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Kapitel Fünf

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Jake kam in dem Augenblick an, in dem Cris es aufgab, die verbliebene Enchiladas auf seinem Teller aufessen zu wollen. Sein Anblick, echt und greifbar, nahm Cris einen Teil seiner Unruhe – aber nicht den Teil, der sein Herz in eisiger Faust umklammert hielt. Chet stand auf, um sich einen Kuss und eine Umarmung von Jake abzuholen, der zwar müde, aber glücklich aussah.

»Ich wollte nicht so lange schlafen«, sagte er, als er zu Cris' Platz am Tresen hinüberkam. »Tut mir leid, dass ich euch Sorgen gemacht habe.«

»Schon gut, das passiert«, sagte Cris. Er küsste Jake auf den Mund. Er sehnte sich verzweifelt danach, den jüngeren Mann in seine Arme zu ziehen und genüsslich und lange zu küssen, aber er konnte nicht. Noch nicht.

»Manchmal wissen unsere Körper besser, wann sie Ruhe brauchen als unser Kopf«, sagte Chet. »Mittagessen? Eine Portion ist noch übrig.«

»Eindeutig.« Jake sprang auf den Stuhl neben Cris. Seine Gegenwart war wie ein Stromschlag, der über Cris' Haut kitzelte. »Alles klar?«

»Ja, hab heute nur keinen Hunger, schätze ich«, sagte Cris. »Hat absolut nichts mit dem Essen oder den Küchenchefs zu tun.«

»Solche Tage haben wir alle.« Jake mopste sich Cris' Teller und aß die restliche Enchiladas auf. »Bist du heute hier?«

»Bin ich, aber ich habe noch einiges an Arbeit zu erledigen, bevor ich Zeit habe. Ich gebe mir Mühe, schnell fertig zu sein.«

Jake warf ihm ein verdorbenes Grinsen zu. »Gut.«

Cris bemühte sich, sich ruhig und normal zu verhalten, als er sich entschuldigte, doch sobald er den ersten Fuß auf die Treppe gesetzt hatte, rannte er nach oben. Direkt in sein Büro, sodass er die Tür schließen konnte. Er verbarrikadierte sich vor seinen Freunden und auch vor den Geheimnissen, die er vor ihnen hatte. Er hatte Chet versprochen, dass es keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen geben würde, keine Lügen, und nur ein paar Wochen später war Cris sein größtes Geheimnis um die Ohren geflogen.

Ich muss das in Ordnung bringen.

Sein Handy lag noch auf dem Schreibtisch und zeigte einen verpassten Anruf und eine Sprachmitteilung von Strahm an.

Ich konnte nicht viel darüber herausbekommen, was Booker vorhat, da er sich sehr bedeckt hält. Aber angeblich steht er kurz vor einer Verhaftung. Meine Vermutung ist, dass dein Vater Informationen hat und Booker auf der Suche nach einem Hebel ist, den er bei ihm ansetzen kann. Sei vorsichtig.

Cris' Brust schmerzte. Er ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und rettete augenblicklich die gelöschte E-Mail aus dem Mülleimer. Er starrte sie an. Las sie zwei weitere Male. Mit zitternden Fingern tippte er Bookers Nummer in sein Telefon. Sein Finger schwebte über der Anrufen-Taste. Die halbe Enchilada lag ihm schwer im Magen.

Er drückte auf Anrufen und schaffte es irgendwie, das Handy an sein Ohr gedrückt zu halten.

