Читать книгу Sound of Us - A.M. Arthur - Страница 6

Kapitel Eins

Оглавление

»Ich möchte in meine Wohnung zurückziehen.«

Cris Sable verlor den Halt um die Schüssel, die er in die Spülmaschine räumen wollte. Sie entglitt seinen Fingern und knallte gegen eine weitere Schüssel, die er bereits in das obere Schubfach gelegt hatte. Statt nachzusehen, ob er Chets Geschirr zerbrochen hatte, drehte er sich um, um den Mann anzuschauen, von dem diese unerwartete Bemerkung stammte.

Einer seiner Lebensgefährten, Jake Bowden, musterte ihn von der anderen Seite der Kücheninsel aus. Seine braunen Augen hatten sich in einer Mischung aus Sorge und Entschlossenheit geweitet.

»Du willst was?«, fragte Cris, auch wenn er Jake schon beim ersten Mal verstanden hatte.

Jake kaute an seiner Unterlippe, dann holte er Luft. »Ich möchte wieder in Bennys Wohnung ziehen. Ich meine, der Grund, warum Chet mich hergebracht hat, war der, dass ihr mir mit meiner Bipolarität helft, und das ist jetzt einen Monat her, also…« Die Entschlossenheit schwand und ließ nichts als Angst zurück. »Bist du sauer?«

»Natürlich nicht.« Cris trocknete sich an einem Geschirrtuch die Hände ab und umrundete anschließend die Kücheninsel, um sich zu Jake zu gesellen. Er überragte den jüngeren Mann um fünfzehn Zentimeter und war weit muskulöser, aber manchmal kam ihm Jakes Herz so groß vor, dass Cris sich neben ihm sehr klein fühlte. »Chet hat deinen Aufenthalt hier nie begrenzt.«

»Ich weiß, aber es kommt mir vor, als würde ich ihn ausnutzen, wenn ich bleibe, obwohl ich Fortschritte mache. Außerdem muss ich… Ich muss mich vergewissern, dass ich allein zurechtkomme.«

Dem hatte Cris nichts entgegenzusetzen. Er verstand Jakes Bedürfnis, wieder unabhängig zu sein, nachdem er sich gut fünf Wochen lang auf Cris und Chet gestützt hatte. Jakes bipolare Störung wurde von Medikamenten und wöchentlichen Therapiesitzungen abgefangen. Er arbeitete wieder in einem Schwulenclub namens Big Dick's als Go-go-Tänzer. Und er gewöhnte sich allmählich an die Komplikationen, die mit einer Dreiecksbeziehung einhergingen.

Das galt für sie alle, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schlafzimmers. Jake kämpfte immer noch mit den Nebenwirkungen seiner Medikamente und er war sehr empfindlich, was seine zeitweiligen Erektionsstörungen anging. Daher war körperliche Zuneigung zwischen ihnen dreien auf Blowjobs und gegenseitiges Masturbieren begrenzt geblieben.

Dass Jake das Haus verlassen und wieder in seine Wohngemeinschaft ziehen wollte, war für ihn ein wichtiger Schritt. Vom Kopf her verstand Cris das. Doch in seinem Herzen hasste er die Vorstellung, dass Jake eine fünfzehnminütige Fahrt von ihnen entfernt sein würde. »Ich glaube, auszuziehen ist sehr tapfer«, sagte er. »Ganz selbstsüchtig betrachtet möchte ich nicht, dass du gehst, weil es mir gefällt, jeden Morgen mit dir aufzuwachen, aber ich verstehe, warum du es tun willst.«

Jake entspannte sich sichtlich, dann lehnte er sich gegen Cris' breite Brust. Cris schlang beide Arme um Jakes Taille und nahm die Hitze des schlanken Körpers seines Freunds in sich auf. »Danke«, sagte Jake. »Mir gefällt es auch, bei euch zu schlafen und mit euch aufzuwachen, aber dies ist eine Sache, die ich wirklich tun muss.«

»Ich weiß.« Er bettete das Kinn auf Jakes Kopf. »Der Vorteil ist, dass du wieder näher an deinem Arbeitsplatz sein wirst.«

»Stimmt. Ich glaube, ich benutze dein Auto inzwischen häufiger als du.« Jakes Wohnung lag nur sieben Blocks vom Club entfernt. Chets Haus dagegen befand sich in der Vorstadt, sodass er jedes Mal mit dem Wagen den Fluss überqueren musste. Jake hatte nie einen eigenen Wagen besessen, daher lieh er sich normalerweise Cris'.

