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1. Necon Rah Xar’non

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Die Sonne schien gleißend auf den blutgetränkten Sand der Arena von Necon Rah. Zweitausend Zuschauer besetzten die klapprigen Holzränge, um die am letzten Tag eines Terms stattfindenden Kämpfe zu sehen. Trotz der schier unerträglichen Hitze brüllte und jubelte die Menge.

›Noch ein Scheißkerl. Dann bin ich frei‹, dachte Xar’non der Xin. Sein Mund war zu einem Strich zusammengekniffen und die fast nicht vorhandenen Nasenflügel bebten. Er warf mit Schwung die langen, weißen Haare nach hinten. Seine großen, mandelförmigen Facettenaugen schimmerten im Sonnenlicht. Noch einmal blickte er ins Publikum. Auf den Rängen wurde gefressen und gesoffen, als wenn es kein Morgen mehr gäbe und unter der Tribüne arbeiteten sich die Huren wund. Das Termende in Necon Rah war jedes Mal eine große Orgie. Zügellose Freuden in einem ansonsten harten und entbehrungsreichen Leben.

Die erbarmungslose Hitze, die einen austrocknete; der Staub, der ständig zwischen den Zähnen knirschte und sich in jeder Pore des Körpers festsetzte, und die mühselige, lebensgefährliche Arbeit in den Goldminen der Stadt.

All das zerstörte die Bewohner.

Körperlich als auch moralisch.

Necon Rah. Eine Stadt, nein, ein Moloch aus gescheiterten Existenzen, die hier zum letzten Mal auf der Suche nach ein bisschen Glück waren. Immer in der Hoffnung, einen Nugget zu finden, der sie herausbrachte aus all diesem Elend.

Ohne Recht und Ordnung. Nur das Gesetz des Stärkeren galt. Der Suff und die Hurerei gab allen, die nicht schon von der Hitze und Arbeit erledigt waren, den Rest. Das Einzige, was die Bewohner aus ihrer Lethargie herausholte, waren die Kämpfe in der Arena.

Der letzte Kampf dauerte noch an, dabei war dem Publikum heute schon viel geboten worden.

Zwei Mörder waren einem T’gar vorgeworfen worden. Während das Tier dem einen bereits die Darmschlingen herauszerrte, schlug der andere dem Vieh mit bloßen Händen auf den schwarzgelb gestreiften Rücken. Das Publikum lachte grölend über dieses sinnlose Unterfangen und wurde fast hysterisch, als das Tier sich umdrehte und mit einem Tatzenhieb dem Mann den kompletten Unterkiefer wegriss. Der Arme wälzte sich im Sand und schrie blubbernd den Schmerz heraus. Aber nur kurz. Der T’gar machte einen kleinen Satz nach vorn und grub knirschend seine Zähne in den Unterleib des sterbenden Mannes.

Die Zuschauer jubelten und johlten und waren außer Rand und Band. Herrlich, solche Hinrichtungen. Man könnte ja selbst da unten liegen. Jeder hier hatte Dreck am Stecken. Deswegen wurde doppelt so laut gelacht, wenn es irgendwelchen armen Kerlen an den Kragen ging.

Aber auch die Kämpfe waren nicht zu verachten. Das Aufeinandertreffen der zwei Krieger aus den nördlichen Highlands war etwas Besonderes gewesen. Beide nur mit einem Lendenschurz bekleidet, hatten sie in der einen Hand eine zehnschwänzige Peitsche, an deren Enden scharfe Haken befestigt waren. In der anderen Hand hielten sie eine Fackel. Das Spezielle war, dass sie mit einem zwei Schritt langen Seil aneinandergefesselt waren.

Sie schlugen sich mit den Peitschen und Fackeln, schrien und brüllten dabei wie Ochsen, und wie es schien, gefiel es ihnen sogar. Wie sonst sollte man das irre Lachen deuten, das sie immer wieder ausstießen? Man wusste es nicht und es war den Leuten auch scheißegal.

Hauptsache, Blut floss.

