an der Mitte der Längsseite des Tisches ein.

Endlich reihen sich alle mir gegenüber und ich starte meine Präsentation. Immer wieder suche ich die Augen zu der tiefen Stimme, sie sind blau oder grau, das erkenne ich nicht so recht auf die Distanz. Ron streift mit seiner Zungenspitze immer wieder langsam von seinem Mundwinkel in Richtung Lippenmitte, verweilt dort kurz und schüttelt ganz zaghaft seinen Kopf, was ist – gefällt es ihm nicht? Ich werde unsicher. Das ist mir schon lange nicht passiert. Wieder streift seine Zunge über seine Lippen… Ich wende schnell meinen Blick ab, bevor ich noch Stuss rede. Es läuft aber doch erstaunlich gut. Kaum Zwischenfragen, und dann bin ich nach meinen veranschlagten 40 Minuten Redezeit tatsächlich am Ende angekommen.

„Warum nochmal soll hier in ein Verfahren investiert werden, das lediglich die Umwandlung von Windenergie in eine Speicherform wie Gas effizienter gestaltet? Ist es nicht besser gleich an einem anderen Speichermedium anstatt Gas zu arbeiten?“, will Ron Kern jetzt wissen. Ich genieße die tiefe Stimme, und da ist es wieder: Rons Zunge bewegt sich fast in Zeitlupe von seinem linken Mundwinkel über seine volle Unterlippe hin zur Lippenmitte und dann schüttelt er wieder seinen Kopf und lässt ihn schließlich leicht schräg stehen. Er fordert meinen Blick. „Ron, es wird an verschiedenen Verfahren gearbeitet und entwickelt, Sommers-Hall ist hier Marktführer, dieses Verfahren ist eben jetzt reif. Die Wirtschaft braucht jetzt ein Verfahren, um gewonnene Windenergie nicht verpuffen zu lassen, weil sie nicht speicherbar ist. Vertrauen Sie mir, wir wissen, wovon wir reden“, und ich kann es mir nicht verkneifen mit meinem atemberaubenden Lächeln meine Beine übereinanderzuschlagen und mich entspannt in den Armsessel zurückzulehnen. Wieder sicher in mir ruhend, warte ich auf seine Reaktion.

„Sie wissen tatsächlich von alldem, was Sie hier vorgetragen haben. Nicht wahr? Das ist erstaunlich!“ Meine Ohren lauschen dieser dunklen Stimme, ich platze fast vor Neugier, ruhig fessle ich seinen Blick. Ich spiele mit meinem linken, oben überkreuzten Bein, an dessen Ende ein durchaus sehenswerter weißer Lack-Highheel steckt – fast mein Markenzeichen, ich gestehe ich habe einen Schuhtick.

Ron betrachtet meine Pose und lächelt. Ich gehe einen Schritt weiter:„Wissen Sie denn nicht von dem, was Sie sagen?“ Kurze Stille. Nur kurz halte ich inne und triumphiere: „Na, na, na Ron, das sollten Sie aber!“ Jetzt richte ich mich auf, stelle beide Beine nebeneinander und lege meine Unterarme nun auf der Glasplatte des Tisches vor mir ab. So verschärfe ich die Anspannung. Tief sehe ich in Rons Augen. Ron blickt zu Geraldine: „War’s das?“ „Gewonnen“, denke ich – es sind die kleinen Dinge der Psychologie, das Einmaleins des Verhandelns, all diese Dinge muss man als Frau perfekt beherrschen, um den Männern in diesem Business Paroli bieten zu können. Triumphierend packe ich die Unterlagen in meine Tasche.

Im Foyer suche ich jetzt die Rothaarige, ich will ja meinen Mantel. „Darf ich?“, es ist Ron, ich werde – schon wieder -unsicher, denn mein Unterleib gerät ganz ungewohnt in Entzücken? Es ist bloß eine gut klingende Stimme, beruhige ich mich. Ich drehe mich um, und Ron hält mir meinen Mantel wie ein Kavalier auf. Ich schlüpfe langsam mit meiner Rechten in den Ärmel, dann mit der Linken und wende mich ihm frontal zu, geschätzte 20 Zentimeter sind wir uns nahe. Ron duftet gut, ich genieße, lächle und stülpe meinen großen Kragen gekonnt hoch, in der Hoffnung, weiblich und sinnlich zu wirken. Er riecht ein wenig nach Zigarre? Warum gefällt mir das? Ich bin Nichtraucherin. „Begleiten Sie mich ins Restaurant vorne am Schuhmannsplatz?“, die Stimme klingt noch tiefer, wenn Ron leise mehr aus der Brust spricht. Ich schmelze, lasse mir aber nichts anmerken. Meine Rechte zückt mein iPhone, die Linke scrollt im Kalender und ehe ich mich klar fassen kann, höre ich mich: „Gerne, mein Rückflug geht erst in vier Stunden.“ Angie, was tust du? Ich bin doch sonst so besonnen, was fällt mir da ein, ich bin doch verheiratet. Es ist nur ein Essen, versuche ich mich erneut zu beruhigen.