Nach dreimaligem Klingeln sagte eine harsche Stimme: »Special Agent Booker.«

Cris schluckte mühsam. »Ähm, hier ist Cr… ähm, Vincent Maroni.«

»Mr. Maroni, hallo.« Bookers Stimme wurde weicher und freundlicher. »Ich freue mich sehr, von Ihnen zu hören, Söhnchen.«

»Nennen Sie mich nicht Söhnchen.« Cris scherte es nicht, wie grob das klang. Er schuldete diesem Mann nichts. »Was wollen Sie?«

»Ich mag direkte Menschen. Was ich möchte, ist ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht und zehn Minuten Ihrer Zeit.«

»Warum können wir nicht am Telefon miteinander sprechen?«

»Ich habe mich extra auf die lange Reise begeben, um dem Gespräch eine persönliche Note zu geben. Zehn Minuten an einem öffentlichen Ort. Ihrer Wahl.«

Cris wollte mit diesem Kerl nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden, aber er weigerte sich auch, sich privat mit ihm zu treffen. Er schielte zur Uhr, seine Gedanken wirbelten. »Gut. Auf der State Street gibt es eine Kaffeebar. Wir sehen uns dort um halb zwei.«

»Halb zwei.«

»Wie erkenne ich Sie?«

»Weißes Hemd und rote Krawatte. Und Sie?«

»Vergessen Sie es. Sie wollen sich mit mir treffen? Dann zu meinen Bedingungen.«

»In Ordnung. Ich sehe Sie dann später, Mr. Maroni.«

Cris legte auf und ließ sein Smartphone auf den Teppich fallen. Er hatte mehr als genug Zeit, die Kaffeebar zu erreichen und sich umzusehen. Nach Booker Ausschau zu halten. Aber wie zum Teufel sollte er erklären, dass er so plötzlich losmusste, wo er doch behauptet hatte, arbeiten zu müssen? Sie würden ihm nur einen Blick ins Gesicht werfen und wissen, dass er log.

Ich kann den feigen Weg wählen und ihnen aus dem Wagen eine Nachricht schicken.

Das wäre nicht ideal, aber immer noch besser, als ihnen ins Gesicht zu lügen. Schon wieder. Er würde sich mit Booker treffen, ihn ausreden lassen, den besten Weg finden, ihn zum Teufel zu jagen, und dann zu seinen Jungs heimkehren.

Cris hob sein Smartphone vom Boden auf, schlüpfte in ein Paar Schuhe und ging anschließend sehr leise den Flur entlang. Als er die Treppe hinunterstieg, war er sich der gedämpften Stimmen aus der Küche sehr bewusst. Er hasste es, sich wie ein Dieb davonzuschleichen, aber so war es am einfachsten. Er würde es später wiedergutmachen. Seine Schlüssel lagen auf dem schmalen Tisch neben der Haustür, neben Chets und dem kleineren Ring, an dem Jakes befestigt war. Perfekt nebeneinander und sie alle gehörten zusammen auf diesen Tisch.

Sehr behutsam nahm er seine Schlüssel an sich.

Es tut mir leid.

***

Jake hatte Charles mit einer Geschichte von der gestrigen Schicht unterhalten, während zwei der Gäste etwas mehr getan hatten, als mitten auf der Tanzfläche miteinander zu tanzen. Jakes Belustigung über den Vorfall war ansteckend und das Einzige, was Charles von Cristians merkwürdiger Laune ablenkte. Beim Frühstück war noch alles bestens gewesen, doch beim Mittagessen hatte er sich merklich unbehaglich gefühlt. Wahrscheinlich steckte Stress mit der Arbeit dahinter, aber es war eine Form von Stress, die Charles bei Cristian nie zuvor erlebt hatte.

Natürlich. Sie wohnten erst seit einem Monat zusammen. Sie mussten alle drei noch viel über die alltäglichen Marotten der anderen lernen.

»…also stürmt Bear in die Menge, schreit, dass wer immer hier rumvögelt, sich gefälligst auf die Toiletten verziehen soll, und… Chet?«, unterbrach sich Jake.

