Читать книгу Die toten Städte - Andé Gerard - Страница 13

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„Die Raubvögel kreisen schon über uns und warten auf die nächstbeste Gelegenheit, sich ihre Beute zu greifen“. Anduri Helessad sagte dies in seiner gewohnt ruhigen Tonart. „Wir müssen jetzt weise und besonnen handeln, sonst kann uns alles wieder entrissen werden.“

„Es ist eine wirklich beschissene Lage“, sagte Khamir, der sich weitaus weniger beherrscht zeigte. „Es gibt keine richtige Entscheidung, nur die Wahl zwischen Strick und Henkersbeil. Da können wir noch so weise oder besonnen handeln.“ Er lehnte mit dem Rücken an der Wand der Schreibstube und fixierte Kerim und Anduri mit ernstem Blick. „Verweigern wir den Tenarsons die Heirat, haben wir sie zu Gegnern, und noch dazu irgendeine andere Familie, die sich weniger ziert, eine Verbindung mit diesen mächtigen Kaufleuten einzugehen. Nehmen wir das Angebot an, könnte der Vertrag mit den Kjelbings platzen. Und der Patriarch wird sich auch nicht erfreut zeigen, sich zukünftig mit uns Emporkömmlingen abzugeben. Wenn wir es schaffen sollten, Kerim zur Absicherung mit einer Kjelbing-Tochter zu vermählen, kommen wir früher oder später trotzdem zwischen die Fronten einer Familienfehde. Und wir werden dabei als erste zerrieben.“

„Es hilft alles nichts“, sagte Anduri, „Wie die Entscheidung auch ausfällt, wir müssen sie jetzt treffen. Wir haben alle Ausreden aufgebraucht, mit der wir die Antwort noch hinauszögern könnten. Ich denke, es läuft darauf hinaus, jetzt entweder zwei Ehen zu schließen oder gar keine. Beides ist mit schwer abzuschätzenden Gefahren verbunden. Wir müssen auch bedenken, das sich Gerüchte schnell verbreiten könne in dieser Stadt. Den Beweis dafür haben wir ja auf der Feier gesehen.“

Kerim hatte sich bis jetzt mit Bemerkungen zurückgehalten. Doch er musste einsehen, dass er nun seine Geschichte nicht mehr länger für sich behalten konnte. „Es gibt das noch eine andere Möglichkeit“, meldete er sich nun zu Wort. Bruder und Onkel sahen ihn sowohl erwartungsvoll als auch verblüfft an. Kerim war dabei recht unwohl zumute. Seine Familienmitglieder erwarteten wohl so etwas wie eine rettende Idee, die noch niemand bedacht hatte. Er würde sie wohl enttäuschen müssen.. „Ihr habt vielleicht bemerkt, dass Seára Khadris auf der Feier mit mir ein Gespräch führte.“ Anduri nickte leicht, während Khamir die Stirn in Falten legte. Kerim fuhr fort: „Kurz und gut: Sie hat mir die Hand ihrer Tochter Kenola angeboten, wenn ich sie aufspüre und wieder nach Pavat zurückbringe. Kenola ist anscheinend über das Meer nach Westen gesegelt, in irgendeiner Angelegenheit, von der Seára keine Kenntnis hat. Jedenfalls glaubt sie, dass man ihre Tochter zur Vernunft bringen muss, um die Familie zu retten.“ Kerim unterbrach sich räuspernd. Khamir nutzte die Pause sofort: „Und das erzählst du uns erst jetzt? Warum hat sich die alte Khadris überhaupt an dich gewandt?“ Kerim hatte diesen Augenblick gefürchtet. Sein Onkel antwortete für ihn: „Du warst mit der Tochter gut bekannt, nicht wahr? Ihr wart oft zusammen, öfter als es die Leute wissen sollten, wenn du mir diese Bemerkung gestattest.“ Er sagte dies in seinem gewohnt ruhigen Ton. Gerade diese Art war Kerim jedoch jetzt äußerst unangenehm. Nach kurzem Schweigen erwiderte Er: „Du hast schon immer eine gute Beobachtungsgabe besessen. Ich hätte wissen müssen, dass man vor dir nur wenig geheim halten kann.

Khamir schien, genau wie Anduri, weniger aufgeregt, als Kerim vermutet hatte. „Die Khadris’, sagte er in einem sinnierenden Tonfall. „Die sind doch auf dem absteigenden Ast, und zwar schon seit langem. Früher hatten die mal Geld und Ansehen, gehörten zu wichtigsten Familien. Heute macht jeder einen Bogen um die alte Hexe mit ihrem schwachsinnigen Sohn, ihrem bettlägerigen Mann und der widerspenstigen Tochter. Obwohl deren Entscheidung, ihrer Familie den Rücken zu kehren, vielleicht nicht die schlechteste war. Die ist wohl die einzige aus dem Stall, die noch zu etwas fähig ist.“ Kerim war irritiert über die rohe Ausdrucksweise seines Bruders. Diesen Charakterzug hatte er an ihm bisher noch nie so deutlich wahrgenommen.

