Читать книгу Truth about Lies - Aly Martinez - Страница 12
7 Penn
ОглавлениеGenau wie ich vermutet hatte, war in dieser Nacht keine Ruhe zu finden. Obwohl ich oft genug gehört hatte, dass zum Schlafen lediglich eine ebene Oberfläche erforderlich sei, aber auch eine Unterlage, die einen nicht zum Würgen brachte, was jedes Mal passierte, wenn ich nur an Hugos ekelhafte Matratze dachte. Weder Laken, Decken noch Schutzüberzug konnten mich vom Gegenteil überzeugen. Nachdem ich also stundenlang geputzt, gefegt und gewischt hatte, lehnte ich die Matratze an die Wand, holte den Schlafsack, der unter dem Sitz meines Lastwagens lag, zog eine Jogginghose an, schaltete das Licht aus und stellte mich darauf ein, intensiv an die Decke zu starren. Es war Mitternacht, und ich hatte ganze fünf Minuten durchgehalten, ohne den Verstand zu verlieren, als Drew an meine Tür klopfte.
"Hey, Penn? Bist du noch wach?"
Ich stützte mich auf meinen Ellbogen. "Ja."
Die Tür schwang auf, Licht schien um seine dunkle Silhouette herum. Mit der Schulter an den Türpfosten gelehnt, verschränkte er die Arme vor seiner Brust. "Glaubst du, dass es hier irgendwo Ganzkörperkondome gibt?"
Blinzelnd hielt ich eine Hand hoch, um das blendende Licht zu blockieren. "In diesem Viertel? Gut möglich."
Er lachte. "Diese Couch ist ein Albtraum. Ich schwöre, dass sich etwas Totes darin befindet. Ich schaue mal, ob ich einen Laden finde, der jetzt noch offen hat und Luftmatratzen verkauft. Wir sollten vielleicht anfangen, über den Kauf neuer Sachen nachzudenken."
"Werden wir lange genug hier sein, damit sich eine neue Einrichtung überhaupt lohnt?"
Er zuckte die Achseln. "Vielleicht sollten wir mit der Anstellung eines Innenarchitekten und dem Ausbau eines maßgeschneiderten zweiten Schlafzimmers noch etwas warten, aber ein Futon, der nicht von Spermaflecken eines anderen Mannes getränkt ist, und ein Fernseher, der funktioniert, scheinen nicht zu viel verlangt zu sein."
Ich schüttelte den Kopf und grinste mit dem Kopf zum Boden geneigt. "Du warst schon immer eine Diva."
"Das wusstest du. Warte bis morgen früh, wenn ich anfange, Kaffee zu verlangen, der nicht nach Asphalt schmeckt."
Drew war verrückt, aber ich hatte ihn in den letzten Jahren so verdammt vermisst. Ihn während einer so traumatischen Zeit in meinem Leben zu verlieren, hatte meine Wut und Einsamkeit umso verheerender gemacht. Er ging mir ohne Ende auf die Nerven, aber er war auch der Einzige, der mir das Gefühl gab, ein Mensch zu sein.
Nach Lisa gab es nicht mehr viele Menschen in meinem Leben. Meine Eltern waren kurz nach meinem College-Abschluss gestorben, und die wenigen Freunde, die ich besaß und die mich nicht an sie erinnerten, hatten sich klugerweise aus dem Staub gemacht, als ich mich in einen elenden Bastard verwandelte. Es hatte viele dunkle Tage für mich gegeben.
Dunkle Wochen.
Dunkle Monate.
Dunkle Jahre.
Aber Drew? Er verurteilte mich nicht, als ich komplett dichtmachte. Er hatte auch nicht versucht, mich zum Weitermachen zu zwingen, als ich durch all die Wut in mir kaum atmen konnte. Er verstand meinen Schmerz auf eine Weise, wie ihn kein anderer verstehen konnte. Und ich liebte ihn über alle Maßen, allein schon deshalb.
"Besteht die Möglichkeit, dass ich die Schlüssel für meinen Truck bekomme?", fragte er. "Mir ist nicht danach, heute Abend überfallen zu werden."
"Dein Truck?"
"Uhhhh, hast du ihn mir nicht verkauft? Denn ich erinnere mich genau, dass ich dir einen Dollar gegeben habe und du mir einen Kaufvertrag unterschrieben hast.“
"Du Idiot, er gehört noch immer mir. Wir haben ihn nur auf deinen Namen eingetragen, denn wenn mir etwas passiert wäre, hättest du dir keinen neuen kaufen können.“
Er kniff ein Auge zusammen und sagte mit einem Grinsen: "Schau, ich habe durchaus verstanden, was du sagen möchtest, aber ich bin mir ziemlich sicher, egal wie du es drehst und wendest, der Truck gehört mir.“
Ich rollte mit den Augen, holte die Schlüssel aus meiner Tasche und warf sie ihm zu. "Wie auch immer. Sei vorsichtig mit imr. Wenn du ihn kaputtmachst, kaufst du ihn. Diesmal aber wirklich."