Als Programmierer konnte Cris überall arbeiten, solange er nur seinen Laptop und seine Kopfhörer hatte. Der Wagen war schlicht ein Relikt seines alten Lebens, von dem er sich nie hatte trennen können. Er würde ihn fahren, bis er schrottreif war.

»Hast du Benny schon angerufen und ihm gesagt, dass du zurückkommst?«, fragte Cris.

»Noch nicht, aber ich habe ihm am Ersten meinen Anteil der Miete überwiesen. Also gehört das Zimmer immer noch mir.«

»Weißt du schon, wann du gehen willst?«

Jake schnaubte. »Ich will nicht gehen, aber ich halte es für die richtige Entscheidung. Ich denke schon eine ganze Weile darüber nach und habe sogar mit Dr. Englade darüber gesprochen, also ist es keine meiner üblichen dämlichen, spontanen Entscheidungen, die ich früher gefällt habe.«

Cris gefiel der Gedanke, dass Jake sich mit seiner Therapeutin besprochen und darüber nachgedacht hatte, aber er konnte nicht widerstehen, ihn aufzuziehen. »Spontane Entscheidungen, hm? Wie zum Beispiel so zu tun, als hättest du meine Brieftasche geklaut, nachdem wir zum ersten Mal Sex hatten? Und alles nur, weil du dich zu mir hingezogen gefühlt hast und so einen Schiss hattest, dass du mich wegschubsen wolltest?«

»Das wirst du mir ewig aufs Brot schmieren, oder?«

»Süßer, die Geschichte werde ich noch unseren Enkelkindern erzählen.«

Jake versteifte sich in seinen Armen. Cris begriff, was er gesagt hatte und wie es vermutlich rübergekommen war. »Metaphorische Enkelkinder«, berichtigte er sich.

Der Schaden war jedoch angerichtet. Jake wand sich aus seiner Umarmung. Unsicherheit spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. »Möchtest du Kinder?«

Okay, das war nicht die Art von Gespräch, auf die Cris an einem Donnerstagmorgen vorbereitet war. »Ich habe nichts gegen Kinder, aber ich habe nie dagesessen und mir ein Leben mit welchen erträumt. Vielleicht ein klein wenig, als ich mit Lily zusammenkam, aber seitdem nicht mehr.«

Lily war der erste Mensch, mit dem er zusammen gewesen war, der seine Bisexualität vollkommen akzeptiert hatte, und Cris hatte sich schnell in sie verliebt. Sie zu lieben, hatte ihm die besten sechs Monate seines Lebens eingebracht – bis er ihr gestanden hatte, dass er früher nebenberuflich in Schwulenpornos mitgespielt hatte. Er hatte nicht gedreht, seitdem sie zusammen waren, aber sie war trotzdem ausgerastet, hatte sich jeder Erklärung verweigert und ihn mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Danach hatte er mit Depressionen zu kämpfen gehabt, mit den Pornos komplett aufgehört und sich von jedem außer seinem besten Freund Taro Ichikawa zurückgezogen.

Taro hatte ihn da wieder rausgeholt und Cris war für zwei Jahre ans Filmset zurückgekehrt, bevor er vor ein paar Wochen offiziell gekündigt hatte. Cris hätte nie mit Chet zusammen sein können, während der noch sein Chef war. Sie planten, dieses Wochenende Cris' offizielles Abschiedsvideo für die Website zu drehen.