Charles blinzelte heftig. »Entschuldige, ich war kurz mit den Gedanken woanders. Bear ist in die Menge gestürmt?«

Jake griff über den Tresen, um Charles' Handgelenk zu drücken. »Du denkst an Cris, nicht wahr?«

»Ist das so offensichtlich?«

»Ich habe ihn nur fünf Minuten lang gesehen und selbst ich konnte erkennen, dass ihm irgendetwas zu schaffen macht.« Er kaute an seiner Unterlippe. »Glaubst du, es liegt daran, dass ich ausgezogen bin?«

»Möglich, aber unwahrscheinlich. Wenn es darum ginge, würde ich vermuten, dass Cris sich bemühen würde, Zeit mit dir zu verbringen, statt sich in sein Büro zurückzuziehen.« Charles drehte seinen Unterarm, sodass ihre Handflächen ineinander lagen und ihre Finger sich verschränkten. »Es kann gut sein, dass nur Arbeitsstress dahintersteckt. Beim Frühstück schien es ihm gut zu gehen. Erst später, als ich ihn aufs Mittagessen angesprochen habe, wirkte er besorgt.«

»Hm. Sollten wir versuchen, mit ihm zu reden? Oder ihn in Ruhe lassen? Ich weiß nicht, wie ich mit einem gestressten Cris umgehen soll. Ich meine, ich weiß, dass er während meiner depressiven Phase der letzten Monate gestresst war, aber das hier ist was anderes.«

Charles streichelte Jakes Handrücken mit dem Daumen. »Meiner Erfahrung nach ist Cristian jemand, der versucht, seine Probleme allein zu lösen, statt sich Unterstützung von außen zu holen. Das ist übrigens auch der Modus Operandi von jemand anderem, den ich kenne und liebe.«

Jake grollte. »Wir reden hier nicht über mich.«

»Ich weiß. Ich glaube, es ist am besten, wenn wir ihm etwas Luft lassen. Wenn es um die Arbeit geht und er eine Lösung findet, dann kommt er als glücklicherer Mann nach unten. Falls nicht…«

»Falls nicht?«

Er grinste. »Dann fesseln wir ihn ans Bett, bis er redet.«

Jakes Wangen verfärbten sich. »Ihn ans Bett fesseln, hm? Nackt oder bekleidet?«

»Das entscheiden wir spontan. Ich bin mir nicht sicher…« Charles hielt inne. Ein merkwürdiges Geräusch hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Etwas wie das Klicken, mit dem sich die Haustür öffnete und schloss. Dell war vor einer Stunde weggegangen, um ein paar Einkäufe zu erledigen. »Dell? Bist du zurück?«

Stille.

»Hast du etwas gehört?«, fragte Jake.

»Ich bin mir nicht sicher.« Charles stand auf und ging hinüber ins leere Foyer. Sein Blick fiel auf den kleinen Tisch, auf dem sie ihre Schlüssel aufbewahrten. Ein Paar fehlte.

Das unverkennbare Geräusch eines Motors, der zum Leben erwachte, ließ seine Haut kribbeln. Charles riss die Haustür auf. Ein überraschter Ausruf entfuhr ihm. Cristians Wagen war rückwärts aus der Einfahrt gestoßen. Unter Charles' Blick legte Cristian den Gang ein und fuhr fort.

Jake schob sich an Charles vorbei. »Was zum Henker? Wo fährt er hin?«

»Ich weiß es nicht.« Charles tastete nach seinem Handy. Nein, er hatte es auf dem Tresen liegen lassen.

Mit einem Grunzen zog Jake sein eigenes Smartphone aus der Tasche und stach darauf ein, bevor er es sich ans Ohr hielt. »Das Arschloch geht nicht dran. Was zum Teufel, Chet?« Das Handy piepste. »Oh, er schickt eine Nachricht. Wie verdammt erwachsen.«

»Was schreibt er?«

»Treffe mich mit einem Kunden auf einen Kaffee, bin zum Abendessen zu Hause.« Jake wedelte so weiträumig mit den Armen, dass Charles einen Schritt zurücktrat, um sich aus der Schusslinie zu bringen. »Warum zum Geier sollte man sich wegschleichen, um sich mit einem Kunden zu treffen? Konnte er nicht einfach in den Flur rufen, dass er wegmuss?«