Anduri ergriff jetzt wieder das Wort. „Soweit ich weiß, sind tatsächlich viele ihrer alten Handelsverbindungen abgerissen. Es heißt sogar, dass Seára die meisten ihrer Diener hat entlassen müssen. Manchmal geschieht es, dass alte Familien von einer Generation auf die andere zugrunde gehen. So etwas kann schneller passieren, als man denken möchte.

„Aber was meint ihr denn nun zu dem Angebot?“ fragte Kerim, der nicht wusste, was ihm mehr zu schaffen machte: die Aufdeckung seines Geheimnisses oder die Gleichgültigkeit, die seine Verwandten dem entgegenbrachten.

„Vergiss es!“ sagte Khamir ohne groß nachzugrübeln. „Damit wäre nichts gewonnen. In der Kjelbing-Tenarson-Geschichte bringt uns das kein Stück weiter. Im Gegenteil. Wir binden uns nur zusätzliche Schwierigkeiten ans Bein.“ Kerim hatte den vagen Eindruck, dass dies nicht die wirkliche Meinung seines Bruders war.

Anduri brauchte etwas länger für seine Antwort. „Ich fürchte, bis zu einem gewissen Punkt muss ich Khamir beipflichten. Allerdings sollte man Seára Khadris auch nicht unterschätzen. Angenommen, eine Heirat zwischen dir und Kenola käme zustande, hätten wir eine ganz andere Machtverteilung hier in der Stadt. Das Ansehen der Khadris ist noch nicht so angeschlagen, wie Khamir denkt. Traditionen spielen dabei eine große Rolle. Es wäre eine Möglichkeit, Einfluss auf den Patriarchen auszuüben. Vielleicht wären uns die Tenarsons dann weniger gefährlich, als wenn wir allein daständen.“

„Wir sollen also die Heirat Shezas mit Garred absagen und dafür die Geschäfte der Tenarsons übernehmen?“ fragte Kerim.

„Das halte ich für äußerst gewagt!“ sagte Khamir.

„Nicht ganz so gewagt wie der Versuch, einen Urdländer in ein paar Monaten auf gut Glück um die Hand einer seiner Töchter zu bitten“, entgegnete Anduri.

Khamir war noch nicht überzeugt. „Die alte Khadris-Hexe ist ziemlich gerissen. Die wird schon wissen, wie sie uns klein hält. Wir brauchen nicht damit rechnen, dass sie so leicht ihre Macht an einen Haufen Emporkömmlinge abgibt. Sie verfolgt mit Sicherheit irgendeinen Plan, von dem wir nichts wissen.“

„Eben noch meintest du, die Familie wäre auf dem absteigenden Ast.“ sagte Kerim.

„Dann teile du uns doch einmal deine Einschätzung mit. Bisher hast du dich um eine Stellungnahme herumgedrückt, obwohl du der Betroffene bist.“

Kerim war nun seinerseits recht wütend auf seinen Bruder. Er hatte sich die Zeit seiner Rückkehr weniger anstrengend vorgestellt. Den Druck, den seine Angehörigen auf ihn ausübten, nahm er ihnen übel, obwohl er ihre Beweggründe verstand und in gewisser Weise auch guthieß. Vielleicht richtete sich sein Zorn weniger auf Khamir, sondern vielmehr auf die Sachzwänge, an die er Kerim immer wieder erinnerte und an denen man nichts ändern konnte. Wenn er sein Leben in die eigene Hand nehmen wollte, musste er jetzt eine Entscheidung treffen. Doch hatte er das Gefühl, dass er, wie immer er auch entscheiden würde, bloß dem Willen eines Anderen nachgeben würde. Entweder würde er wieder im Schatten seines Bruders stehen, oder er würde zum Laufburschen der alten Seára werden. Er wünschte, er könnte einen anderen Weg finden, der ihm seine Freiheit ließ. Doch ihm kam leider kein brauchbarer Einfall.

„Ich gebe Anduri recht, dass die Sache mit den Kjelbings auf ziemlich wackeligen Füßen steht. Im Gegensatz zu euch kenne ich diese Leute. Wenn wir jetzt Garreds Heiratsantrag zustimmen und unser Plan mit später scheitert, waren alle Bemühungen der letzten Jahre umsonst. Es ist sicherer, das Angebot der Tenarsons auszuschlagen. Obwohl ich Seára Khadris auch nicht traue. Wir wissen viel zu wenig über die ganze Geschichte mit Kenola. Wer weiß, wo wir da hineingezogen werden.“

„Du hast mit ihrer Mutter gesprochen. Du hattest die Gelegenheit, mehr zu erfahren“, sagte Khamir.