»Abgesehen davon«, sagte Cris, »gibt es da draußen immer noch zu viele religiöse Spinner, die sich das Maul zerreißen, wenn schwule Paare Kinder adoptieren. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie die ausrasten würden, wenn ein Dreigespann eines adoptieren will.«

»Stimmt.«

Cris wollte nicht länger darüber reden. Er hätte nie den dummen Witz über Enkelkinder machen sollen, also kehrte er zu Jakes Ankündigung zurück. »Hast du Chet schon Bescheid gesagt? Oder wolltest du erst meine Meinung hören?«

Jake verschränkte die Arme und lehnte sich an die Kücheninsel. »Ich wollte es dir zuerst sagen. Ich habe das Gefühl, dass Chet sich deiner Meinung anschließen wird und du gehst ja sehr entspannt damit um.«

»Das liegt daran, dass ich dich liebe und möchte, dass du glücklich bist. Wenn du dafür eine Weile ausziehen musst, unterstütze ich dich darin. Das machen Freunde so. Solange Benny sich nicht daran stört, dass ab und zu jemand bei dir übernachtet.«

»Ich bezweifle, dass es ihn stören wird.« Jakes dunkle Augen wurden rund. »Verdammt, was, wenn Chet über Nacht bleiben möchte? Wäre das nicht merkwürdig? Ich meine, der einzige Mensch, der weiß, dass wir alle zusammen sind, ist Dell.«

Dell Greenwood war sowohl Chets Neffe als auch der Kameramann des Pornostudios im Keller. Der einzige Grund, warum er ihr Geheimnis kannte, war, dass er ebenfalls in diesem Haus lebte und er den ganzen komplizierten Prozess, in dem sie zueinandergefunden hatten, miterlebt hatte.

»Wir bekommen das alles hin«, sagte Cris. »Aber vielleicht sollten wir das mit Chet besprechen, da er die dritte Partei in diesem Spiel ist.«

»Was mit Chet besprechen?« Chet Green bewies wieder einmal perfektes Timing, indem er aus dem Foyer in die Küche trat. Er hatte ausnahmsweise noch seinen Schlafanzug getragen, als er mit ihnen gefrühstückt hatte. Daher war er anschließend nach oben gegangen, um zu duschen und sich anzuziehen, während Jake und Cris aufgeräumt hatten.

Chet konnte selbst die ältesten Lumpen teuflisch sexy wirken lassen. Er war beinahe so groß wie Cris, wenn sein schlanker Körper auch eher dem eines Schwimmers entsprach, und trug ein blaues Polohemd und Stoffhosen, als handelte es sich um den edelsten Dreiteiler. Sein mit Silber durchzogenes Haar war perfekt gestylt und auch wenn er im letzten Frühjahr achtundvierzig geworden war, hätte ihn niemand älter als neununddreißig geschätzt.

Chet hielt auf Armeslänge zu Jake inne und runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«

»Nichts ist passiert«, sagte Cris. »Aber es geht um etwas, das uns alle drei betrifft. Daher bin ich froh, dass du da bist.«

»In Ordnung.«

Jake schluckte mühsam, bevor er sich an Chet wandte. »Ich möchte eine Zeit lang wieder in Bennys Wohnung ziehen, damit ich mir beweisen kann, dass ich allein und mithilfe der Medikamente zurechtkomme. Dass mein ganzer Fortschritt nicht einfach verschwindet, wenn ihr Jungs nicht länger vierundzwanzig Stunden am Tag um mich herum seid, um mich aufrecht zu halten.«

Chets Stirnrunzeln verdampfte zu einem liebevollen Lächeln. »Ich finde, das ist eine sehr erwachsene Entscheidung, Jake.«

»Tust du?«

»Sehr sogar. Ehrlich gesagt habe ich nach einem Weg gesucht, dieses Thema selbst anzuschneiden.«

Jake zog sich einen Schritt zurück. »Du willst, dass ich gehe?«

»Ganz im Gegenteil.« Chet überwand die von Jake aufgebaute Distanz und setzte ihn zwischen der Kücheninsel und seinem Körper gefangen. Er machte sich klein, um Jake in die Augen sehen zu können, und stützte beide Hände auf die Arbeitsplatte hinter Jake. »Ich liebe es, dass du hier bist, in meinem Haus und in meinem Bett. Aber ich habe dich in dem Wissen hergebracht, dass es eine zeitlich begrenzte Lösung ist, und nun, da du mit deiner Krankheit zurechtkommst, musst du auch wieder die Kontrolle über dein Leben übernehmen.«

»Ja«, sagte Jake.