Charles starrte auf die leere Stelle in seiner Einfahrt, an der vor wenigen Augenblick noch Cristians Wagen gestanden hatte. »Ich weiß es nicht. Wie ich schon gesagt habe, er war heute nicht ganz er selbst. Es muss ein wichtiges Treffen sein, wenn er losmusste, ohne uns Bescheid zu sagen.«

»Könnte es um einen Familiennotfall gehen?«

»Das bezweifle ich. Er hat mir mal gesagt, dass er keine leibliche Familie mehr hat. Vielleicht hat er gar nicht daran gedacht, uns Bescheid zu sagen, dass er sich mit einem Kunden treffen will. Er ist es nicht gewöhnt, andere über seine Arbeitsvorgänge auf dem Laufenden zu halten.«

»Stimmt.« Jake verschränkte die Arme. Er war sichtlich unzufrieden mit dieser Vorstellung. »Aber eine Textnachricht?«

»Im Zweifel für den Angeklagten, Jake. Zum Abendessen wird er wieder da sein und ich bin mir sicher, dass er uns dann eine anständige Erklärung anzubieten hat.«

»Das rate ich ihm.«

Charles manövrierte Jake zurück in die Küche, damit er seine Geschichte über den Sex auf der Tanzfläche beenden konnte. Auf dem ganzen Weg trugen Vertrauen und Zweifel in seinem Innern eine Schlacht gegeneinander aus. Als sie sich wieder setzten, hatte in Charles das Vertrauen Überhand gewonnen. Cristian hatte ihnen versprochen, dass es keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen geben würde, und was war eine Beziehung ohne Vertrauen wert?

***

Cris fand eine Laterne auf der der Kaffeebar gegenüberliegenden Straßenseite und lehnte sich dagegen. Dort stand er von zehn nach eins bis fünf vor halb, als ein stämmiger Mann in weißen Hemdsärmeln und mit roter Krawatte auf die Bar zuging. Er sah sich um, bevor er sie betrat. Cris musterte den Bürgersteig zu beiden Seiten der Straße und suchte nach etwas, das ihm ungewöhnlich vorkam. Schwarze SUVs. Männer mit Sonnenbrillen. Irgendetwas, das darauf hindeutete, dass dies mehr als eine normale Verabredung auf einen Kaffee mit einem mysteriösen FBI-Agenten war.

Das ist überhaupt nicht mehr mein Leben, Gottverdammt noch mal.

Er sollte verschwinden. Er sollte nach Hause fahren, Chet und Jake seine unrühmliche Vergangenheit eingestehen und mit den Konsequenzen leben. Aber dann hätte er immer noch nicht die Antworten, die er wollte, also überquerte er inmitten des Verkehrs die Straße.

Die reichhaltigen Düfte von Kaffee und Zucker überfielen ihn, sobald er den Laden betrat. Der Mann mit dem weißen Hemd saß an einem Zweipersonentisch im hinteren Bereich des engen Gastraums und der Tür zugewandt. Vor ihm standen ein Becher Kaffee und irgendein Stück Gebäck auf einem Teller. Der Mann fand seinen Blick, dann neigte er kaum merklich den Kopf. Cris nickte zurück.

Verzweifelt auf etwas bedacht, das seine Hände beschäftigt halten würde, bestellte Cris einen Americano und nahm ihn anschließend mit an den Tisch. Er setzte sich, ohne sich vorzustellen, und hasste den Umstand, dass er mit dem Rücken zur verflixten Tür saß.

»Agent Booker?«, fragte Cris mit leiser Stimme.

»Dwayne Booker, ja.« Der Mann musterte ihn. »Sie sehen anders aus, als ich erwartet hatte.«

»Was haben Sie denn gedacht, wie ich aussehe?«

Booker griff in seine Brusttasche und entnahm ihr ein gefaltetes Blatt Papier. Er schob es über den Tisch. Cris nahm es mit zittrigen Fingern an sich und entfaltete es, um einen Computerausdruck eines Gesichts freizulegen. Vincent Maronis Gesicht.

