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Eingrenzungen

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Während sich andere Talschaften Vorarlbergs wie das Montafon, der Walgau oder die beiden Walsertäler unschwer eingrenzen lassen, decken sich die Gebiete, die die Geographie, die Geschichte oder die Sprachwissenschaft jeweils als »ihren« Bregenzerwald definieren, nicht.

Am nächsten liegend wäre es, ihn als das Einzugsgebiet der Bregenzerach zu bestimmen. Das gelingt aber nur annähernd, weil mehrere ihrer Zuflüsse – Rotach, Weißach, Leckenbach, Bolgenach, Rubach – im benachbarten Allgäu, also in Bayern, entspringen. Sogar die Quelle der Bregenzerach liegt im Gebiet der Gemeinde Lech, die weder historisch noch politisch jemals zum Bregenzerwald zählte.

Geologisch-topographisch erweist sich das Gebiet als höchst uneinheitlich. Wer es vom Rheintal zum Arlberg durchreist, gelangt von den sanften Molassehügeln im Nordwesten zu den schon schrofferen Kreidekalkerhebungen vor Au, passiert die bis zur Enge oberhalb von Schoppernau reichenden Flyschformationen, um schließlich das aus Triaskalken gebildete Hochgebirge zu erreichen.


Blick von Westen über den Pfänder oberhalb von Bregenz in den Bregenzerwald mit seinen unterschiedlichen geologischen Formationen, historische Luftaufnahme.


Der winterliche Hinterwald von der Alpe Baumgarten (Gemeinde Bezau) aus.

Deutlich kleiner als die heute landläufige Vorstellung vom Umfang des Bregenzerwalds ist der Befund der Historikerzunft. Sie beschränkt ihn auf den vom 14. bis ins beginnende 19. Jahrhundert bestehenden, mit bedeutenden Sonderrechten ausgestatteten Gerichtssprengel dieses Namens, der nicht etwa zu Bregenz, sondern zur Herrschaft Feldkirch gehörte. Er umfasste Egg, Schwarzenberg, Andelsbuch, Bezau, Bizau, Reuthe, Mellau, Au, Schnepfau sowie als Exklave Krumbach und Unterlangenegg. Selbstverständlich verwendeten die älteren Landesbeschreibungen den Begriff »Bregenzerwald« ausschließlich in diesem Sinn. Seine Entstehung verdankt dieser Sprengel einer im Jahr 1338 von den damaligen Landesherren, den Grafen von Montfort, vollzogenen Besitzteilung.

Dass die Urkunden und der Volksmund diesen Bezirk auch den »hinteren« Bregenzerwald – kurz: »Hinterwald« – nennen, lässt die Existenz eines entsprechenden Gegenstücks erwarten. Einen »Vorderwald« gab es allerdings nur inoffiziell. Man meinte damit das nördlich der Subersach gelegene Gebiet der Ortschaften Lingenau, Hittisau und Sibratsgfäll. Sie waren verwaltungsmäßig als »Gericht« Lingenau der Herrschaft Bregenz zugewiesen. Die gleichfalls bis ins frühe 19. Jahrhundert bestehenden »Gerichte« Alberschwende und Sulzberg (mit Doren und Riefensberg) wurden bis in die jüngere Vergangenheit überhaupt nicht zum Bregenzerwald gezählt. Die moderne Einteilung trägt dem Rechnung, indem für dieses Gebiet nicht das »Wälder« Bezirksgericht Bezau zuständig ist, sondern jenes in Bregenz.


Die historischen Verwaltungssprengel Vorarlbergs. Karte von 1783.


Der heutige Bregenzerwald und seine Gemeinden:


An der Grenze zum Rheintal: das Bödele (Gemeinde Schwarzenberg) oberhalb von Dornbirn, 1953.

Auch sprachlich lassen sich Vorder- und Hinterwälder leicht unterscheiden: Im vorderen Bregenzerwald ist der Allgäuer Einfluss sehr deutlich. Charakteristische Merkmale sind etwa die sogenannte »Entrundung« des Vokals »ü« zu einem »i« (also etwa »Hiisr« statt »Hüüsr« für »Häuser«, »Lit« statt »Lüt« für Leute) sowie auch von »ö« zu »e« (»Kepf« statt »Köpf« für »Köpfe«). Typisch für den Vorderwald ist es außerdem, Wörter wie »breit«, »heiser« oder »Laib« mit einem »oi«-Laut auszusprechen. Als »allgäuischste« Gemeinde der Region gilt Riefensberg. Die Hinterwälder Dialekte erkennt man unter anderem am offenen »o« in »broot« (»breit«) oder »Sool« (»Seil«), an der Diphthongierung von »a« beispielsweise in »Aubet« (»Abend«), »Haur« (»Haar«), »Schauf« (»Schaf«), »Saulz« (»Salz«) oder an der Entwicklung von »e« zu »i« in »Hinne« (»Henne«), »winda« (»wenden«).

Das alte historische Korsett hat der Bregenzerwald längst gesprengt, den Sulzberg ebenso vereinnahmt wie die Siedlungen Damüls und Warth, deren Bewohner, wie es heißt, im Spätmittelalter als »Walser« aus dem Schweizer Wallis zugewandert seien. Zuletzt expandierte er sogar bis an den Rand des Rheintals, indem sich die Gemeinden Buch und Langen bei Bregenz der 1970 ins Leben gerufenen Regionalplanungsgemeinschaft (kurz: Regio) Bregenzerwald anschlossen. Dass der Bregenzerwald damit die einzige »wachsende« Talschaft Vorarlbergs ist, mag für die Attraktivität des »Wäldertums« stehen.

Dem nach außen zur Schau gestellten Selbstverständnis – man kann durchaus von einer »Talschaftsideologie« sprechen – steht im Innern ein gleichermaßen kräftig entwickelter Partikularismus gegenüber. Dass etwa Großdorf – als Fraktion der Gemeinde Egg – eine eigene Freiwillige Feuerwehr, einen eigenen Kameradschaftsbund sowie eine eigene Viehzuchtgenossenschaft besitzt, ist einer von vielen augenfälligen Belegen für die Fähigkeit der »Wälder«, diese beiden Positionen miteinander zu verbinden.


Egg und Großdorf, Flugaufnahme 1983.

Wäldar ka nüd jedar sin!

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