„Das glaube ich nicht“, sagte Kerim in einem schärferen Ton als beabsichtigt. „Alles was sie mir sagen wollte, hat sie mir gesagt. Sie erwähnte einen Händler namens Farul Jarneka, der in der Lehmstadt sein Geschäft haben soll und mit dem Kenola irgendwie zusammenarbeitet.“

„Farul Jarneka? Der Name kommt mir bekannt vor“, sagte Anduri. „In irgendeinem Zusammenhang habe ich den schon einmal gehört. Ich glaube, ich weiß sogar ungefähr, wo sein Laden ist.“

„Seára erwähnte nur noch, dass er mit irgendwelchen Giften und Arzneien handelt. Ach ja, und mit alten Schriften“, sagte Kerim. „Wir müssen einfach mehr darüber wissen, müssen Erkundigungen einziehen.“

„Dafür fehlt uns die Zeit“, sagte Khamir ungeduldig. „Wir können die Tenarsons nicht länger hinhalten Sie erwarten jetzt eine Antwort, egal wie sie ausfallen wird.“

„Können wir nicht erst einmal zusagen, um Zeit zu gewinnen, und dann später eine Vorwand finden, die Verlobung zu lösen?“ fragte Kerim

Khamir schnaufte verächtlich. „Wie stellst du dir das vor? Ein Versprechen ist ein Versprechen, und wenn wir es brechen, wäre das eine unentschuldbare Beleidigung. Wenn wir das Risiko nicht eingehen wollen, müssen wir den Antrag eben ablehnen. Diese Entscheidung wäre dann aber auch endgültig. Wenn wir später wieder angekrochen kämen und doch um eine Heirat Shezas mit Garred bitten würden, wäre das eine genauso große Beleidigung. Mehr noch, wir würden unser Gesicht verlieren. Und Folgendes möchte ich noch zu bedenken geben: Sheza ist im heiratsfähigen Alter. Irgendjemandem muss sie versprochen werden, und die Khadris haben keinen geeigneten Mann.

„Lass das mal meine Sorge sein“, unterbrach ihn Anduri. „Noch bin ich das Oberhaupt der Familie. Mir wird schon eine Lösung einfallen. Ich bin dafür, den Tenarsons unter einem Vorwand abzusagen, damit sie ihr Gesicht wahren können und die Angelegenheit ohne böses Blut geregelt wird. Den Vertrag mit den Kjelbings haben wir sicher. Um das seltsame Anliegen der Khadris-Familie sollten wir uns als nächstes kümmern. Immerhin ist Shezas älterer Bruder auch noch nicht verheiratet“, sagte er mit einem Blick auf Kerim. „Wenn sich die Sache klären lässt und Seáras Angebot ernst gemeint ist, sollten wir einschlagen. Vielleicht können wir den ursprünglichen Plan dahingehend ändern, dass statt des Sohnes die Tochter Teil der Familie Kjelbing wird. Ich muss aber auch zugeben, dass mir die Sache ebenfalls nicht so ganz geheuer ist. Ich wünschte auch, wir hätten mehr Zeit, aber die haben wir nicht.“

„Dann gehen wir also auf die Suche nach der verlorenen Tochter, wie in einem blöden Märchen“, sagte Khamir resignierend.

„Nicht wir, ich“, entgegnete Kerim mit einem leicht spöttischen Unterton. „Die alte Frau hat sich ausdrücklich nur an mich gewandt.“

Kerim hatte sich von Anduri beschreiben lassen, in welcher Gegend der Laden des Farul Jarneka ungefähr befinden sollte. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, zunächst einmal auf eigene Faust Erkundigungen einzuziehen. Es war ihm ganz recht, dass seine Verwandten die politische Arbeit übernahmen. Es musste sich eingestehen, dass er bei dieser ungewöhnlichen Beschäftigung weit weniger Widerwillen empfand, als er eigentlich sollte. Die, wie es Khamir angedeutet hatte, kindische Suche hatte Kerim aus seiner dunklen Stimmung gerissen und mit neuer Tatkraft erfüllt. Vielleicht war es der Reiz des Verbotenen, der dabei mitschwang, wenn er einer Tätigkeit nachging, die sich für einen Kaufmann nicht ziemte.

Die Straße, die Anduri ihm genannt hatte, lag nicht einmal so weit entfernt von der Gegend, in der er sich in der Sturmnacht herumgetrieben hatte. Die Straße führte ebenfalls vom Bazar fort, verlief jedoch weiter südlich. Kerim hatte beschlossen, zunächst einmal tagsüber da Geschäft aufzusuchen und sich als gewöhnlicher Kunde auszugeben. Selbst wenn der Händler ihn kennen sollte, dürfte er kaum etwas über das Gespräch mit Seára wissen, und selbst wenn: Was könnte er ihm jetzt schon anhaben?