Als einer der beiden stolperte und auf den Rücken fiel, war es vorbei. Der andere schlug ihm mehrmals wuchtig mit der Fackel ins Gesicht, bis er bewusstlos dalag. Dann prügelte er mit der Peitsche auf den Lendenschurz ein. Als er den bluttriefenden Lumpen mit dem Rest des zerfetzten Gemächts triumphierend den Zuschauern am ausgestreckten Arm präsentierte, rastete das Publikum aus. Daraufhin löschte er, irre lachend, unter dem immer hysterischer werdenden Jubel, die Fackel in der stark blutenden Wunde zwischen den Beinen des Kontrahenten.

So wollte es das Publikum haben. Blutig und brutal.

Xar’non fixierte sein Gegenüber und atmete tief durch. Er musste sich konzentrieren.

Der Gegner, der noch nicht einmal die Hälfte seiner Größe hatte, aber bestimmt doppelt so schwer und dreimal so breit war, rannte auf ihn zu und holte mit seiner doppelschneidigen Axt gewaltig aus. Xar’non wich ihm aus und ließ sein Schwert seitlich auf die Halsberge der Rüstung des Braks krachen. Ohne Erfolg. Schnell tänzelte er zurück.

›Ich darf dem Arsch nicht zu nahe kommen.‹

Der Brak war komplett in eine stählerne Rüstung gehüllt. Übersät mit scharfen Ecken, Kanten und Dornen. Xar’non hatte zu oft schon mit ansehen müssen, wie ein Brak mit so einer Rüstung einfach einen Gegner in den Arm genommen und zu Tode gedrückt hatte. Also: Abstand!

Sechs Krieger waren sie gewesen und jetzt waren nur noch er und der Brak übrig. Jeder gegen jeden hatte es geheißen. Wie immer, auf Leben und Tod. Nur für ihn ging es heute sogar um die Freiheit. Xar'non schaute nochmal durch die Arena.

Ein anderer Brak lag zuckend auf dem Boden und hielt unter jaulendem Geschrei seine Eingeweide fest, die aus seinem aufgeschlitzten Bauch quollen.

Der Xin mit dem abgeschlagenen Bein schrie nicht mehr. Er war schon vor einigen Minuten verstummt.

Die beiden Menschen, die sich gegenseitig mit ihren Speeren aufgespießt hatten, lagen voreinander in einer riesigen Blutlache.

Sein Gegner drehte sich schwerfällig um und kam langsam auf ihn zu. Xar’non wusste, dass er dem Kampf nicht ausweichen konnte. Er stellte sich auf den folgenden Schlag ein. Aber der Brak hatte so viel Kraft hineingelegt, dass Xar’non beim Abwehren von der Wucht umgerissen wurde. Schnell rappelte er sich auf. Der nächste Schlag des Braks war auf die Knie des Xins gerichtet. Xar’non versuchte auszuweichen, war aber zu langsam. Auch seine hastig ausgeführte Blockade reichte nicht aus und die Axt streifte seine Schienbeine. Mit einem Aufschrei fiel er auf die Knie und sackte mit seinem Hintern auf die Fersen.

Jetzt konnte er dem Brak durch die Sehschlitze des Helms in die Augen schauen. Es war Jons. Mit ihm hatte er gestern noch einen gehoben.

»Es tut mir leid«, kam es blechern unter dem Helm hervor. »Aber du oder ich, so ist das nun mal.«

Jons hob die Axt unter tosendem Jubel hoch über seinen Kopf. In diesem infernalischen Lärm fiel Xar’non etwas ein. Jons hatte gestern eine Kleinigkeit zu viel erzählt.

Der Xin ließ sich nach vorne fallen und drehte sich dabei auf den Rücken. Hart fiel er direkt zwischen die Beine des Braks. Die Axt, die in dem Moment nach unten sauste, verfehlte ihn knapp und bohrte sich zwischen seinen Beinen in den Sand der Arena. Durch die Wucht verlor Jons fast den Stand, wobei er die Dornen seiner Stiefel in die Seiten des Xins bohrte. Xar’non beachtete den Schmerz nicht, bekam aber mit, dass der Brak die Axt ein weiteres Mal erhoben hatte, um sie ihm nun in den Bauch zu schlagen.

