Читать книгу Die Hegerkinder im Gamsgebirge - Alois Theodor Sonnleitner - Страница 9

Unterwegs.

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Es dauerte noch eine volle Woche, ehe der Student mit dem Franzel angerückt kam; als dritter war Sepperl dabei. Der hatte es wohl am besten getroffen: Er war auf dem Wege zum Losenheimer Gschaider-Onkel. Wie gern wären auch die andern Hegerkinder ins Gamsgebirg gegangen!

An einem Montag war’s, früh nachmittags, als die Dampftramway19 die drei von Wien brachte. Mit pustendem Lokomotivchen fuhr das kurze Züglein unter warnendem Glockengebimmel von Rodaun herüber zwischen Weingärten und Wiesen und stand in Perchtoldsdorf unterhalb der spitztürmigen Spitalskirche stille. Allen anderen Fahrgästen voran stiegen Franzel und Sepperl mit ihren prallen Rucksäcken von der Plattform des ersten Waggons, bedächtig folgte der Student.

Hörbar schlugen die schwer mit Scheanggen20 benagelten Schuhe der Brüder aufs Pflaster. Der Moasen-Thomerl hatte sie mit Schuhwerk ausgestattet, als sollten sie beide im Gefels des Schneeberges herumklettern. Auch die gamsledernen Hosen, die sie vom Vater geerbt hatten, hatte er ihnen zurechtgeschneidert. Regerl und Liesel hatten die von Schaben verursachten Schäden in den Wadenstrümpfen und die Ellbogenlöcher der Lodenjanker sauber geflickt, auch die Schweissflecke mit Benzin aus den Lodenhüten und von den Rockkrägen geputzt. Der mächtige Gamsbart, den der Wilderer getragen hatte, war in zwei Büschel geteilt worden; und so trug jeder der kleinen Gebirgler seine Kopfzier. Die Leute sahen sich nach ihnen um, aber die Brüder merkten es nicht. Sie hatten den übermächtigen, vierschrötigen Turm erspäht, der von der Höhe der Strasse niedergrüsste; dem strebten sie zu. Der Student aber rief sie zurück. Mit den Denkwürdigkeiten des Ortes vertraut, wollte er die Gelegenheit nützen, seinen Lehreifer zu betätigen: „Durch einen Ort, wo die Häuser und Gemäuer aus alter Zeit in die neue hineinragen, stürmt man nicht so gedankenlos dahin. Macht die Augen auf. — Jetzt sind wir alle drei beisammen und haben noch Zeit, uns etwas anzuschauen.

Es ist viel zu früh, zum Herrn Professor Hyrtl zu gehen. Er wird seine Ruhe brauchen nach dem Essen, ist ja ein alter Herr!“ — Die Knaben standen still. Die Fenster der ebenerdigen Wagnerwerkstatt an der Ecke der Wienergasse waren offen. Da drückten die Brüder ihre Gesichter zwischen die schmiedeeisernen Gitter: „Jöi!“ rief Sepperl, „da schau, Franzel, wie der Wagner die Felgen auf die Speichen antreibt!“ — „Ja, wie denn anders?“ gab Franzel zurück, der mit einem Blick das Werden des Rades erfasst hatte. — „Die Radnabe steckt auf dem Zapfen vom G’stell, die Speichen in den Löchern der Nabe, da braucht er nur die Felgen rundherum daran zu schlagen.“ — Der Student sprach drein: „Schaut euch aber auch die Decke der Werkstatt an! Ein Kreuzgewölbe! Das ist fester als die flachen Zimmerdecken, wie sie heutzutag gemacht werden; die brennen bei jedem Hausbrand durch. Über dem Gewölbe dieses uralten Hauses mag das Obergeschoss und der Dachstuhl wohl oft abgebrannt sein, wenn die Türken oder die Ungarn den Ort verwüsteten, das Gewölbe konnte nicht durchbrennen.“

Als die Brüder die altertümlich anmutende Werkstatt mit ihren angefangenen Karren und Rädern, dem Werkzeug und Werkholz genugsam gemustert hatten, wendeten sie sich dem gegenüberstehenden Spitalskirchlein zu. Sepperl zeigte hinüber. — „Akkurat wie die Karthausen im Gaminger Schloss!“21 — „Ja, dieselben hohen, spitzen Fenster, dasselbe schlanke, steinerne Türmerl.“

„Es dürft’ wohl kein Zufall sein. Das gotische Spitalskirchlein ist vielleicht von demselben Baumeister gebaut wie die Klosterkirche in Gaming. Von den Gaminger Mönchen hat die Herzogin Beatrix22, die Witwe des Herzogs Albrecht III. von Österreich, drei Häuser in der Knappenstrasse23 ertauscht. Sie hat auf dem erworbenen Grund das Spital für alte Leute und auch die Kirche erbauen lassen24. Die Seitengasse da rechts trägt zum Andenken an die grosse Wohltäterin des Ortes den Namen Beatrix-Gasse. Aber nicht nur der Name, auch der Wille der edlen Frau hat ihr leibliches Leben überdauert.