Wenig später finde ich mich in einem der schicksten Lokale von Brüssel wieder. Shit. Ron scheint das Haus zu kennen. Es ist ein exklusives Restaurant, viel zu teuer für mich, und die Spesenabteilung übernimmt hier nicht einmal das Gedeck, denke ich mir, als ich hinter dem Herrn im Frack her schreite, gefolgt von Ron. „Ins Separee, Pete, bitte!“, ja sie ist einfach atemberaubend diese Stimme, wohin führt das?

Endlich lassen wir uns an einem runden Tisch in einem abgelegenen Raum nieder. „Mögen Sie Meeresfrüchte?“, ich bekomme nicht genug von der Stimme und klar mag ich Meeresfrüchte, ich liebe sie. Ich meine aber sehr keck: „Vongole am liebsten.“ Jetzt ergänze ich kokett: „Ich bin gespannt, welche Interessen wir noch teilen?“, und erheische mir ein weiteres, vielversprechendes Lächeln von diesem fremden Unbekannten. Angie, lass das! Ich kenne mich so nicht.

Ron bestellt Vongole all‘aglio e olio, dazu einen angeblich sehr guten Weißwein, und Pete verschwindet. Meine Pose habe ich diesmal ganz vorne auf der Kante meiner Sitzfläche gewählt, meine Beine verschlingen sich und ich bin gespannt auf das, was jetzt kommt. Ron seufzt trocken: „Angie, ich glaube nicht, dass ich meinen Investor von eurem Projekt überzeugen werde können.“ Der Wein wird serviert.

„Salute!“ Ron hebt sein Glas und streckt es mir entgegen. Wir stoßen an, ich erwidere, „Salute!” Was ist mit mir, in meinem Unterbauch verzehrt sich alles und Ron redet kühl über Business? Eben, alles im Lot Angie!

„Wie meinen Sie das, Ron?“, erkundige ich mich pflichtbewusst. „Angie, du weißt…“, er stockt, „wir können doch du sagen?“ „Ja, ich denke schon!“, da ist sie wieder meine Businesssprache. Ich wollte soeben mein Glas heben und meine trockene Kehle erfrischen. In der Sekunde steht Ron auf und kommt zu mir herüber. Also stehe ich auf, denn ich hasse es klein zu wirken.

„Ich will förmlich auf meine neue nette Bekanntschaft anstoßen!“, begehrt Ron. Wir stoßen an und dann sehe ich Rons Gesicht auf mich zukommen, er hält kurz vor meinem Gesicht inne – ich spüre seinen Atem – und er flüstert: „Ist ein Kuss erlaubt?“ Mein Unterleib verzehrt sich, dann bäumt sich etwas in mir wieder auf, ich vergesse fast zu atmen, da berühren sich unsere Lippen. Kurz, ganz kurz – viel zu kurz protestiert mein Becken. Mein Körper liegt in Wellen, so brausend, so hoch wie in einer starken Brandung von Felswänden beim Surfen, dann wird alles abrupt blockiert.

Eine Türe geht auf und zwei Kellner im Frack servieren synchron zwei Teller mit silbernen Hauben, die sie völlig zeitgleich abnehmen.

Mein Kopf meldet sich zurück, ob ich froh bin, dass das Essen kommt?

Ron erzählt, dass er aus gut betuchtem Hause komme, seine Wurzeln in England und Russland hat und für den größten Energiekonzern in Europa tätig sei. Als ob ich das nicht weiß: Er ist Lobbyist, Milliardär, berät I.O.N.-Global Comoditees just for fun und ist dafür bekannt, dass sich alles und jeder nach seinem Willen verhält.