Als er die Straße ein Stück weit hinuntergegangen war, verzweigte sich diese schon bald, sodass er eine Weile unschlüssig an der Gabelung stand und sich umsah. Weiter im Süden war ein kleiner Platz und offenbar eine weitere Gabelung, während die Straße zur linken neben dem Basar herlief. Es befanden sich mehrere Geschäfte und auch Schenken und Teehäuser in der Nähe, und die Straße war demzufolge recht belebt. Plötzlich hörte er von der Seite den Ruf „Kerim!“, worauf er sich verblüfft und etwas gehetzt umwandte. Während er dies tat, schoss ihm schon der Gedanke durch den Kopf, dass ein Namensvetter gemeint sein müsste, weil er hier keine Bekannten hatte. Doch die Stimme weckte eine Erinnerung, die er noch nicht einordnen konnte. Dann sah er einen Mann direkt auf ihn zukommen, den er für den Bruchteil eines Lidschlags für einen Bettler hielt, bevor er die hellen Haare und die fremdartige Kleidung zuordnen konnte.

„Gereth!“ Das ist einmal eine freudige Überraschung"

„Freut mich auch, dich wiederzusehen, kleiner Mann“, sagte der Seefahrer. „Du siehst gut aus.“

Kerim wünschte, er könnte ehrlich dasselbe über seinen ehemaligen Reisegefährten sagen. Doch dieser sah ziemlich verwahrlost aus. Seine Kleidung war noch abgerissener als zuvor, und Kerim war sich sicher, dass unter all den üblen Gerüchen hier auf der Straße sein Gegenüber einer der Ursprünge war. Doch am schlimmsten sah das Gesicht des Seemanns aus. Sein Lächeln war schadhaft, und mehrere Blutergüsse, verschieden alt, verunzierten seine Haut, die alles andere als sauber war.

„Danke“, sagte Kerim, „Und wie ist es Dir ergangen?“

„Ach“, lächelte der Seemann verschmitzt, so gut es seine übrig geblieben Zähne zuließen, „man schlägt sich so durch, im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt gute und schlechte Tage, und von den letzteren habe ich inzwischen genug erlebt.“

Kerim wusste nicht, wie er die Bemerkung aufnehmen sollte. „Du wirst Dich schon noch eingewöhnen", sagte er, um überhaupt etwas zu entgegnen, doch klangen die Worte für ihn im nachhinein ziemlich unangebracht. Gereth hatte ihn auf elurnisch angesprochen, und Kerim wunderte sich, wie flüssig er Urdländer die Sprache schon beherrschte

„Hast Du nicht Zeit, um uns ein Weilchen in einer Schenke zusammenzusetzen?“ fragte Gereth. „Etwas trinken und plaudern?“

Kerim setzte schon zu einer Entschuldigung an, um sich dann plötzlich zu besinnen. Eigentlich kam ihm der Gedanke gar nicht so unangenehm vor. Außerdem wollte er erfahren, was dem Seemann zugestoßen war. „Gern“, antwortete er, „Wollen wir uns gleich hier einen Platz suchen?“ In der Nähe befand sich ein kleines, billig aussehendes Teehaus, vor dessen düsterem Eingang einige Stühle aufgestellt waren. Gereth willigte ein, und so betraten sie den Innenraum, denn trotz der noch frühen Tageszeit waren die Pätze im Freien schon belegt von einigen Männern, die sich unterhielten oder einfach träge die vorbeiziehende Menge betrachteten.

Der Schankraum befand sich etwas unterhalb der Straßenebene, weshalb die Gäste einige Stufen hinabsteigen mussten. Es war dort zwar recht kühl, doch wegen der abgestandenen Luft dennoch nicht besonders angenehm. Von draußen fiel nur wenig Licht herein. Mehrere Tische waren frei, so dass sie am erstbesten Platz nahmen.

Als sie ihre Teebecher vor sich stehen hatten, fragte Kerim: „Nun erzähl mal, wie du dir die Zeit in Pavat vertreibst.“

„Wie ich es dir schon sagte: Meine Heuer durchbringen und dann weitersehen. Leider fließt das Geld schneller aus meinem Geldbeutel als ich dachte. Hier werden ja keine vernünftigen Glücksspiele gespielt. Nur dieses verrückte Sigeca. Kaum begreift man die eine Regel, kommen sie schon mit einer neuen. Auf wie viele Arten kann man das eigentlich spielen?“

„Das sind so viele, dass ich es auch nicht sagen kann. Sei lieber vorsichtig, das ist hier eine regelrechte Kunst.“

„Das habe ich gemerkt. Manchmal habe ich das Gefühl, die erfinden das alles nur, um den dummen Mann aus dem Norden auszunehmen. Und wenn der seltene Fall eintritt, dass sich doch mal Glück habe, werden sie gleich ungemütlich.“

„Hast du daher deine bunten Andenken im Gesicht?“

„Das kannst du annehmen. Leute wie ich sind hier unten wohl nicht besonders beliebt. Da halte ich mich lieber an den Anhang der Tenarsons. Deren Leute haben ihre bevorzugte Schenke, wo man ab und zu auch mal ein anständiges Würfelspiel spielen kann, ohne irgendwelche kleinen Bildchen auf den Würfeln. Dummerweise habe ich inzwischen nicht mehr viel Geld in der Tasche, jetzt, wo ich endlich Leute aus der Heimat gefunden habe. Ich hatte sogar schon versucht, wieder anzuheuern, aber entweder können sie mich nicht gebrauchen oder nicht leiden. Käpt’n Yandrol habe ich schon gefragt, aber der läuft zurzeit nicht aus.“

„Und was machst du jetzt?“ fragte Kerim, während Gereth geräuschvoll den süßen Tee schlürfte.