Gutherzige Perchtoldsdorfer und Wiener Bürger und Bürgerinnen wollten hinter dem Beispiel der Frau Beatrix nicht zurückstehen. Sie haben dem Spital soviel Gründe testamentarisch vermacht, dass aus dem Ertrag derselben die armen Greise und Greisinnen gut verpflegt werden konnten. So hat hier die Vorsorge für die nicht mehr Arbeitsfähigen angefangen. Noch heute wird das Greisenheim im Perchtoldsdorfer Spital aus dem Ertrag seiner Güter erhalten, die zum Teil verpachtet, zum Teil verkauft sind; der Kaufschilling ist auf Zinsen angelegt. Das Spital hat seit 500 Jahren seine verbrieften Rechte behalten, als wäre es eine Person.

Die Perchtoldsdorfer Greise brauchen nicht betteln zu gehen. Ein jeder hat vom Spital sein Einkommen, seine Pfründe.“ — „Aha,“ unterbrach Franzel, „daher kommt das Wort Pfründner.“ — „Wie war’s in Kriegszeiten?“ fragte Sepperl. — „In Kriegszeiten mögen auch die alten Pfründnerinnen und Pfründner von Perchtoldsdorf Not gelitten haben.“

Im Jahre 1529 sind die Türken gerade hier durch die Knappenstrasse in den Ort eingedrungen und haben ihn eingeäschert. Aber oben in die Burg beim grossen Turm konnten sie nicht hinein. Dort waren die Perchtoldsdorfer und Brunner hinter Graben und Mauer vor den Feinden sicher.

Etwa hundert Jahre später, nämlich im Dreissigjährigen Kriege (das war in der Zeit von 1618 bis 1648), hatte der Ort nicht nur von den protestantischen Ungarn, Tschechen und Sachsen zu leiden, die zum schwedischen König Gustav Adolf hielten, sondern auch von den katholischen Truppen des Fürstenbundes, der gegen die Protestanten kämpfte. Bald musste Perchtoldsdorf an die Evangelischen Korn und Wein, Rinder und Pferde liefern, bald musste es die Einquartierung der katholischen Soldaten ertragen, bald hatte es räuberische Horden abzuwehren25.

Über die einquartierten Soldaten der kaiserlichen Truppen heisst es in der Chronik des Marktes: „Waren die Soldaten nüchtern, so misshandelten sie die Einwohner, damit sie Wein bekamen, waren sie betrunken, so misshandelten sie dieselben, weil sie Wein getrunken hatten.“

Die Gemeinde wehrte sich gegen derlei Schutz und setzte es beim Kaiser durch, dass die Soldaten abberufen wurden. Damals war Perchtoldsdorf halb lutherisch, halb katholisch und zwischen den Verschiedengläubigen gab es viele Streitigkeiten.

Aber als die Kriegshorden das Land umher verwüsteten, dass die Bewohner vieler Orte vor ihnen flohen, ohne sich zur Wehr zu setzen, gelang es dem Bürgermeister Leeb, die verschiedengläubigen Bürger von Perchtoldsdorf zu gemeinsamer Abwehr der Feinde zu einigen; sie beschlossen feierlich, den Heimatsort nicht als Flüchtlinge zu verlassen, sondern seine Befestigungen zu verstärken und sich einträchtig ihres Lebens zu wehren.

Als im Dezember 1619 ein ungarischer Trupp26 unter Paul Eszterházys Führung den Markt belagerte, machten die geeinigten Perchtoldsdorfer einen Ausfall aus der Festung und jagten die Feinde davon.