Xar’non war schneller. Er stieß sein schartiges Kurzschwert mit beiden Armen von unten zwischen Jons Beine. Ohne Widerstand schob er seine Waffe bis zum Heft in die Eingeweide des Braks, der in seiner Bewegung erstarrt innegehalten hatte. Dann drehte der Xin das Schwert und zog es in einem schrägen Winkel wieder heraus.

Ein Schwall aus Blut und Exkrementen ergoss sich über seine Brust und seinen Bauch und spritze ihm teilweise ins Gesicht. Rasch rutschte er rückwärts unter dem Brak hervor, der immer noch mit erhobener Axt im Todeskrampf dastand.

»Du oder ich. Da hast du recht, so ist das nun mal«, murmelte Xar’non und stieß den anderen von hinten mit dem Schwert an. Jons schlug scheppernd auf dem Boden auf. Es herrschte zuerst Totenstille, dann brach die Menge in lauten Jubel aus.

»Haha. Xar’non. Das Einzige, was von meiner Rüstung nicht geschützt wird, ist das, was ich am meisten gebrauche. Mein Schwanz«, hatte Jons am Abend zuvor lachend herausposaunt. »Gut, das ich so klein bin, da kommt keiner hin. Haha!«

›Danke für das Gespräch‹, dachte Xar’non verächtlich lächelnd.

Dann schaute er an sich herunter und schüttelte den Kopf.

»Was für eine beschissene Scheiße!«, murmelte er und wischte sich die Innereien des Braks von Gesicht, Brust und Bauch. Brüllend skandierte die Menge im Chor seinen Namen.

Der Xin befühlte die Rippen. Die Dornen hatten seine Seiten aufgerissen, aber das würde wieder heilen.

›Jetzt bin ich frei‹, sinnierte er und grinste breit. Er riss sein Schwert in die Höhe und ließ sich feiern. Die Zuschauer jubelten, schmissen Blumen und duftende Kräuter auf den Kampfplatz.

Jassum, der Besitzer der Arena, betrat den Schauplatz. Er hob die Arme und die Leute wurden still.

»Der Sieger des heutigen Hauptkampfes ist Xar’non aus Xin Yaln. Dieses hier war sein letzter Kampf. Er ist ab jetzt ein freier Mann ... ähm Xin. Möge er hingehen, wohin die Winde ihn treiben.«

Er riss den anderen Arm des Xins hoch und ließ ihn noch mal vom Publikum bejubeln.

»Komm!«, sagte Jassum zu Xar’non. »Ich habe noch etwas für dich.«

Zusammen verließen sie die Arena und gingen durch die Unterkünfte der Kämpfer, die sich respektvoll vor Jassum und Xar’non verneigten.

»Meine Fresse stinkst du. Und beschissen siehst du aus.« Er lachte dem Xin brüllend ins Gesicht und schlug ihm mit der Hand auf die Schulter. Was er aber direkt mit einem angeekelten Gesicht bereute.

»Ja, ha. Ich lach mich schlapp«, entgegnete der Xin säuerlich. »Was meinst du mit: Ich hab noch was für dich? Gib mir mein Geld und lass mich ziehen.«

»Jaja. Geh dich erst mal säubern und der Heiler soll sich deiner Verletzungen annehmen. Dann komm zu mir.«

Im Badehaus reinigte sich Xar’non gründlich und zog sich bequeme, saubere Sachen an. Stiefel und Hose. Das Hemd ließ er erst mal aus, weil seine Wunden am Brustkorb immer noch bluteten.

Er ging durch die Katakomben der Arena zum Heiler Hiran. Der überlebende Nordmann war gerade fertig verbunden worden. Hiran hatte dem Mann so viele Verbände angelegt, dass er aussah, wie eine Mumie aus den Gräbern der Windreiter.

Xar’nons Wunden wurden schnell und routiniert versorgt. Es war wirklich nicht so schlimm, wie es sich anfühlte. Dann ging er zu Jassum.

»Setz dich«, sagte der in die Jahre gekommene, aber immer noch breitschultrige und muskulöse Arenabesitzer. Er schenkte zwei Becher Wein ein und reichte einen davon Xar’non, bevor er sich ihm gegenüber hinsetzte.