„Schlage mich im Hafen als Träger oder Laufbursche durch“, antwortete der Seemann, als er die Tasse wieder absetzte. „Das reicht aber kaum zum Leben. Neulich wollte mich doch allen ernstes so einer mit Muscheln bezahlen. Stinkende Muscheln! Ist das zu glauben? Es waren sogar nur Muschelschalen, nicht mal ausschlürfen konnte man die noch! Ihr seid schon ein seltsames Völkchen, ihr Inselleute.“

Kerim schmunzelte. „Die Kahri-Muscheln sind eine verbreitete Währung auf den Inseln, weiter im Westen noch mehr als bei uns auf Elurna. Aber du kannst hier dein Essen auch damit zahlen. Also wirf sie bloß nicht weg, sofern Du sie überhaupt angenommen hast.“

„Hab’ ihm ordentlich Bescheid gestoßen und dann doch noch klingende Münze bekommen. Aber jetzt mal genug von mir. Was treibt dich in diesen Teil der Stadt?“

Kerim überlegte kurz, wie viel von der seltsamen Geschichte er Gereth anvertrauen sollte. Aber er sah keinen Grund, etwas zu verheimlichen. Er antwortete: „Ich will einen Händler namens Farul Jarneka aufsuchen. Weißt du vielleicht, wo er sein Geschäft hat?“

Gereth strich sich über seinen Stoppelbart. „Ja, ich glaube schon. Die große Straße weiter nach Süden bis zur Kreuzung. Es ist ein zweistöckiges Haus an der Ecke. Ist die Frage erlaubt, was du dort kaufen willst? Hast du Gelüste nach den besonderen Drogen?“

Wieder war Kerim überrascht, wie gut sich sein Gegenüber schon in der Stadt auskannte. Er antwortete: „Ehrlich gesagt will ich von ihm direkt gar nichts. Es geht mehr um eine Sache, mit der er vielleicht zu tun hat.“ Kerim dachte kurz darüber nach, ob er Gereth weiter einweihen sollte, entschied sich aber dagegen. Stattdessen sagte er: „Könntest du mir einen Gefallen tun? Könntest du dich in den Schenken der Stadt nach diesem Händler umhorchen? Ich meine, ganz unauffällig, nur was man sich so an Gerüchten über ihn erzählt.“

Gereth hob die Augenbrauen „Klingt ja geheimnisvoll.“

„Ich würde dich auch dafür bezahlen“, sagte Kerim. Statt dich als Packer am Hafen abzuplagen, könntest du genauso gut auch für mich arbeiten.“

„Du willst mich für eine Sauftour durch die Stadt bezahlen? Das klingt verlockend“, sagte Gereth grinsend.

„Ich selbst würde dabei zu sehr auffallen und mich wohl auch zu ungeschickt anstellen“, erklärte Kerim. „Aber du hast recht, ich finanziere deine Trinkgelage, und du ziehst dafür unauffällig Erkundigungen ein.“

Gereth betrachtete Kerim prüfend. „Das würde besser klappen, wenn ich wüsste, wonach ich fragen sollte. Hast du ein Hühnchen mit dem Kerl zu rupfen?“

Kerim stutzte für einen Augenblick, weil er die Frage nicht verstand. Dann ging ihm auf, dass es eine bildliche Redensart war. Er ahnte ungefähr, was sie bedeuten sollte. Er antwortete: „Wie ich schon sagte, er kann mir vielleicht in einer bestimmten Angelegenheit weiterhelfen. Fürs erste würde ich gern wissen, was für Geschäfte er treibt, zu wem er Handelsbeziehungen hat, und ob irgend etwas über seine Pläne bekannt ist.“

„Das sind aber ganz schön viele Fragen. Wie ich euch Krämersleute einschätze, haltet ihr doch immer den Deckel über euren Angelegenheiten. Aber ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Wann wollen wir uns denn wiedertreffen?“

Kerim lehnte sich zurück. „Das kommt natürlich darauf an, wie viel Zeit du brauchst. Ich schlage vor, du kommst tagsüber in unser Kontor, oder zu unserem Haus, wenn du am Hafen niemand vorfinden solltest. Weißt du, wo wir wohnen?“

„Nein, aber ich werd’s schon finden. Du hörst von mir.“ Gereth erhob sich von seinem Platz und blieb abwartend stehen. Kerim stand nun ebenfalls auf und griff nach seinem Geldbeutel. Er holte eine Handvoll Münzen hervor und gab sie Gereth. „Viel Spaß damit.“

„Darauf kannst du wetten“, sagte Gereth, als er die Münzen einsteckte. Vor der Tür verabschiedeten sie sich und gingen in unterschiedliche Richtungen davon. Kerim brauchte nicht lange, bis er das zweistöckige Haus an der Kreuzung gefunden hatte. Über dem dunklen Türeingang hing ein Schild mit dem Bild eines Kräuterblattes und eines kleinen Fläschchens. Kurz entschlossen trat er ein. Sofort schlug ihm ein Geruch entgegen, der recht eigentümlich war. Er schien sich aus den verschiedensten, schwer einzuordnenden Düften zusammenzusetzen, war aber alles in allem nicht unbedingt unangenehm. Er hatte etwas Morbides an sich, wie der Duft der getrockneten Kräuter, die auf Beerdigungen verbrannt wurden, um den Leichengeruch zu überdecken.