„Angie, und wer bist du, und ich meine nicht deine Tätigkeit bei Sommers-Hall?“ Au, das ist ein Tiefschlag, was sage ich jetzt? Wo bleibt meine Redegewandtheit, meine Direktheit in einer Männerdomäne, in der ich bislang meine Frau echt gut stehe?

„Was willst du hören, gebunden – ungebunden?“, mehr fällt mir nicht ein, ich muss nachdenken…

„Angie“, er lächelt, „ich weiß, du bist verheiratet, hast zwei Kinder, ich glaube es sind Buben? Du lebst in München, dein Mann kommt aus England, du bewegst dich gerne, liebst Musik, tanzt Aerobic, du bist trainiert – das sehe ich jetzt vor mir. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“ Rons hellblaue Augen, ja sie sind doch blau, strahlen mich überlegen an und ich bin Schach matt. Da ist wieder seine Zunge, die Spitze wandert über seine Unterlippe und er kippt seinen Kopf, das sieht wahnsinnig scharf aus. Er weiß alles? Was soll das? „Mich würde interessieren, wie eine so gutaussehende Frau in deinem Alter, ich weiß du bist 40, in einer Branche wie dieser arbeitet und ein völlig anderes, ich würde mal sagen – normales – Leben führt. Du bist nicht nur sehr intelligent, du siehst auch verdammt gut – ich würde sagen: verführerisch aus. Ich bilde mir ein, das beurteilen zu können, immerhin habe ich knapp 22 Jahre mehr Lebenserfahrung.“ Stille im Raum, mein Herz rast. Rechnen muss ich später.

Er klärt hier Fronten, steckt mich in Schubladen, einen Moment mal! Ja, ich bin wieder Businessfrau, ich flüstere: „Dann belassen wir es doch bei: Ich bin eine aufregende und doch unbekannte Bekannte!“ Mein Blick trifft direkt in seine Augen und ich denke, er hat mich verstanden.

Die Vongole schmecken köstlich. „Es war ein sehr angenehmes und aufregendes Essen, Ron!“, verabschiede ich mich. „Es war mir ein Vergnügen“, Ron lächelt, nimmt meine Hände, hält sie nicht zu fest und stellt sich in knappen Abstand vor mich. Meine Unterleibsregionen werden wieder aktiv, ich werde erneut unsicher und blicke voller Sehnsucht in sein Gesicht. Shit, meine Haare, eine Strähne macht sich selbständig. Sie versperrt mir die Sicht. Ron, ganz Gentleman, erkennt meine missliche Lage und streift sie mir gekonnt hinter mein linkes Ohr. Seine Hand verbleibt zu meiner überraschenden Entzückung dort. Mein Hals spürt seine Hand ganz deutlich. Mit seinem Daumen streift er vom Ohr an meinem Kieferknochen entlang bis zu meinem Kinn. Meine Brust spannt. Sein Daumen stockt bei meinen Lippen und ruht kurz darauf. „Du bist sehr anziehend, weißt du das. Man nennt mich grey wolf, ich bekomme alles, hörst du, alles, was ich will, weißt du, was ich meine?“, die Stimme klingt noch tiefer. Mein Herz schlägt so schnell, dass ich zweifle, ob man das nicht an den Lippen spürt.

Ich weiß natürlich, was „grey wolf“ bedeutet und jeder hat mich vor diesem gefährlichen Ron gewarnt. Warum, er ist doch sehr amüsant?

„Ich bin noch nicht alt genug für solche Titel, aber ich arbeite daran“, necken meine Lippen ohne Absprache mit mir plötzlich und ich finde meinen Verstand wieder. Ich befreie mich aus der Lage mit eleganter Grazie und wir verlassen den Raum.

Es regnet in Strömen, Ron winkt mir ein Taxi herbei, ich steige ein, er hält die Tür in der Hand und verabschiedet sich mit: „Auf Wiedersehen, schöne Unbekannte.“ Das Taxi fährt los.

Wie in Trance, benommen von meiner Weiblichkeit, versuche ich zur Besinnung zu kommen.

Ich krame in meiner Tasche und finde mein iPhone. Andere Gedanken müssen jetzt her – schnell. Ich nutze die Fahrt und will mit meinen Kindern telefonieren. Es ist kurz nach zwei am Nachmittag, da sollten sie aus der Schule zurück sein.

Rebellische Leidenschaft

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