Schlimmer erging es ihren Nachfahren bei der zweiten Belagerung durch die Türken 1683. Damals wurde der ganze Ort eingeäschert und die meisten Einwohner kamen ums Leben. — Die wenigen Überlebenden haben die Toten begraben, haben sich in den Ruinen ihr Heim zur Not wieder hergestellt und die Arbeit in Feldern und Weingärten wieder aufgenommen. Aber viele Brandstätten waren herrenlos geworden, viele Äcker lagen brach. — Da kamen aus Steiermark neue Ansiedler ins Land. In wenig Jahren war der Ort neuerdings besiedelt. Die Hausruinen waren wieder unter Dach, jedes Feld, jede Wiese, jeder Weingarten wurde betreut. — Und wieder hatten Leute, die unterdessen alt geworden waren und nicht mehr arbeiten konnten, ihre Pfründen im Spital.

So hat das Recht die Zeit der Verwüstung überdauert. Kam es aber vor, dass ein Unredlicher von einem Spitalsgut Nutzen ziehen wollte, fanden sich Männer der Gemeindeverwaltung, die das Recht der alten Leute zur Geltung brachten: „Hand weg von den Pfründen der Greise! —“

Im Gespräch waren die drei am Knappenhof27 vorbeigekommen, auch an Grillparzers ehemaligem Wohnhaus28, ohne dass der Student die Gelegenheit wahrgenommen hätte, ihnen davon zu erzählen.

Jetzt standen sie vor dem grossen Turm, von dem sich ein Rest der ehemaligen Festungsmauer hinter einem Zaune nach rechts zur ehemaligen Schule29 hinüberzog.

Die Knaben sahen zwischen den Latten des Zaunes nach der Mauer hin. Da entdeckte Franzel oberhalb eines Ahornschösslings eine Steinkugel, die zur Hälfte in der alten Mauer stak. — „Jöi, da steckt noch a türkische Kanonkugel in der Mauer,“ rief er, froh seiner Entdeckung. — „Eine Mörserkugel ist’s, aber ob von den Türken oder von den Ungarn oder gar von den Wienern hergeschossen, vermag niemand mehr zu sagen,“ meinte der Student. Er zeigte auf den mächtigen Turm, der hoch oben unter den Schall-Luken eine Aussichtsgalerie trägt. „Der ist ursprünglich als Luginsland gebaut worden, damit man das Herannahen der Feinde schon von weitem erspähen könnte. Er hat auch als Verteidigungsturm gedient. Auch dieser Turm stammt so wie die Spitalskirche (nämlich das Beatrix-Kirchlein) aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Der könnt’ viel erzählen. Der ist schon gestanden, als zu Ende des 15. Jahrhunderts die Perchtoldsdorfer Burg ober der Kirche von den Wienern zerschossen wurde.“ „Von den Wienern?“ fragte Sepperl verwundert. — „Ja, die Burg oberhalb der Kirche war damals im Besitz des Ritters Pösing, der sich gegen den Kaiser aufgelehnt hatte. Da ist sie von den Wienern hartnäckig bombardiert worden; seitdem ist sie Ruine geblieben.“

Von der Marktseite aus machte der Student die Knaben auf die Sonnenuhr aufmerksam, deren schräg von oben wegstehender Eisenstab seinen Schatten gerade auf die Ziffer Zwei des Stundenbogens warf. Und das stimmte mit dem, was die Turmuhr sagte.

Sepperl, der sich nicht damit begnügte, gerade nur dort hinzuschauen, wohin der Student zeigte, hatte sich einige Schritte entfernt und strebte der Dreifaltigkeitssäule zu. Der Führer rief ihn zurück. „Die schau’n wir uns später an.“ Er führte die Knaben einige Schritte bergan und zeigte ihnen die Eingangstür der „unterirdischen Kirche“. „Die hat schon im Jahre 121630 bestanden und über ihr ist erst im 14. Jahrhundert der vordere, im 15. Jahrhundert der hintere Teil der grossen Pfarrkirche erbaut worden. Aber so tief in dem Erdboden ist die alte Kirche nicht gesteckt wie heute; ihr seht ja, dass ihre Fenster zum Teil verschüttet sind. Das, was jetzt als Hügel vor der Kirche lagert, ist grösstenteils Schutt von eingerissenen Festungsmauern und Türmen, innerhalb derer die Leute ihre Zuflucht hatten. Auch der Karner31 (die heutige Martinikapelle am ältesten Teil der Burg) steht über einer verschütteten gotischen Kapelle, die jetzt als Weinkeller dient. Der rückwärtige Teil des Mauergürtels hinter der Kirche ist noch erhalten. — Kommt, gehen wir um die Kirche herum. Ihr seht, dass diese hohe Mauer vom ehemaligen Schulhaus am Turm hinter der Kirche herum bis zur Burgruine reicht. Denkt euch die vordere, nämlich die weggeräumte Mauer dazu, so habt ihr den Burghof. In diesem wie in den Türmen und in der Kirche hat die Landbevölkerung mehrerer Orte ihre Zuflucht gehabt. Und für solchen Schutz waren die kleineren Landgemeinden den Perchtoldsdorfern robotpflichtig.