»Also, wenn du jetzt gehst, möchte ich, dass du es in dem Wissen tust, dass du jederzeit wiederkommen kannst.«

»Danke.« Jakes Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Lächeln. »Außerdem… Wenn wir an unterschiedlichen Orten wohnen, heißt das, dass wir uns jetzt richtig verabreden können. Du und ich unternehmen nicht viel, weißt du, nur wir zwei.«

»Das ist wahr, und wir können ganz sicher Verabredungen zustande bekommen. Ich würde liebend gern außerhalb dieses Hauses Zeit mit dir verbringen.«

»Aber was, wenn andere Leute erfahren, dass wir drei zusammen sind?« Er wand sich genug, dass Chet zurücktrat und ihm etwas Platz schenkte.

»Was soll damit sein?«, fragte Chet. »Selbst wenn wir zu dritt in einem netten Restaurant essen gehen, würde niemand wissen, dass wir zusammen sind, solange wir nicht am Tisch rumknutschen.«

Das geistige Bild von ihnen dreien in schicker Garderobe, wie sie in einem Edelrestaurant herummachten, ließ Cris' Schwanz zucken. Er würde es nie tun, aber verflucht, er wollte in aller Öffentlichkeit zeigen, dass diese fantastischen, leidenschaftlichen Männer ihm gehörten und niemandem sonst.

»Ich vermute schon.« Jake klang nicht begeistert von der Vorstellung, dass ihre Dreiecksbeziehung bekannt werden könnte, und das schmerzte ein wenig.

»Ist es dir peinlich, mit zwei Männern zugleich zusammen zu sein?«, fragte Cris.

»Nicht richtig. Ich meine, es ist nicht so, dass ihr beide mir peinlich seid. Es ist nur so… anormal.«

Cris fuhr zusammen.

»Scheiße, das war die falsche Wortwahl.« Jake stieß sich vom Tresen ab und ging zum Küchentisch. Er ergriff die Lehne eines Stuhls, drehte sich aber nicht zu ihnen um. »Chet hat mir das Konzept der Polyamorie erklärt und ich verstehe es. Das tue ich wirklich. Aber das wird für keinen sonst gelten. Für die meisten jedenfalls nicht.«

»Als wir vor ein paar Wochen mit all dem hier angefangen haben, schien das kein Thema zu sein«, sagte Cris. Jakes neue Zögerlichkeit verwirrte ihn. Und es frustrierte ihn, mit dessen Rücken zu reden. »Würdest du uns bitte ansehen?«

Jake drehte sich mit verschränkten Armen um. Ein vertrauter Ausdruck von Abwehr zeigte sich auf seinem Gesicht.

»Ich glaube, ich verstehe«, meinte Chet. »Wenn Jake auszieht, bewegt sich unsere Beziehung ebenfalls aus diesen vier Wänden heraus. Sie wird nicht länger geschützt. Nicht länger vor der Betrachtung und Kritik der Außenwelt versteckt.«

»Aber irgendwann wird es dazu kommen«, sagte Cris. »Wir können uns nicht ewig verstecken und wir sollten auch nicht dazu gezwungen sein.« Sie versteckten sich bereits seit Wochen und alles, was Cris sich wünschte, war, von den Dächern zu schreien, was für ein Glück er hatte.

»Ich weiß das, okay?«, fauchte Jake. »Ich bin nur… Ich bin ein Go-go-Tänzer, weißt du? Die Leute erfahren das und gehen automatisch davon aus, dass ich eine Schlampe bin. Also was werden sie wohl denken, wenn sie rausfinden, dass ich mit zwei Typen gleichzeitig gehe? Der Überschlampentänzer in Gang drei bitte?«

»Du weißt, dass du keine Schlampe bist. Also warum ist es so wichtig, was andere Leute denken?«