Das Gesicht des alten Mannes war eine Ruine. Ein Ohr fehlte, ein Auge war milchig weiß. Die Brandnarben am Hals waren knotig und wulstig, und die schorfige Narbe quer durch sein Gesicht wollte nie richtig heilen.

»Was hast du jetzt vor?«, fragte er den Xin.

Xar’non setzte an.

»... nein warte«, unterbrach ihn Jassum rau. »Zehn Jahre hast du jetzt für mich gekämpft. Du warst und du bist der Beste. Was hältst du davon, mein Partner zu werden? – Guck nicht so blöde. Ich bin alt und werde auch bald wieder zu Staub und zu meinen Ahnen zurückkehren. Dann kannst du das alles hier haben. Wie sieht’s aus?«

Der Alte schaute den Xin über den Becherrand mit seinem heilen Auge an.

»Nein danke«, entgegnete Xar’non trocken.

Er konnte und wollte hier nicht bleiben. Jeden Term weiterhin die Schlachtfeste zu erleben; das war keine Option für ihn.

»Gib mir mein Geld und ich gehe meiner Wege. Die Zeit hier in Necon Rah ist für mich vorbei.«

Der Alte seufzte. »Ich hab’s mir fast gedacht. Aber gut. Lass dir von Brast dein Geld auszahlen und geh.«

Dann leerte er seinen Becher und schlenderte wortlos zum Fenster. Xar’non stand auf und ging. Als er schon fast durch die Tür war, sagte Jassum: »Warte!«

Der Xin drehte sich um ›Jetzt bitte kein theatralisches Abschiedsgedöns‹ – und schaute seinen früheren Herrn an. »Hm?«

»Versauf und verspiel nicht sofort dein ganzes Geld und lass die Finger von den Nutten, sonst bist du schneller wieder hier, als es dir recht ist.« Er zwinkerte ihm mit seinem gesunden Auge zu und drehte sich grinsend um.

»Blöder Hurensohn«, flüsterte Xar’non.

»Das habe ich gehört, du schwanzloses Etwas ...«, rief der Alte lachend hinterher.

Auch der Xin lächelte. Jassum war ein Drecksack, aber noch einer von den Ehrlichen. Das musste man ihm lassen.

»Na, haste’s geschafft?«, fragte Brast, der Schatzmeister mit seiner nervigen Fistelstimme und schaute ihn über seine Augengläser an.

»Sieht so aus«, antwortete Xar’non kurz angebunden.

Vom ersten Tag an hatte er den dicken Eunuchen nicht ausstehen können.

»Dann unterschreib hier mal ... und hier ist dein Geld. Neunundneunzig Goldstücke.« Er schob dem Xin einen prall gefüllten Lederbeutel zu.

»Neunundneunzig?!«, fragte Xar’non gereizt. »Hundert oder nicht?«

»Na, ich denke nicht. Mit deiner Verletzung, die du dir beim Kampf zugezogen hast, warst du bestimmt beim Heiler? Und das kostet immer noch pro Behandlung ein Goldstück. Also neunundneunzig. Kapiert?«

Xar’non lief vor Wut knallrot an.

»Pass auf!« Er griff Brast an den Kragen und drehte zu. »Entweder du gibst mir hundert oder ich stecke dir jede der neunundneunzig Münzen einzeln in dein Eunuchenarschloch und hole sie mir mit einer glühenden Zange wieder heraus! Hmmmm? Willst du das?«

Brast schüttelte schwitzend den Kopf. Xar’non ließ ihn los und der Schatzmeister holte mit zitternden Händen aus einer Truhe eine Goldmünze und legte sie in den Beutel.

»Geht doch, Arschloch!«, lächelte der Xin und ging zur Unterkunft. Er verabschiedete sich noch von ein paar anderen Kämpfern.

Hrynso der Windreiter aus Reyen Lak, Zorian der Brak aus Ineisul, Fent aus Dervon Tai und Xar’nyn aus Xin Yarei. Alle langjährige Weggefährten, aber bald nur noch Erinnerungen an eine blutige Zeit.

Er trat zum ersten Mal seit zehn Jahren als freier Mann auf die Straße. Tief holte er Luft, genoss die Sonne und den Wind im Gesicht und lief los Richtung Stadttor.

»Was jetzt?«, fragte er sich.