Als sich seine Augen an das Halbdunkel angepasst hatten, sah er einen Tresen, hinter dem sich ein Regal mit unzähligen kleinen Fächern befand, in denen Fläschchen unterschiedlicher Form und Größe standen. Ein mit einem Vorhang versehener Durchgang führte in einen hinteren Raum. Im vorderen Bereich standen mehrere Säcke und Fässer an den Wänden, bei denen es sich um die Quellen der seltsamen Gerüche handeln mochte. Zwischen Regal und Tresen stand ein recht verwegen aussehender Mann. Er hatte einen Vollbart und trug eine Augenklappe über den rechten Auge. Für einen Händler war sein Körperbau sehr muskulös. Er starrte regungslos auf Kerim. Zu seiner Rechten saß auf einer Stange auf einem Ständer ein riesiger Grudar-Vogel, der unter seinen faltigen Augenlidern einen heimtückischen Blick auf den neuen Kunden warf. Der ganze Anblick wirkte auf Kerim höchst merkwürdig. Er trat an den Tresen.

„Farul Jarneka“? fragte er.

„Nein“, antwortete der Verkäufer barsch.

„Ist er zu sprechen?“ fragte Kerim

„Nein“, kam es im selben Tonfall wie zuvor zurück. „Was wünschen Sie?“ fragte der Einäugige mit ausdruckslosem Gesicht, während sein Auge Kerim argwöhnisch fixierte.

Kerim war in Verlegenheit. Es würde bald zu verdächtig erscheinen, immer wieder nach dem Hausherrn zu fragen. Trotzdem unternahm er noch einen Versuch. „Ich würde Herrn Jarneka gern in einer geschäftlichen Angelegenheit sprechen. Ist er außer Haus? Kommt er bald zurück?“

„Um was geht es denn?“ konterte der Einäugige ausweichend. Kerim schoss plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass er überhaupt nicht wusste, wie der eigentliche Ladenbesitzer aussah. Er hatte von Anduri auch keine Beschreibung bekommen. Vielleicht hatte sein Gegenüber Kerims erste Frage nicht ehrlich beantwortet. Stand derjenige, den er suchte, vielleicht schon vor ihm? Es gäbe natürlich einige Möglichkeiten, das herauszufinden, wenn er den Laden verließ. Aber warum sollte Jarneka ihn belügen? Es sei denn, er hätte schon von Kerims Vereinbarung mit der alten Frau erfahren.

Mit einem Mal überkam Kerim ein Abscheu vor sich selbst. Er stand hier als Laufbursche einer grantigen alten Frau, die ihm irgendein Märchen erzählt hatte. Er hatte sich zu ihrem Hampelmann machen lassen. Das Beste wäre, auf dem Absatz kehrt zu machen und den Laden sofort zu verlassen. Aber irgendetwas hielt in zurück. Vielleicht war es Neugier, vielleicht Abenteuerlust, vielleicht auch nur Sturheit. Wie dem auch sei, er musste sich etwas überlegen. Er hatte schon zu lange gezögert. Schließlich sagte er: „Haben Sie irgendein Mittel gegen Kopfschmerzen? Ich werde schon seit Wochen davon geplagt. Die, äh, einheimischen Mittel helfen nicht. Haben Sie vielleicht etwas Ungewöhnliches, etwas aus dem Ausland?“ Damit hoffte er, dem Verkäufer Hinweise auf Jarnekas Quellen zu entlocken.

Der Verkäufer starrte ihn noch für einen Augenblick an und sagte dann: „Da gibt es schon etwas. Wie wollen sie es?“ Er sah Kerim fragend an, bis er dessen Stirnrunzeln bemerkte. Dann hakte er nach: „Als Trank, als Tee, als Pille? Als Pulver zum Schnupfen, zum Rauchen, zum Verdampfen und Einatmen, oder als Salbe?“

„Ich weiß nicht so recht“, antwortete Kerim. Was sind denn die jeweiligen Vorteile und Nachteile?“

„Wollen sie die Schmerzen heilen oder nur lindern? Wie viel wollen sie ausgeben? Je seltener, desto teurer.“

„Oh, Geld spielt keine Rolle“, sagte Kerim eifrig. Haben sie denn auch etwas aus Übersee? Vielleicht vom Festland? Wenn das wirksamer ist, probiere ich auch das.“

„Es gibt da etwas, was sie rauchen können. Es ist ein starkes Schmerzmittel. Es benebelt aber auch die Sinne.“

„Woher kommt das?“, fragte Kerim.