»Eine Alterungs-Software«, erklärte Booker. »Ich wollte wissen, wie Sie zehn Jahre später aussehen könnten, aber möglicherweise müssen wir an dem System noch etwas arbeiten.«

Cris grunzte. »Ich habe einiges anpassen lassen. Wie haben Sie mich gefunden?«

»Sie haben offiziell einen anderen Namen angenommen, aber Sie können Ihre Sozialversicherungsnummer nicht verändern. Jedenfalls nicht auf legale Weise, daher möchte ich Sie dafür loben, dass Sie sich bei Ihrem Versuch, sich unsichtbar zu machen, an die Gesetze gehalten haben.«

»Wow, danke sehr.« Cris dachte ernsthaft darüber, dem Typen seinen Kaffee in den Schoß zu kippen. »Ist das Ihre Art, mir zu sagen, dass Sie froh sind, dass ich nie zu einem Kriminellen geworden bin wie mein alter Herr?«

»Die Menschen versteigen sich leicht auf weniger ethische Verhaltensweisen, wenn sie vom Radar verschwinden wollen. Ich habe Ihren neuen Namen und Ihre Wohnung gefunden. Allerdings hat Ihr Vermieter mir mitgeteilt, dass Sie ganz plötzlich ausgezogen sind, und zwar ohne Erklärung. Es ist beinahe, als hätten Sie gewusst, dass Sie mich zu erwarten haben.«

Cris schnaubte durch die Nase. »Glücklicher Zufall. Es gefällt mir nicht, wenn mir jemand hinterherschnüffelt, nicht einmal das FBI.«

»Verständlich, und ich entschuldige mich für mein Vorgehen. Außerdem entschuldige ich mich dafür, dass ich Sie über Ihre Firma kontaktiert habe, aber ich war nicht in der Lage, eine private Telefonnummer zu finden.«

»Aus gutem Grund. Was wollen Sie?« Es gruselte ihn bereits genug, wie der Kerl ihn aufgespürt hatte, und Cris wollte, dass dies so rasch wie möglich vorbei war.

»Ihr Vater liegt im Sterben.«

Eis schien ihm über die Wirbelsäule zu gleiten, nur um sich in seinem Bauch und seiner Brust auszubreiten. Für eine Sekunde konnte Cris nicht atmen.

Vor seinem inneren Auge sah er den großen, vierschrötigen Mann, der ihm beigebracht hatte, Fangen zu spielen und wie man Pizzaecken faltete, und der mit ihm das Gespräch geführt hatte, als er zwölf gewesen war. Auf seine eigene Weise war Roberto ein liebevoller, hingebungsvoller Vater gewesen und diesen Mann vermisste Cris. Er vermisste jedoch nicht den grausamen Mann, den Cris erst entdeckt hatte, als er älter wurde. Den Mann, der der Polizei gestanden hatte, andere Männer auf Geheiß seines Bosses gefoltert und ermordet zu haben.

Cris sah Booker in die Augen, als er fragte: »Woran stirbt er?«

»Krebs. Die Ärzte haben ihn vor drei Jahren entdeckt. Er war bereits im zweiten Stadium und Ihr Vater hat jede Behandlung abgelehnt. Er hat mich letzte Woche kontaktiert und mir mitgeteilt, dass er nur noch einen oder zwei Monate hat und dass sein letzter Wunsch sei, Sie noch einmal zu sehen.«

Cris konnte nicht anders, als bitter aufzulachen. »Dieser Mann ist schon vor langer Zeit gestorben. Nein, danke.«

»Vertrauen Sie mir, Mr. Maroni…«

»Sable. Mein Name ist jetzt Cristian Sable. Vincent Maroni ist ebenfalls vor langer Zeit gestorben.«