Im Jahre 1683 ist es dem türkischen Kommandanten gelungen, die Belagerten unter Zusicherung freien Abzuges aus der Burg zu locken. Dann aber hat er die Entwaffneten niedermetzeln lassen.“ — „Da sind also die Türken nicht bloss grausame Kerle, sie sind auch falsch!“ meinte Franzel entrüstet. — „Wie voreilig du mit deinem Urteil bist, lieber Franzel! Weil ein einzelner Türke vor vielen Jahren sich wortbrüchig gezeigt hat, urteilst du gleich, das ganze Volk wäre falsch! Ich hab’ auf der Wiener Universität türkische Studiengefährten gehabt, die waren an Ehrenhaftigkeit manchem Christen über. Und ich kenne Wiener Geschäftsleute, die auf dem Balkan mit den Türken, Griechen, Bulgaren und Serben Handel treiben. Die haben mir oft und oft Beispiele erzählt von türkischer Ehrlichkeit und Treue.

Es passt gar nimmer in unsere Zeit, jetzt noch einem Volke etwas nachzutragen, was die Vorfahren dieses Volkes in früherer Zeit an Unrecht begangen haben. Der ganze Hass wegen der Feindschaften zwischen Menschen, die längst verstorben sind, ist ein Unsinn. Haben nicht die Schweden im Dreissigjährigen Krieg in Deutschland und in Österreich wehrlose Bauern gebrandschatzt und gemartert? Und heute ist das schwedische Volk den Deutschend und Österreichern freund.“ Sepperl berührte den Ärmel des Studenten: „Bitt, schauen wir uns jetzt die Dreifaltigkeitssäule an!“ Als sie davor standen, sprach der Student: „Wer etwas von der Kunst versteht, der erkennt auf den ersten Blick, dass diese Dreifaltigkeitssäule nicht so alt ist, wie die gotische Kirche und der Turm. Sie stammt aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Der wunderliche Faltenwurf der Kleider an den Heiligenstatuen und das viele Schnörkelwerk kennzeichnet den damals üblichen Barockstil.

Dass es eine Pestsäule ist, erkennt man an dem Reliefbild, welches dem Marktplatz zugewendet ist. Als im Jahre 1713 die furchtbare Pest in Wien zu wüten aufhörte, hat Kaiser Karl VI. in Wien die Karlskirche errichten lassen (auch sie ist barock).

Perchtoldsdorf war aber von der Pest beinahe verschont geblieben. Von 1800 Einwohnern waren nur sechs als Opfer der Seuche gestorben. Hieher hatten sich auch viele Wiener geflüchtet. Aus Dankbarkeit haben Perchtoldsdorfer und Wiener dieses Denkmal errichtet. — Betrachtet euch das Steinbild genauer: Im Vordergrunde seht ihr eine Sterbende, die von einem Manne betreut wird. Und der hält sich die Hand vor den Mund, um sich des ansteckenden Anhauches zu erwehren. Und ringsherum Leichen. Über den Häusern schwebt aber ein Engel, der das Racheschwert an Gott zurückgibt.“

Der Student stieg mit den Kindern die Stufen zum Portal der Pfarrkirche hinan; sie fanden die Türe offen. So leise, als es die eisenbeschlagenen Schuhe zuliessen, gingen sie bis zum Mittelgang vor. An einem der buntverglasten, spitzbogigen Fenster32 unweit des Einganges blieben ihre Augen haften: Da war die Niedermetzlung der Perchtoldsdorfer Bevölkerung in farbigen Gläsern dargestellt. Es war ein redendes Bild von ergreifender Wirkung.

