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Kunst
ОглавлениеDer Ausgangspunkt des Bewusstseinsrades ist der Bereich der Kunst. Diese gehört in der menschlichen Entwicklung zu den ersten Bewusstseinsäußerungen. Die Kunst mag sich vielleicht zuerst beim Erlernen der Sprache im Spiel mit den Lauten ausdrücken, greift dann aber noch ungelenk das Spiel mit Farben und Linien und die Anordnung von Formen auf. Die Kunst zählt zu den ältesten kulturellen Errungenschaften der Menschheit, etwa in Form der Höhlenmalereien von Lascaux, der Petroglyphen der australischen Aborigines oder der Venus von Willendorf. Und nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang auch die Lautmalerei mit ersten primitiven Klangkörpern, der eigenen Stimme und die rhythmischen Bewegungen dazu, den Tanz. Zwar kann man auch den Einsatz von Steinkeilen als kulturelle Errungenschaft würdigen, aber auch höher entwickelte Tiere kennen schon den Einsatz von Werkzeugen; was sie nicht kennen, ist die bewusste Schöpfung von Kunstwerken.
Ursprüngliche Kunst hatte anfangs einen sehr spontanen Charakter und diente als Gebrauchskunst der Verzierung von Personen, Alltagsgegenständen und der Lebensumgebung, aber zunehmend, insbesondere beim Tanz, auch der Darbringung an das Göttliche, da sie möglicherweise auch als Gabe Gottes betrachtet wurde. Von der ornamentalen Kunst abgesehen, war der Gegenstand der künstlerischen Darstellung im Wesentlichen das Leben der damaligen Menschen und das, was sie darin bewegt hat.
Aber was ist Kunst eigentlich? Das ist eine Frage, die auch die Gerichte beschäftigt, wenn sie sich mit der Reichweite der künstlerischen Freiheit versus Politik, Gesellschaft, Moral oder Kommerz auseinandersetzen müssen. Wenn man die Definition sehr weitläufig halten möchte, könnte man sagen, dass Kunst der kreative Umgang mit den Dingen des Lebens ist. In diese Definition wäre dann beispielsweise auch der Lebenskünstler eingeschlossen, der mit den Umständen des Lebens jongliert und versucht, sie zum Besten zu verwenden, statt sie schicksalsergeben hinzunehmen.
Man könnte zur Kunst auch all jene Ausdrucksweisen zählen, die es uns erlauben, der objektiven Welt noch eine subjektive hinzuzufügen, indem man durch Darstellungsmethoden der verschiedensten Art, also etwa Wort, Bild, Ton und Bewegung, versucht, die individuelle, subjektive Wahrnehmung so aufzubereiten, dass sie für andere wahrnehmbar werden kann, was freilich eine gewisse Empfänglichkeit beim Wahrnehmenden voraussetzt und eine identische Interpretation der Darstellungselemente. Wer schon einmal auf einer Vernissage gewesen ist und gehört hat, was der Redner alles in die vorgestellten Kunstwerke hineinlegt, der weiß, wie schwierig bis unmöglich es ist, Subjektives objektiv wiederzugeben und wahrzunehmen, denn schon die Wahrnehmung von Kunst ist ein schöpferischer Akt – das Kunstwerk entsteht also sozusagen in uns noch ein zweites Mal.
Aus dieser Überlegung kann man noch eine weitere, einfache Definition der Kunst ableiten: die Anwendung und Pflege schöpferischer Kraft in der Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Umwelt. Und nichts anderes haben die urzeitlichen ersten Künstler getan, und nichts anderes machen auch Kinder, wenn sie beginnen, ihre Eindrücke zu sortieren und ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu trainieren. Und die unmittelbare Wahrnehmung eines Menschen gilt nicht den sozialen Errungenschaften, mit denen er sich umgibt, sondern seinem äußerlichen Mensch-sein und dem innerlichen Eindruck, den er auf uns macht.