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Die Sache stinkt zum Himmel!

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Ich trat kräftig in die Pedale und nahm eine Abkürzung durch Herrn Müllers Garten. Mein Papa behauptete, er sei unser liebster Nachbar. Obwohl wir ihn so gut wie nie zu Gesicht bekamen. Weil Herr Müller nachts als Wachmann in der Papierfabrik arbeitete und tagsüber immer schlief. Vielleicht war Herr Müller auch gerade deshalb Papas liebster Nachbar. Ehrlich gesagt wusste ich nicht einmal, wie er aussah.

Wie auch immer, sein Rasen musste jedenfalls dringend mal wieder gemäht werden.


Auf dem Weg durch die Kirchengasse überholte ich einen kahlköpfigen Mann, der rückwärtslief und dabei laut vor sich hin zählte. Und als ich die Straße zum Schulgebäude überquerte, hätte ich beinahe eine Frau angefahren, die sich händeklatschend im Kreis drehte.

Wortwörtlich AB-GE-DREHT! Und irgendwie spooky.

Zum Glück entdeckte ich unter der großen Eiche meine Freunde. Sie war seit Jahren unser Treffpunkt, an dem wir uns immer vor dem Unterricht über die neuesten Ereignisse der Stadt austauschten und geheime Angelegenheiten besprachen.

»Elli, Basti!«, rief ich vom Fahrradstellplatz rüber und eilte schnell zu den beiden. Ich zog mir den Helm aus und klemmte ihn am Ranzengurt fest.

»Ihr glaubt mir nie, was heute Morgen bei uns zu Hause los war«, erzählte ich schnaufend. »Ich glaube, meine Eltern sind zu Golems geworden.«

»Ach! Deine etwa auch?« Elli runzelte fragend ihre Sommersprossenstirn. Sie stellte den Schulranzen auf der Wiese ab und zog ihre neongrüne Brotdose heraus. »DAS hat mir mein Papa heute Morgen eingepackt.«

Ploppend sprang der Deckel auf. Kurz darauf müffelte es überall nach Gammelkäse.


Ich trat einen Schritt näher und blickte auf einen schlaffen Hausschuh.

»Örgs, ist das eklig!« Basti hielt sich die Nase zu. »Schnell, mach den Deckel wieder drauf. Mir wird ganz übel.«

Auch ich verzog angewidert das Gesicht. »Gehört der etwa deinem Vater?«

»Noch schlimmer«, sagte Elli, während sie den Stinkepantoffel zurück in die Box quetschte. »Der ist von meinem Opa. Und er trägt nie Socken.«

»Deine Eltern sind also auch verrückt geworden«, stellte ich grübelnd fest. Ich schaute zu Basti. »Wie sieht’s bei dir aus?«

Er zuckte mit den Schultern. »Hmm, keine Ahnung. Meine Eltern waren eigentlich so wie immer.«

Ich schnaufte nachdenklich. Denn die Sache mit Bastis Eltern war die, dass sie sich andauernd irgendwie seltsam benahmen. Einmal wurden sie von der Polizei eingesammelt, weil sie sich nackt an einen Baum gekettet hatten. Sie wollten dadurch den Bau des neuen Einkaufszentrums verhindern. Meine Mama hatte mir damals erklärt, Bastis Eltern seien Umweltaktivisten. Was das aber genau war oder warum sie dabei nackt sein mussten, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Weil aber Basti meistens bei mir übernachten durfte, wenn seine Eltern gerade die Umwelt aktivierten, unterstützte ich ihre Absichten natürlich gerne.

Ich heftete meinen Blick auf Bastis Ranzen. »Zeig mal deine Brotdose!« Woraufhin mein Freund genervt schnaubte: »Wenn’s unbedingt sein muss.«

Er wühlte eine ganze Weile im Chaos seiner Hefte. Dann holte er ein Stück Seife und eine Thermoskanne hervor. »Was soll das denn bitte schön sein?« Basti blinzelte irritiert, schraubte die Kanne auf und schnupperte mit gerümpfter Nase daran. »Kaffee? Okaaaay! DAS ist selbst für meine Eltern etwas zu schräg.«

Elli, Basti und ich schnappten gleichzeitig nach Luft.

»ACH DU HEILIGER BAMBUS«, riefen wir im Chor. Es gab keinen Zweifel mehr daran: Unsere Eltern waren allesamt übergeschnappt.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Elli besorgt. »Wenn jemand davon erfährt, dass unsere Eltern nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, dann landen die in der Klinik. Und wir im Kinderheim.«

»So weit wird es nicht kommen«, sagte ich, während ich Bastis Kram einsammelte und zurück in seinen Ranzen stopfte. »Wir werden der Sache auf den Grund gehen. Nach der Mathestunde treffen wir uns wieder hier.«

Ich schaute meine Freunde ernst an und senkte die Stimme, damit mich niemand hörte. »Vorher verliert ihr kein Wort darüber. Zu niemandem! Abgemacht?«

Elli und Basti wippten mit den Köpfen. »Abgemacht!«

Voll relativ! Der Tag, an dem die Zeit verschwand

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