Zurück nach Xin Yaln? Niemals. Zu knöchern und altmodisch war es ihm dort gewesen, weswegen er ja auch vor einer gefühlten halben Ewigkeit gegangen war. Auch in die anderen Städte der Xin am Sandrossee wollte er nicht.

Wohin dann? Nach Dervon Tai? Nein lieber auch nicht. Die standen kurz vor einem Krieg mit Rand I. von Hohen Horst, der ja auch schon Argan Tai eingenommen hatte. Tja, zu den Windreitern der Steppe zog ihn auch nichts. Er hatte schon genug Staub geschluckt. Er wollte jetzt mal in eine grüne Gegend. Nur wohin?

»Scheiße, jetzt habe ich hundert Goldstücke und weiß nicht, wohin ich soll?! Das kann echt nicht sein ...«

»Hallo, hallo«, hauchte von hinten eine Frauenstimme an sein Ohr. »Das ist ja der Held der Arena.« Ein penetranter Duft nach Rosen und Jasmin stieg ihm in die Nase. »Xar’non der Große. Na, mein Süßer? Hast du schon was vor? Wir könnten doch ein wenig deine Freiheit feiern.«

Der Xin drehte sich um und vor ihm stand eine Hure. Der Duft war das absolute Gegenteil zu ihrem Aussehen. Egal. Ein Xin bekam selten Angebote von Menschenfrauen, noch nicht einmal von den übelsten Straßennutten. Also hatte er ja sogar Glück; sozusagen. Das war doch ein gutes Omen für den ersten Tag in Freiheit.

»Kannst du es mir denn besorgen?«, fragte er.

»Oh, da mach dir mal keine Sorgen.« Sie holte zwei fingerdicke blank polierte Holzstäbchen aus ihrer Rocktasche, hielt sie Xar’non vor die Augen. »Ich weiß, wie man mit deiner Art umgehen muss.« Sie lächelte ihn unschuldig an, wobei sie ein lückenhaftes gelbes Gebiss entblößte.

»Na dann los«, sagte er und freute sich auf ein paar schöne Stunden.

Xar’nons Kopf dröhnte und ihm war kotzübel. Langsam nahm er die Umgebung verschwommen wahr. Er lag in einer Gasse zwischen Müll und Fäkalien. Es stank erbärmlich und ihm wurde noch übler. Er drehte seinen Kopf nach rechts und kotzte einen Schwall billigen Weins aus.

Unten herum klebte es. ›Oh näää‹, dachte er. ›Vollgeschissen hab ich mich auch noch ...‹

Mit Schrecken fuhr seine Hand zum Gürtel. Er seufzte. ›... und mein Gold ist auch weg. Schöne Scheiße.‹ Direkt musste er an Jassums Worte denken. Hatte der alte Drecksack wieder recht behalten.

Langsam kam er auf die Beine. Die Welt drehte sich und er kotzte noch mal einen riesigen Schwall Wein aus. Direkt auf seine Stiefel. Das fing ja gut an. Ein Tag in Freiheit und da stand er. Vollgeschissen und vollgekotzt. Beraubt und obdachlos und keinen blassen Schimmer, wohin er sollte. Perfekt für einen Start in ein neues und besseres Leben.

Wieder zurück zu Jassum? Nein, diese Blöße wollte er sich nicht geben.

Unschlüssig stand er da. Gestern noch der Held der Arena, heute ein versoffener Dreckskerl.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, fluchte er laut. »Aber warte, die Nutte krieg ich.«

Den Namen wusste er noch. Flatela. Und er würde sie finden.

In dem Gebiet bei der Stadtmauer wimmelte es von Huren und deren Zuhältern. Er fragte sich durch, bis er die passenden Informationen hatte.

Bald hatte er die Hütte von Flatela gefunden und legte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf die Lauer.

Zur Dämmerung hin kam sie mit einem groben, gut abgefüllten Kerl an, der hinter ihr her torkelte.