»Mr. Sable. Ich bin nicht nur deshalb den ganzen Weg hergekommen, um einem sterbenden Kriminellen seinen letzten Wunsch zu gewähren.«

Cris sah es kommen, bevor Booker es aussprechen konnte. »Er wird Ihnen Informationen liefern, wenn Sie mich dazu bewegen, ihn zu besuchen. Stimmt's?«

»Ja. Wir stehen kurz davor, die restliche Organisation Ponzettis hochzunehmen, und Ihr Vater besitzt Schlüsselinformationen, die wir brauchen. Wir können ihm keine Minderung seiner Haftstrafe anbieten, da er bereits im Sterben liegt. Alles, was er sich wünscht, ist eine Chance, Sie noch einmal zu sehen, da er Graziella nicht mehr sehen konnte.«

»Lassen Sie meine Schwester da raus.« Was Cris am meisten in seinem Leben bedauerte, war der unglückselige Tod seiner kleinen Schwester. Sie war gerade erst sechzehn gewesen. Sie hatte ihr ganzes Leben lang mit ihrem Diabetes Typ I zu kämpfen gehabt und war mit Freunden auf einer Privatparty gewesen, als ihr jemand heimlich Alkohol in ihre Getränke geschüttet hatte. Daraufhin war sie in ein diabetisches Koma gefallen und gestorben. Cris hatte sich selbst nie verziehen, dass er nicht mehr getan hatte, um sie zu retten.

»Mir geht es um Folgendes«, fuhr Booker mit einem gänzlich neuen Anstrich von Bedrohung in der Stimme fort. »Sie können mir helfen, weitere gefährliche Männer von der Straße zu holen. Alles, was Sie tun müssen, ist, Ihren Vater im Gefängnis zu besuchen.«

Cris spielte mit seiner Kaffeetasse. »Welche Garantie haben Sie von Roberto, dass er Ihnen wirklich Informationen liefert, wenn ich ihn besuche? Woher wissen Sie, dass er Ihnen nichts vormacht?«

»Ich bin bereit, das Risiko einzugehen. Ich habe derzeit nichts zu verlieren.«

»Ja, nun, ich habe etwas zu verlieren, angefangen mit meiner verdammten Selbstachtung. Ich habe die Tür zu meiner Vergangenheit vor langer Zeit verschlossen, Agent Booker, und ich bin nicht begeistert, dass Sie jetzt versuchen, die Nägel herauszuziehen. Besonders nicht, wenn ich ein glückliches, zufriedenes Leben führe.«

»Sie meinen Ihr Leben als schwuler Pornostar?«

Erschreckend lange war Cris' Gehirn in weißes Rauschen gehüllt. Er konnte Booker nur anstarren, unfassbar schockiert von dem Vorwurf und dem Bruch seiner Privatsphäre. Booker hatte leise gesprochen, aber Cris' Instinkte zwangen ihnen, sich umzusehen, ob jemand zuhörte. Niemand schien sich um sie zu scheren und das Engegefühl in seiner Brust erinnerte Cris daran, dass er atmen musste.

»Sie können keine verdammte Telefonnummer ausfindig machen, aber das haben Sie rausgefunden?«, knurrte Cris.

»Habe ich. So habe ich Sie auch erkannt, als Sie reingekommen sind. Sie haben sich operieren lassen und so weiter.«

»Ich schäme mich nicht für diese Filme und habe es nie getan. Also werden Sie schon etwas anderes finden müssen, mit dem Sie mich erpressen können.«

»Sie missverstehen mich, Mr. Mar… Entschuldigung. Mr. Sable. Ich habe nicht vor, Sie zu zwingen, Ihren Vater zu besuchen. Ich würde es vorziehen, wenn Sie freiwillig gehen würden – und zwar bald, sodass ich mit meinen Ermittlungen fortfahren kann. Und bevor seine Feinde etwas von unserem Deal erfahren.«

»Mithilfe von Informationen fortfahren, für die es keinerlei Garantie gibt.«

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