»Für dich ist das leicht zu sagen. Du bist dieser große, kräftige Kerl, der andere mit einem einzigen Blick verstummen lässt, und du hast kein Problem damit, wenn die Leute dich anstarren. Du hast Pornos gedreht, verdammt noch mal. Und vielleicht tanze ich halb nackt für Geld, aber das bedeutet nicht, dass ich möchte, dass jemand mein Privatleben beäugt und es seziert. Dafür ist es mir zu persönlich.«

Cris runzelte die Stirn. »Nur weil ich Pornos gedreht habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mich wohlfühle, wenn Fremde in meinem Privatleben rumschnüffeln. Warum zum Teufel glaubst du, dass ich ein Pseudonym verwendet habe? Ja, ich habe meinen nackten Körper gezeigt, aber Dane war nicht ich, Jake. Internetabonnenten bekommen nicht mein wahres Ich. Ihr beide dagegen schon.«

»Wenn du selbst nicht willst, dass andere Leute ihre Nase in unsere Angelegenheiten stecken, warum verstehst du dann nicht, worauf ich hinauswill?« Jake war angespannt und sichtlich nur noch ein falsches Wort davon entfernt, in Tränen auszubrechen.

Cris musste das richtigstellen. »Ich verstehe, was du sagen willst. Ich vermute, ich nehme unsere Beziehung anders wahr. Ich sehe darin nicht diese seltsame, bizarre Geschichte, die die Leute unter dem Mikroskop beäugen werden, als wären wir ein neuer Stamm Bakterien. Ich bin so verflucht stolz auf euch beide und möchte das zeigen. Ich möchte, dass die Leute wissen, dass ihr zwei mir gehört und dass ich euch liebe. Das kann ich nicht, wenn wir uns im Haus verstecken.«

Eine einzelne Träne lief über Jakes Wange und ihr Anblick brach Cris ein wenig das Herz. Er zog Jake in seine Arme, froh, dass der sich weder wehrte noch gegen die Umarmung protestierte. »Es tut mir leid«, flüsterte Cris. »Es tut mir leid, dass ich nicht das Richtige sagen kann. Es tut mir leid.«

»Du hast das Richtige gesagt«, murmelte Jake an seiner Achselhöhle. »Ich bin nur ein emotionales Wrack, das zu heulen anfängt, sobald du Ich liebe dich sagst.«

»Ich möchte nicht, dass du jemals Angst hast oder dich unwohl fühlst, wenn du in der Öffentlichkeit bei mir bist.«

»Tue ich nicht.« Jake hob den Kopf. Seine Augen waren noch feucht, aber klar. »Zu entscheiden, auszuziehen, war so eine große Veränderung für mich, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, was das für uns drei bedeutet, was es heißt, wenn wir uns auch draußen treffen. Seitdem wir angefangen haben, zusammenzuwohnen und miteinander herumzumachen, waren wir isoliert und ich weiß, dass diese Seifenblase nicht halten kann, aber ich habe eine Scheißangst, mich angreifbar zu machen.«

»Es ist absolut in Ordnung, Angst zu haben«, sagte Chet. Er legte jedem von ihnen einen Arm um den Nacken und komplettierte damit ihr Dreigespann der Unterstützung. »Jake, dein Leben hat sich im Verlauf der letzten paar Wochen dramatisch verändert. Mit einer bipolaren Störung leben zu lernen, ist keine Kleinigkeit. Mit einer Beziehung zurechtzukommen, ist für jeden schwer, aber gleich zwei auf einmal? Das ist ein riesiges Unterfangen. Und das, was wir gerade jetzt tun? Wie wir über unsere Ängste und Unsicherheiten reden? Das ist es, was diese Sache funktionieren lassen wird, egal, was das Leben uns entgegenschleudert.«

»Mir gefällt der Klang von uns.« Jake lehnte den Kopf an Chets Schulter. »Aber ich muss auch herausfinden, was mit mir ist. Wie ich damit umgehe, bipolar zu sein. Ich mit dir. Ich mit Cris. Ich mit anderen Menschen. Das ist einfach so viel.«

»Wir sind beide für dich da, Schatz. Was immer du brauchst.«

»Sind wir«, bestätigte Cris. Sein Herz barst vor Gefühlen. Er würde tun, was immer nötig war, jeden Drachen erschlagen, der sich ihnen in den Weg stellte, um diese beiden Männer zu beschützen.