›Gut, Schätzchen. Das wird dann erst mal dein letzter bezahlter Fick sein‹, dachte Xar’non hämisch. Schnell wurde es dunkel und der Xin schlich sich an die Hütte ran. Von innen drangen die typischen Geräusche nach draußen. Das Grunzen des Mannes und das aufgesetzte Gestöhne der Hure. Mit einem Ruck riss er die morsche Tür auf, und dabei fast aus den Angeln. Er trat dem Mann von hinten in die Eier, versetzte ihm links und rechts zwei kräftige Schläge in die Nieren und schlug dann mit der Handkante in den fleischigen Nacken.

Er packte den Bewusstlosen an der Schulter, rollte ihn von der Hure runter und schaute auf ein schartiges Messer, das Flatela ihm entgegenstreckte.

Mit einem Lächeln trat er der Frau die Waffe aus der Hand. Er schlug ihr mit der Faust ins Gesicht und riss sie an den Haaren auf ihr Lager aus fauligem Stroh und Lumpen zurück. Der Xin drückte mit seinen Knien ihre Arme herunter und legte die rechte Hand um ihre Kehle. Er beugte sich langsam vor und flüsterte: »Wo ist mein Gold?«

Dabei ließ er seinen nach Kotze stinkenden Atem über ihr Gesicht streichen.

Tränen schossen ihr in die Augen. »Ich habe es nicht mehr«, schluchzte sie.

Xar’non schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht. Flatela setzte zu einem Schrei an.

»Schnauze, oder ich verspreche dir, ich reiße dir den Kopf ab«, zischte er. »Noch mal. Wo ist mein Gold?«

»Ich hab’s nicht mehr. Ehrlich. Ich hatte Schulden. Fast alles weg. Der Rest liegt unter der Feuerstelle vergraben.«

»Danke Schätzchen«, grunzte Xar’non und schlug sie mit einem Rückhandschlag bewusstlos.

Die Feuerstelle war kalt und nach kurzem Graben hatte er seinen Lederbeutel gefunden. Siebzehn Münzen waren noch drin.

›So viel Schulden hat 'ne Nutte? Meine Fresse. Na ja. Besser als nichts‹, dachte er. Verstohlen schlich er sich aus der Hütte und suchte nach der Stadtwache. Zwei standen vor einer Spelunke und tranken Bier.

»Hey, ihr zwei. Da hinten in der Hütte von der Nutte Flatela gibt’s Ärger. Schaut mal nach.«

Er ging weiter zu einem Badehaus und säuberte alles gründlich; sich und seine Sachen.

In einem Wirtshaus aß er ein großes Stück Fleisch mit Wurzelgemüse und spülte alles mit frischem Wasser runter. Vom Wein hatte er erst mal genug. Er schaute aus dem Fenster und sah zufällig, wie die Hure abgeführt wurde. Der dicke Freier watschelte schimpfend hinterher. Er dachte, Flatelas Zuhälter hätte ihn niedergeschlagen und zusammen mit der Nutte beraubt; denn seine Geldbörse war weg.

Xar’non grinste. Nein, er war wirklich kein Zuhälter, aber die Börse des Mannes hatte er trotzdem genommen. Er nächtigte in dem Wirtshaus und nach einem ausgiebigen Frühstück ging er Richtung Stadttor.

Draußen vor der Stadt war die Hure an den Pranger gestellt worden. Man hatte sie ausgepeitscht und gebrandmarkt. Erschöpft und blutig hing sie an den Händen gefesselt am Pfahl.

»Na?! Eine schöne Nacht gehabt?«, rief er rüber.

Die Frau schaute auf und sah ihn zornig an. Sie spuckte blutigen Schleim aus und verfluchte ihn mit heiserer Stimme.

»Jaja, fluch du ruhig. Es kommen ja noch ein paar Nächte, in denen du hier umsonst deine Dienste anbieten musst. Viel Spaß dabei!«, rief er lachend zurück und ging weiter, ohne auf ihr Gekeife zu hören.

Draußen vor der Stadt lag der Waffenmarkt. Ein Schwert, ein Lederharnisch und ein Rundschild mit einem stählernen Buckel in der Mitte wechselten im Tausch gegen drei Goldmünzen den Besitzer.

Schon fühlte er sich wohler. Dann suchte und fand er die Einschreibungshütte für Männer, die als Söldner für Dervon Tai kämpfen wollten.

Erst mal Geld verdienen ... und kämpfen konnte er halt am besten.

Thuazar

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