Er fing den Schlüssel mit einer Hand, ein böses Lächeln umspielte seinen Mund. "Ich werde einen Fünfundzwanzig-Dollar-Schuldschein vorbereiten."
Seine Schritte verschwanden den Flur hinunter, und dann, mit dem Zuschlagen der Haustür, war ich allein und wieder in meinem eigenen Kopf gefangen. Es war ein schrecklicher Ort. Ein Ort voller Blut und Verzweiflung, aufgebaut auf einem Fundament aus Hilflosigkeit und Versagen. Dort habe ich in den letzten vier Jahren jede Nacht verbracht. Es war der Ort, von dem ich so verzweifelt zu entkommen hoffte.
"Bitte!"
Rein. Raus.
Irgendwann musste ich eingenickt sein, mein Körper übermannte schließlich meinen Verstand, denn als ich mich umdrehte, zeigte die Uhr drei an, und ich hatte Drew noch nicht nach Hause kommen hören. Offensichtlich hatte er sich auf die Suche nach mehr als nur einer Luftmatratze gemacht. Zum Beispiel einem warmen Bett, das als Bonus eine nackte Frau enthielt.
Ich konnte es ihm nicht verdenken. Mein Leben war so voller Frauen gewesen wie seines. Seit ich Lisa verloren hatte, hatte es jedoch nur ein paar betrunkene Nächte gegeben, in denen ich mich mit einer Frau in meinem Bett wiederfand. Meistens waren es bedeutungslose, von dem Trieb diktierte One-Night-Stands. Aber ich war kein Heiliger. Sie waren passiert. Und ich verstand, warum Drew auf der Suche danach war. Wenn man so von Hass und Schmerz verzehrt wurde, fühlte sich selbst eine einzige Sekunde der Ablenkung wie eine monumentale Gnadenfrist an.
Und, Gott, im Moment brauchte ich eine Atempause von dem Chaos in meinem Kopf.
Die Erinnerung an Coras Hintern blitzte in meinen Gedanken auf.
"Scheiße", murmelte ich und schrubbte mit meinen Händen übers Gesicht, als ob ich so die Gedanken auslöschen könnte.
Ich gab den Versuch zu schlafen auf und erhob mich, obwohl mein Rücken protestierte. Mit siebenunddreißig Jahren war mein Körper nicht annähernd so nachsichtig, wie er einmal gewesen war. Ich aß gesund, trainierte, machte all den Scheiß, der angeblich meine Reise auf diesem wunderbaren Planeten verlängern würde. Was für ein Quatsch. Geistig und emotional fühlte ich mich, als wäre ich mindestens zweihundert Jahre alt und tot.
Ich zog mir ein Hemd an und ging durch den Flur in die Küche. Hugos Mist war immer noch überall. Offensichtlich hatte Drew die Mr. Clean-Routine nicht so durchgezogen, wie ich es im Schlafzimmer getan hatte. Ich wühlte auf der Suche nach meinem Proteinpulver in der Tüte mit den Lebensmitteln, die wir mitgebracht hatten, als ich Schritte auf der Treppe hörte. Ich erstarrte und versuchte herauszufinden, ob sie kamen oder gingen, dann klopfte jemand an die Tür.
"Hey, hey, hey! Aufmachen!", rief eine Frauenstimme. Die Panik in ihrem Tonfall versetzte auch mich in Panik.
Ich ließ die Tüte fallen, eilte zur Tür und riss sie auf.
Das junge Mädchen, das Cora als "Sieh sie nicht einmal an" am Vortag vorgestellt hatte, schob sich an mir vorbei und sagte: "Bolzenschneider."
"Was?", fragte ich.
Sie trug einen Schlafanzug, ihr dunkles Haar war zu einem unordentlichen Knoten auf dem Kopf zusammengefasst. Ich wusste, dass sie jung war, als ich sie kennenlernte, sogar jünger als das Mädchen, das wir in der Dusche entdeckt hatten. Aber mit den vor Schreck geweiteten Augen und der Angst in ihrem blassen Gesicht sah sie aus wie ein Baby, als sie sich im Kreis drehte und meine Wohnung absuchte.
Als sie meine Werkzeugkiste auf der Theke sah, rannte sie rüber, klappte den Deckel auf und begann dann, wie wild darin herumzuwühlen. "Ich brauche einen Bolzenschneider."
"Wofür?"
Bevor sie die Chance hatte zu antworten, schrie Cora aus der Ferne. "River, beeil dich!" Die greifbare Angst in ihrer Stimme hallte von den Wänden und durchschnitt mich von allen Seiten.