»Es ist so dumm«, sagte Jake. »Manchmal weiß ich nicht, ob diese Ausbrüche echt sind oder ob sie an der Krankheit liegen und ich wieder auf dem besten Weg ins hypomanische Stadium bin.«

»Das ist nicht dumm«, erwiderte Chet. »Es liegt ein langer Weg vor dir, bevor du in der Lage sein wirst, den Unterschied zwischen Manie und berechtigten Ängsten oder Aufregung zu erkennen. Aber das schaffst du.«

»Es ist leichter, daran zu glauben, wenn du es sagst.«

Cris verbiss sich einen Scherz, dass er wohl weniger vertrauenswürdig war als Chet, denn dies war kaum der richtige Zeitpunkt. »Ich weiß, dass Geduld nicht deine größte Stärke ist«, sagte er zu Jake. »Aber gib dir etwas Zeit, dich an dein neues normales Selbst zu gewöhnen, okay? Ich mag vielleicht in der Welt mit dir angeben wollen, aber ich kann auch geduldig sein und warten, bis du bereit bist.«

»Danke. Du bist bereit, in die große, weite Welt hineinzuschreiten, aber ich bin immer noch auf kleine Schritte angewiesen. Vielleicht von Zeit zu Zeit auf eine Hand zum Festhalten und gutes Zureden, damit ich weitergehe.«

»Jederzeit.« Cris küsste seine Wange. »Alles gut zwischen uns?«

»Natürlich, du großer Trottel.«

In seiner schönsten Nasalstimme gab Cris zurück: »Das bist du, aber was bin ich?«

Jake fiel vor Lachen beinahe um. In einem Anfall teuflischen Wahns hatte Chet letztes Wochenende einen Marathon mit Pee-Wee-Herman-Filmen eingelegt, angefangen mit Pee-Wee's irre Abenteuer. Nachdem Jake sich an den schieren Irrsinn des Films gewöhnt hatte, hatte er die meiste Zeit über gejubelt. Und er war der Erste gewesen, der Cris gestern das berühmte Zitat entgegengeschleudert hatte, nachdem der ihn einen kleinen Trottel genannt hatte.

Cris liebte es, wie jeder von ihnen eine ganz eigene Art hatte, den anderen aufzuziehen.

»Ich werde es ewig bereuen, dass ich euch diese Filme gezeigt habe, oder?«, fragte Chet, während Jake versuchte, sich zusammenzureißen.

»Ja«, sagte Cris im gleichen Moment, in dem Jake ein Niemals zustande brachte.

»Ohne die Euphorie des Augenblicks stören zu wollen«, sagte Chet, »aber wann hast du vor auszuziehen, Jake?«

Jake wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. »Ähm, ich bin mir nicht sicher. Es ist ja nicht so, als hätte ich viel zu packen. Mein ganzes Leben passt in eine Reisetasche.«

Etwas flackerte in Chets Augen auf. Das tat es jedes Mal, wenn Jake Geld erwähnte, selbst wenn es nur indirekt war. Jake war mit zwanzig obdachlos geworden und eine Weile von Couch zu Couch gezogen, bis er sowohl in Sachen Arbeit als auch bei der Wohnungssuche Glück gehabt hatte. Über die vergangenen drei Jahre hatte er jeden Cent umgedreht und auf eine Weise gelebt, die ihm erlaubte, innerhalb eines Wimpernschlags zu packen und zu verschwinden.

Chet dagegen kam dank seiner Anteile an einer lukrativen Investment-Firma in Los Angeles das Geld aus den Ohren. Er war vor zehn Jahren nach Pennsylvania gezogen, um neu anzufangen, und damals hatte er auch die Idee für seine schwule Porno-Website, Mean Green Boys, ausgebrütet. Der größte Teil des Gelds ging an seine Darsteller, da Chet es nicht brauchte. Er führte zudem ein bescheidenes Leben und das war eines der Dinge, die Cris am meisten an ihm liebte. Chet war großzügig mit dem, was er hatte, weil er wusste, was es bedeutete, nichts zu haben.