„Seht euch die verschnörkelten, goldüberladenen Altäre hier neben der Kirchentür und gegenüber an! Barockaltäre in einer gotischen Kirche! Die stammen aus der Wallfahrtskirche St. Leonhardi, des Viehpatrons, die bis zum Jahre 1787 oberhalb der Burgruine auf dem Berg gestanden ist. Dort hatten die Bauern aus der Umgebung Opfer dargebracht, damit ihr krankes Vieh genese33. Kaiser Josef II. hat diesem Brauch ein Ende gemacht.“

Der Student sah auf seine Taschenuhr. „Jetzt wird es Zeit, dass wir den Herrn Hyrtl aufsuchen.“

Aus der kühlen und dämmerigen Kirche traten die drei in die blendende Sonnenhelle des Marktplatzes. An der Martinikapelle vorbei gelangten sie in das Kirchengässlein34. Links das Wohnhaus Hyrtls35, rechts sein Laboratorium36 im Gemäuer der Burgruine.

Sie fanden ihn weder da noch dort. Die gute Frau des Gelehrten litt nicht, dass sie sich weiter mit den Rucksäcken abschleppten. Die sollten sie dalassen und bald zur Jause wiederkommen. „Mein Mann dürfte im Schiessgraben sein,“ sagte sie.

Sie stiegen durch das Kirchengässchen empor und standen ausserhalb des Marktes, vor sich das Föhrenbergel37, rechts die Burgmauer. Links ging es zum Schiessgraben. Da, unweit des steinernen Brückleins sahen sie einen alten Mann in langem, schmutzigem Leinwandkittel, einen grünseidenen Augenschirm auf der Stirne. Der war damit beschäftigt, aus einer Scheibtruhe den Mist auf den Komposthaufen zu schichten, der sich am Rande des Grabens erhob. Der Student trat heran und zog den Hut. „Herr Professor, verzeihen Sie die Störung!“ Da richtete sich der alte Herr auf. „Ah! Sie sind’s, mein lieber Dressler! — Wie steht’s? — Schon promoviert?“ — „Noch nicht, Herr Professor, ich trete erst im nächsten Sommersemester zu den Rigorosen an. Aber die Staatsprüfungen als Mittelschullehrer hab’ ich hinter mir, im Herbst mach’ ich schon Dienst als Probekandidat am Mariahilfer Gymnasium!“ — „Da gratulier’ ich! und was gibt’s sonst Neues?“ — „Den Gschaider-Franz bring’ ich, weil’s Herr Professor erlaubt haben.“ — „Das sind ja zwei Buben!“ wunderte sich Hyrtl. — „Der da ist der Franzel, der andre sein Bruder Sepperl; den führ’ ich weiter zu seinem Onkel nach Losenheim.“ — „Recht so, ich schick’ gleich um die Christel, die macht schon das Weitere. Und jetzt kommt mit zur Jause!“

Damit führte er seine drei Gäste durch ein Mauertürl ins Gartenhaus und ging nach vorne. Hier warteten sie und die Knaben sahen den Studenten verwundert an. Das sollte der reiche Hyrtl sein? — „Da staunt ihr? Der Mann, den alle Universitäten der Welt ehren, der vielfache Millionär, der sich’s leisten könnt’, in einem Schloss zu wohnen und sich von Lakaien bedienen zu lassen, wohnt in einem einfachen Haus und arbeitet selber am Komposthaufen. Seine stille Freud’ ist sein Garten. Und die Blumen brauchen Dung. Da sammelt er die Kuhfladen auf der Heide und bringt sie auf den Kompost. Wer ihn nicht kennt und ihm begegnet, möcht’ ihm ein paar Kreuzer schenken. — Weil er für sich wenig braucht, hat er viel übrig für andre. Und wenn er auch im Leinwandkittel dahergeht, er bleibt, wer er ist. Seine marmorne Büste steht in den Arkaden der Wiener Universität — in der Ruhmeshalle der Wissenschaft.“

Kaum hatte Dressler ausgesprochen, als schon der alte Herr wieder da war, hinter ihm die Magd mit der Jause: Kaffee und Butterbrot. „Ich lass’ euch allein, es schmeckt euch vielleicht so besser.“ — Damit kehrte der alte Herr zu seinem Komposthaufen zurück.

Als die drei ihre Jause beendet hatten, verhielten sie sich ruhig, keiner sprach ein Wort. Da trat aus dem Hause ein blondes, schlankes Mädchen. Ihre hellblauen Augen lachten die Gäste an. „Grüss Gott alle miteinander! Ich bin die Christel. Und wo ist der Franzel, der Schlankel, dass ich ihn hinweis’ zum Hafner? Der soll ihm einstweilen Unterstand geben.“ Zutraulich ging der Bub der Fürsorgerin zu, die ihn seinem neuen Heim entgegenführte. Hand in Hand ging sie mit ihm voran; der Student und Sepperl folgten.

Die Hegerkinder im Gamsgebirge

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