"Ich versuche es!", antwortete River, ihre Stimme brach, als sie bei ihrer rasenden Suche Werkzeuge aufhob und fallen ließ.
"Was zum Teufel geht hier vor?", fragte ich sie.
"Ich weiß es nicht. Aber sie wird sterben, wenn wir diese verdammte Tür nicht aufkriegen."
Ein Adrenalinschub ließ mich einen Schritt zurücktreten. "Wer?"
Mit Tränen in den Augen hielt sie inne und starrte mich an. "Spielt das eine Rolle?"
Nein. Tat es nicht. Nicht einmal ein bisschen. Und endlich verwandelte sich meine Verwirrung in Tatendrang.
"Beweg dich!", befahl ich und griff um sie herum. Das Beste, was ich hatte, war ein Kabelschneider, aber das würde reichen müssen. Nachdem ich ihn mir geschnappt hatte, machte ich mich auf den Weg.
"Erster Stock!", schrie sie und rannte hinter mir her. Ich hörte sie wegen des donnernden Pulsschlags in meinen Ohren kaum.
Mit der allzu vertrauten Säure im Bauch, die mich vorwärtstrieb, machte ich drei Schritte auf einmal und stürzte zum Treppenabsatz. Dann weiter zum nächsten. In der Minute, in der ich den ersten Stock erreichte, sah ich Cora vor einer der Wohnungen stehen. Sie trug immer noch dieselbe Jeans und dasselbe Tank-Top, das sie zuvor getragen hatte, Ihr Gesicht hatte sie in eine zwei Zoll große Öffnung geschoben, eine Kette oben an der Tür verhinderte, dass sie ganz eintreten konnte.
"Oh Gott, Angela. Bitte halte durch! Ich komme, Liebling. Ich bin gleich da."
"Aus dem Weg", rumpelte ich.
Ihr Rücken kollidierte mit meiner Brust, als ich mich über sie beugte und mich an der Kette zu schaffen machte. Das verdammte Ding rührte sich nicht.
"Beeilung!", rief sie und quetschte sich unter mir hervor.
"Ich versuche es, verdammt noch mal", knurrte ich wütend, als sei meine Unfähigkeit ihre Schuld.
Mit meinem Oberschenkel lehnte ich mein Gewicht gegen die Tür, um die Kette straff zu halten, und hob den Kabelschneider mit beiden Händen für eine zusätzliche Hebelwirkung nach oben. Meine Arme zitterten und meine Muskeln schrien. Ich gab alles, was ich hatte. Gerade als ich dachte, das Werkzeug würde vor der verdammten Kette reißen, flog die Tür auf und ließ mich hineinstolpern.
Aber ich stolperte nicht einfach in die Wohnung.
Ich stolperte durch die Zeit.
Vier Jahre, drei Monate, zwei Wochen und vier Tage, um genau zu sein.
Auf dem Boden, bedeckt von einem beschissenen, grauen Teppich, lag eine Frau mit dem Gesicht nach unten, um sie herum hatten sich Pfützen von Blut gebildet.
Ihre Haut war blass.
Ihr Haar war braun.
Und ich konnte mich verdammt noch mal nicht bewegen.
Schmerz, Erinnerungen, Vergangenheit und Gegenwart, Agonie und Bedauern regneten auf mich herab wie eine Million rostiger Rasierklingen, die meine innere Taubheit durchschnitten.
Wie in Zeitlupe raste Cora an mir vorbei und fiel an der Seite der Frau auf die Knie.
Ich hatte viele Jahre damit verbracht zu versuchen, die Geschehnisse der Nacht zu ändern, in der ich Lisa verloren hatte. Ich spielte das Was-wäre-wenn-Spiel so oft und so intensiv, dass ich kaum noch wusste, was real war. In den meisten Szenarien hatte ich sie gerettet. In einigen wenigen hatte ich mich neben sie gelegt und war auch gestorben. Aber in allen Szenarien hatte ich tatsächlich etwas getan, verdammt.
Und doch stand ich jetzt einfach nur da.
Mit bloßen Füßen auf diesem verdammten Teppich. Unbeweglich. Völlig unfähig, das allzu vertraute Massaker vor meinen Augen zu verarbeiten.
"Hilf mir!", schrie Cora.
In einer unwillkürlichen Reaktion glitt mein Blick zu ihr.
Und dann sagte sie das einzige Wort, das mich noch tiefer vernichten konnte. Es kam auf mich zu wie eine Kugel aus einer Pistole: "Bitte!"
Mein Geist zersplitterte. Zeit stürzte in sich zusammen. Realität kämpfte gegen das Was-wäre-wenn.
Und dann riss mich eine innere Explosion aus meiner Starre. "Lisa!"