Wenn Jake hier bei Chet bleiben würde, würde es ihm nie an etwas mangeln, aber Jake musste erst seine Unabhängigkeit beweisen. Er hatte sich zu lange um sich selbst gekümmert, um sich von einer Beziehung ohne sichtliche Fluchtmöglichkeiten gefangen nehmen zu lassen. Das verstanden sie alle und dieser Umstand machte Jakes Auszug weniger schmerzlich als er unter anderen Umständen vielleicht gewesen wäre.

»Ich meine, ich könnte jederzeit gehen«, sagte Jake einmal mehr verunsichert. »Es ist ja auch nicht so, als könnte ich nicht eben meinen Kram wegbringen und wiederkommen oder so.«

»Du kannst jederzeit kommen und gehen, wie es dir gefällt«, sagte Chet. »Der Schlüssel, den ich dir gegeben habe, ist deiner.«

Jakes Überraschung wurde von zärtlicher Zuneigung abgelöst – ein ganz besonderer Ausdruck, den er oft auf Chet richtete. Sie arbeiteten immer noch an den Rahmenbedingungen ihrer persönlichen Beziehung, aber jedes Mal, wenn Jake Chet so ansah – und Chet Jake andersherum genauso –, wusste Cris, dass es nicht mehr lange dauern würde, bevor sie den nächsten Schritt gehen und ihre sexuelle Beziehung vertiefen würden.

»Danke«, sagte Jake. »Ich werde vermutlich dennoch vorher anrufen oder euch schreiben, um sicherzustellen, dass jemand zu Hause ist, aber danke.«

»Es ist mir ein Vergnügen.« Chets Augenbrauen zogen sich zusammen und er sah Cris stirnrunzelnd an. »Kehrst du auch in deine Wohnung zurück?«

Cris sackte der Magen in die Kniekehlen. Er war am selben Tag wie Jake eingezogen und mit demselben Ziel: dafür zu sorgen, dass es Jake besser ging. Und das hatte er geschafft. Außerdem hatte er sich in Chet verliebt und er liebte es sehr, bei ihm zu leben. Bei ihm zu schlafen. Gemeinsam zu essen, fernzusehen und mit ihm Popcorn zu teilen. So sehr er früher sein Dasein als Einzelgänger geliebt hatte… Cris wollte seine leere Wohnung nicht länger.

»Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht«, sagte Cris. »Wir haben uns alle so auf Jake konzentriert.«

Jake drückte sein Handgelenk. »Bitte glaub nicht, dass du gehen musst, weil ich es tue. Ich meine, es sei denn, Chet will sein Haus zurück. Aber ich werde nicht sauer oder eifersüchtig sein, wenn du bleibst, ich schwöre es.«

»Bist du dir sicher? Ich denke, es würde sich merkwürdig anfühlen, wenn du nicht dabei bist, aber…« Er warf Chet einen Blick zu, dem seine Gefühle an den Augen abzulesen waren. »Ich liebe es, hier zu sein. Du und Dell seid für mich Familie.«

»Ich empfinde das ebenso«, sagte Chet mit einem deutlichen Kratzen in der Stimme. »Was dich angeht, Cristian, und auch dich, Jake. Ihr gehört jetzt beide zur Familie.«

Angst schoss durch Cris' Rückgrat. Dies war ein riesiger Schritt. Einer, an den er vor einigen Wochen nicht einmal zu denken gewagt hatte, als sie als zeitlich begrenzte Lösung zusammengezogen waren. Aber er brachte es nicht über sich, es zuerst auszusprechen. »Was genau meinst du, wenn du von Familie sprichst?«

Chet lächelte. »Dass ich mir wünschen würde, dass du hier einziehst, wenn du möchtest. Auf Dauer. Lös deinen Mietvertrag auf. Sei hier zu Hause. Wenn Kosten aufkommen, übernehme ich sie gern. Ich möchte dich hier haben, Cristian, wenn dies der Ort ist, an dem du sein willst.«

»Ist es. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu leben.«

Cris sah Chets heftige Umarmung nicht kommen und sie warf ihn beinahe um. Er klammerte sich an Chet fest und lachte mit ihm gemeinsam über den riesigen Schritt, den er in seinem Privatleben nahm. Er hatte nie zuvor mit einem Partner zusammengelebt, nicht einmal mit Lily, also würde dies auf eine interessante Erfahrung hinauslaufen. Aber er wollte es mehr als er jemals zuvor etwas in seinem Leben gewollt hatte.