„Aus Ialontena. Die Einheimischen ernten es. Es ist daher sehr teuer. Eine Perle pro Maß. Oder vierzig Muscheln.“

„Das erscheint mir aber sehr teuer“, sagte Kerim. „Wie oft wird das denn geliefert? Ist Herr Jarneka der einzige Einkäufer?“ fragte er in einem möglichst beiläufigen Ton. Leider bleib diese Taktik erfolglos. Der Verkäufer zuckte wortlos und kaum merklich mit den Schultern und wurde dann wieder zum Standbild, das Kerim unverwandt anstarrte.

„Gibt es nicht doch noch etwas Günstigeres? fragte Kerim, der keineswegs bereit war, den genannten Preis nur zur Tarnung seines Fragespiels auszugeben.

„Dann gibt es noch einen Tee. Eine Mischung verschiedener Kräuter von den Gewürzinseln und von Shomago. Kostet nur eine Muschel pro Anwendung“, sagte der Verkäufer, von dem Kerim jetzt annahm, dass er seine Geschichte nicht einmal ansatzweise glaubte. Daher beschloss Kerim, sich erst einmal zurückzuziehen. Er sagte: „Gut, dann nehme ich davon erst einmal drei Anwendungen, nur um zu sehen, wie sie wirken. Wenn es hilft, kaufe ich vielleicht noch mehr.“

Der Verkäufer wandte sich wortlos um, verschwand hinter dem Vorhang der Tür und ließ Kerim mit dem Vogel zurück, der immer noch einen gleichsam wachsamen und hinterlistigen Blick auf den Kunden warf. Kerim wollte die Gelegenheit nutzen, sich einmal gründlich in diesem Teil des Ladens umzusehen. Er erkannte außer der Tür mit dem Vorhang keine weiteren Zugänge zu diesem Raum. Die Regale enthielten nur Fläschchen und kleine Beutel, und eine Truhe oder eine Schatulle, in der vielleicht Hinweise in seiner Sache zu entdecken wären, sah er ebenfalls nicht. Es standen sonst nur Fässer und Säcke herum, die mit Sicherheit nur die üblichen verkäuflichen Waren enthielten. Einzig der Tresen könnte auf der Rückseite noch Fächer enthalten, die es zu durchsuchen lohnte. Auf jeden Fall würde dort das Geld aufbewahrt. Kerim schlenderte wie zufällig an die Seite des Tresens, die nicht mit der Wand abschloss, sondern umgangen werden konnte, um zur Tür zu gelangen. Er beugte sich etwas vor, um einen Blick auf die Rückseite des Tresens werfen zu können. Gleichzeitig bemerkte er, wie der Vogel unruhig wurde und sich aufzuplustern begann. Kerim hatte den Eindruck, dass der Grudar gleich zu einem durchdringenden Schrei ansetzen würde und zog sich eilig, aber nicht zu hektisch vom Tresen zurück. Schon bewegte sich wieder der Vorhang. Kerim war überrascht über die Schnelligkeit des Verkäufers und hoffte, seine eigene Haltung würde nicht zuviel von seiner Anspannung verraten. Aber er war schließlich auch nur ein wenig im Laden herumspaziert, und dagegen dürfte niemand etwas einzuwenden haben.

Der Verkäufer warf Kerim einen kalten Blick zu, in dem jetzt noch mehr Feindseligkeit lag als zuvor. Der Einäugige verharrte wieder für einen Augenblick, wortlos starrend, als wollte er Kerim so einschüchtern, dass dieser freiwillig ein Geständnis ablegte. Endlich sagte der Verkäufer: „Die drei Mucheln, bitte“, während er einen kleinen Beutel über den Tresen schob. Kerim stellte sich recht ungeschickt an, als er seinen Geldbeutel hervornestelte, so das sich die Bezahlung noch weiter verzögerte, bis er schließlich mit seiner Neuerwerbung an nutzloser Arznei dem Laden entkam.

Er war sich ziemlich sicher, dass der Verkäufer irgendeinen Verdacht hegte. Vielleicht war es nur eine ungewisse Ahnung, doch hatte Kerim den Eindruck, dass der Einäugige etwas zu verbergen hatte. Ihm kam in den Sinn, dass sich vielleicht eine weitere Beobachtung des Hauses lohnen könnte. Er überlegte, ob es möglicherweise einen Hintereingang über eine Gasse geben könnte. Kurz entschlossen umrundete er die Ecke der Kreuzung, an der das Geschäft stand. Schon drei Häuser weiter mündete die Gasse auf eine weitere Straße, die ebenfalls zwischen Markt und Stadtrand verlief. Er schlug den Weg in Richtung Markt ein und sah schon hinter dem nächsten Haus eine kleine Seitengasse zur Linken. Wenn er sich nicht ganz täuschte, musste die Mauer am Ende der Gasse zu Jarnekas zweistöckigem Haus gehören. Er hatte also Glück gehabt. An der Rückseite befand sich sogar eine Tür aus Holz, die geschlossen war. Da er kein Schloss sah, nahm er an, dass sie von innen verriegelt war. Auch auf dieser Seite befanden sich die Fenster nur im ersten Stock des Lehmbaus. Die Frage war nun, ob er es tatsächlich wagen sollte, in das Haus einzubrechen, um nach möglichen Hinweisen zu suchen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, schätzte er zu groß ein, solange sich jemand im Haus befand. Es dürfte aber auch schwer sein, herauszufinden, zu welcher Zeit es leer stehen könnte. Und dann war da noch dieser verflixte Grudar.