Tief in seinem Innern fürchtete er sich jedoch auch. Dort hatte er die dunklen Seiten seiner Vergangenheit vergraben. Dass er zusammen mit seiner verstorbenen Schwester Grace aus Long Island geflohen war. Dass er sich einigen Schönheitsoperationen unterzogen und seinen Namen geändert hatte, um sicherzustellen, dass man ihn nicht finden konnte. Er würde sterben, wenn seine Vergangenheit ihn einholte und Chet oder Jake wehtat.

Chet küsste Cris innig – eine feste Berührung mit Lippen und Zunge –, bevor er einen Schritt zurücktrat. Seine Wangen waren gerötet, seine hellen Augen glänzten. »Du hast mich heute so unglaublich glücklich gemacht, du hast ja keine Ahnung.«

»Ich bin auch glücklich«, antwortete Cris. »Nervös, aber glücklich.«

»Warum nervös?«

»Ich habe mit niemandem mehr zusammengelebt, seitdem ich achtzehn war. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für einen einsamen Wolf.«

»Vertrau mir, ich verstehe dich. Ich hatte sehr lange allein gelebt, bevor Dell eingezogen ist. Ich musste mich etwas umstellen und jetzt kann ich mir mein Leben nicht mehr ohne ihn vorstellen. Dasselbe gilt für dich und – sobald er bereit ist zurückzukommen – auch für Jake.«

Jake hatte sich ein wenig von ihnen gelöst. Vermutlich wollte er ihnen etwas Raum lassen, damit sie ihren Moment genießen konnten, aber er war zu weit weg. Cris legte ihm einen Arm um die Taille und zog ihn näher. Er brauchte ihn bei sich. »Wir werden dafür sorgen, dass es funktioniert. Alle drei.«

»Natürlich werden wir das«, sagte Chet. »Wir haben gar keine andere Wahl, als es zum Laufen zu bringen.«

»Bei euch beiden klingt das so leicht«, sagte Jake.

»Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass es leicht sein wird, Schatz. Keine Beziehung ist leicht. Vermutlich wird es Unstimmigkeiten geben, vielleicht sogar Streit. Aber ich denke, das Endergebnis wird zwischenzeitlichen Kummer wert sein. Und wir waren uns alle einig, dass unsere beste Verteidigung gegen Zerwürfnisse die Kommunikation ist. Zwischen uns allen dreien.« Chet nagelte Cris mit einem ernsten Blick fest. »Keine Geheimnisse mehr.«

Cris' Magen verkrampfte sich. Er wusste, dass Chet nicht auf seine Vergangenheit anspielte. Chet bezog sich auf das Geheimnis um seine Niere. Vor Monaten hatten Dells Nieren versagt. Da Cris dieselbe seltene Blutgruppe hatte wie er, hatte er anonym eine Niere gespendet, um Dells Leben zu retten. Er hatte niemandem davon erzählt außer Taro und dann war Jake durch einen Zufall über die Angelegenheit gestolpert. Als Chet vor einigen Wochen von dem Geheimnis erfahren hatte, war er sehr verletzt gewesen. Nicht wegen der Spende, sondern weil Cris zum Anfang ihrer Beziehung nicht ehrlich zu ihm gewesen war.

Er wollte keine Geheimnisse mehr haben, aber selbst Taro kannte nicht die ganze Wahrheit über Cris' Vergangenheit – und zwar nicht, weil er Taro nicht vertraute. Das tat er. Nein, Cris' Vergangenheit lag hinter ihm und er hatte die Tür dazu schon vor langer Zeit vernagelt.

»Keine Geheimnisse mehr«, log er. »Versprochen.«

Sound of Us

Подняться наверх