Kerim sah sich zur Straße um, nur um sich zu vergewissern, dass er nicht als einsamer Beobachter zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Er zuckte zusammen, als er tatsächlich einige Männer am Eingang der Gasse sah, die sich ihm nun langsam, fast übertrieben schlendernd, näherten. Noch bevor er die Knüppel in den Händen der abgerissen aussehenden Bande bemerkte, war er sich sicher, dass ihm ernste Schwierigkeiten bevorstanden. Er hatte sich zu unbekümmert in der Lehmstadt herumgetrieben.

Schon wandte der Anführer grinsend das Wort an Kerim: „Entschuldigt, mein vornehmer Herr, habt ich euch möglicherweise verlaufen? Können wir behilflich sein?“ Die spöttischen Fragen wurde von der Handvoll Gefolgsleute mit Grinsen und Kichern quittiert.

Kerim versuchte ruhig zu bleiben. Er überlegte, ob er seinen Dolch ziehen sollte, betrachtete eine solche Geste jedoch angesichts der Überzahl als sinnlos. Er bemühte sich um Festigkeit in der Stimme, als er antwortete: „Ich will keinen Ärger. Ich will nur zum Basar zurück.“

„Wichtige Einkäufe zu erledigen, was?“ fragte der Anführer, jetzt mit einem drohenden Unterton in der Stimme. „Ein bisschen Geld verprassen, für schöne Kleider und leckeres Essen.“ Es folgte wieder überhebliches Gekicher.

Kerim musste einsehen, dass er nicht gewinnen konnte. Wenn er schrie, würde er einen Angriff herausfordern, um ihm zum Schweigen zu bringen. Außerdem durfte er in diesem Stadtteil nicht damit rechnen, dass sein Hilferuf irgendjemanden kümmern würde. Und ganz abgesehen davon wollte er keine unnötige Aufmerksamkeit erregen.

„Wollt ihr meinen Geldbeutel?“ fragte er, während er in seinen Taschen herumnestelte. „Ihr könnt ihn haben!“ Die ganze Zeit über war die Gruppe langsam näher gekommen und begann nun, ihn einzukreisen. Keim bemerkte, dass er unbewusst allmählich zurückgewichen war. Es war sicher nicht das Schlechteste, die Mauer im Rücken zu haben. Als letzte Möglichkeit blieb immer noch, zu versuchen, die Hintertür des Ladens zu öffnen.

„Wollen wir seinen Geldbeutel?“ fragte nun der Wortführer. „Das ist eine gute Frage. Vielleicht wollen wir deinen stinkenden Geldbeutel gar nicht. Vielleicht doch. Vielleicht wollen wir noch ein bisschen mehr. Vielleicht wollen wir ein bisschen Spaß haben, bevor wir ihn nehmen? Was meint ihr?“

Kerim suchte fieberhaft aus einem Ausweg aus dieser Falle. Er hatte den Eindruck, dass weitere Verhandlungen nutzlos wären. Er hatte den Geldbeutel noch nicht hervorgeholt. Stattdessen wanderte seine Hand jetzt unter seinem Gewand weiter zum Griff des Dolches. Mit einem Ruck riss er den Dolch heraus und nutzte den Schwung, um mit der Klinge auf den Anführer einzustechen, der direkt vor ihm stand. Er erhoffte sich weniger, ihn tatsächlich zu verletzen, als vielmehr, dass dieser beiseite springen würde, um dem Stich auszuweichen. Damit bestünde eine geringe Wahrscheinlichkeit, durch die entstehende Bresche aus dem Kreis auszubrechen, um die Flucht nach vorn zu ergreifen. Leider wich sein Gegner nur einen Schritt zurück, gerade soweit, um außer Reichweite zu geraten. Offenbar hatte er Kerims Angriff vorhergesehen. Noch dazu war Kerims Bewegung etwas ungeschickt, so dass er durch den Schwung leicht ins Taumeln geriet. Als er sich, in leicht gebückter Haltung, wieder zu fangen versuchte und schon zum nächsten Hieb ansetzte, spürte er einen heftigen Schmerz am Hinterkopf. Er sah noch, wie ihm der staubige Erdboden entgegenkam, bevor er das Bewusstsein verlor.

Die toten Städte

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