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6. Rand I Hohen Horst

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Surubaya M’basa hatte Angst. Er hatte furchtbare Angst. So schreckliche Angst, wie damals, als er neun war. Er hatte furchtbare Zahnschmerzen gehabt und musste deshalb zu einem Zahnreißer.

Zahnreißer! Allein das Wort hatte ihm schon Angst gemacht. Dort saß er auf einen Stuhl und musste warten. Vor ihm auf einem Tisch lagen Zangen und kleine Messer. Er malte sich die schlimmsten Dinge aus. Dann kam ein freundlicher Mann, schaute einmal kurz in den Mund nahm eine kleine Zange. Er setzte an und der Zahn war raus. Der Schmerz war zwar heftig, klang aber sehr schnell ab. Im nach hinein war die Angst eigentlich unbegründet gewesen.

Hier ... aber nicht. Er saß in den tiefsten Kerkern der Burg Hohen Horst, gefesselt an einem Stuhl. Der Kopf war mit einem Lederriemen an das Rückenteil befestigt. Die Arme waren an die breiten Lehnen gefesselt und die Beine an die Stuhlbeine. Er war nackt und bewegungsunfähig. Bei den vier Winden, er hatte schreckliche Angst und Durst und ihm war schlecht, schlecht vor Angst und vom Geruch seiner am Hintern angetrockneten Scheiße und Pisse und weil er Hunger hatte und, und, und ...

Angst. Er zitterte.

Angst. Er schwitzte.

Angst. So sehr, dass er sich nochmal vollschiss.

Er heulte, wie früher als Kind, wenn er sich wehgetan hatte und er wollte, dass ihn seine Mutter tröstete. Leider kam aber keine Mutter zum Trösten.

Nur der dicke, humpelnde und anscheinend taubstumme Kerl, der immer wieder die Kammer betrat, um die Fackeln zu erneuern, und Holz in die Feuerschale nachfüllte, die in einer Ecke des Raumes stand. In der anderen Ecke standen ein Tisch und drei Stühle.

Wie lange war er schon hier?

Seit Stunden, seit Tagen? Er wusste es nicht mehr. Und warum, wusste er auch nicht. Er war doch unter Parlamentärflagge geritten und eigentlich für jeden unantastbar.

Eigentlich.

Er hatte protestiert, als sie ihn und seine Eskorte festgenommen hatten. Das hatte ihn ein blaues Auge und einen ausgeschlagenen Schneidezahn eingebracht. Seine Männer wurden genauso wie er gefesselt und zur Burg Hohen Horst gebracht. Dort steckte man sie in den Kerker.

Warum nur?

Vor ihm lag auf einem Tisch Werkzeug. Wie damals bei dem Zahnreißer, nur dass diese Werkzeuge eher wie bei einem Feldscherer aussahen. Große und kleine Messer, Zangen, Sägen. Hämmer, Meißel, spitze Handbohrer und eine armlange fingerdicke Eisenstange, die vorne in einer etwas dickeren Kugel endete.

Surubaya wusste, dass hier ein Verhör folgen würde und er hatte sich geschworen, sofort alles zu erzählen. Wenn man lange genug gefoltert wurde, erzählte man sowieso alles. Weshalb sich dann zuerst noch den Schmerz antun.

Trotzdem hatte er Angst.

Er schrie, er brüllte und er heulte. Vor Angst, vor Wut und vor Verzweiflung.

Es war nicht fair und er fluchte.

Er wurde lethargisch und dann heulte er wieder.

Sein Rücken schmerzte. Seine Beine, seine Arme. Eigentlich schmerzte alles an seinem Körper. Er versuchte, sich irgendwie nur ein bisschen zu bewegen. Nur ein klitzekleines bisschen. Unmöglich.

»Oahhh!«, schrie er frustriert. Dann sackte er zusammen und dämmerte in einen Halbschlaf hinüber. BAMM!!

Die Tür flog auf. Ein Mann mit einer schwarzen Ledermaske kam herein, noch einer und noch einer. Alle drei stellten sich an der hinteren Wand auf. Dann kam ein älterer Herr in einem langen grauen Gewand und setzte sich an den Tisch, holte aus einer Schublade eine Feder ein Tintenfässchen und Papier heraus.

Ein weiterer Mann höchstens Mitte Zwanzig mit schwarzen zurückgekämmten Haaren und einem kleinen Spitzbart betrat den Raum und setzte sich neben den Schreiber. Zuletzt kam ein bulliger Kerl mit einem schwarzen Helm und schwarzer Lederrüstung in den Raum. Er zog eine kleine Handkarre hinter sich her, in der sich unter einem fleckigen weißen Tuch spitze Dinge abzeichneten, die metallisch klapperten.

»Was wird das hier?«, fragte Surubaya versucht streng und starrte herausfordernd. Das Zischen bei jedem S-Laut, durch die neue Zahnlücke, störte ihn. Er wollte ja stolz erscheinen.

Der behelmte Mann trat einen Schritt auf ihn zu und schlug ihn ohne Warnung mit seiner behandschuhten Faust ins Gesicht. Surubaya sah Sternchen und der Schmerz ließ seine rechte Gesichtshälfte explodieren.

»Du sprichst nur, wenn du gefragt wirst«, sagte der Mann mit dem Helm schnarrend, drehte sich um und setzte sich auf den letzten freien Stuhl.

Die drei Sitzenden flüsterten geraume Zeit miteinander. Dann stand der Schwarzhaarige auf, ging langsam um den Tisch herum und stellte sich vor Surubaya hin. »Mein Name ist Rand I. Ich bin König von Hohen Horst und Protektor von Argan Tai. Und Sie sind Surubaya M’basa, Bote und Sohn von Pekonbaru M’basa dem Srighani von Reyen Lak. Richtig?«

Surubaya versuchte zu nicken, was aber nicht ging und flüsterte ein leises JA.

»Schön.« Rand klatschte in die Hände. »Sie werden die kleine Unannehmlichkeit hier verzeihen, aber sie verstehen, dass wir alle Informationen brauchen, die sie preisgeben können. Und die Erfahrung zeigt, dass den meisten Männern und manchmal auch Frauen in dieser Kammer immer mehr einfällt, als wenn wir draußen auf der Sonnenterrasse einen Tee trinken und plaudern würden. Nicht wahr?«

Er legte beide Hände väterlich auf Surubayas Schultern und schaute ihm tief in die Augen.

»Möchten sie ihr Gewissen erleichtern und uns die verräterischen Pläne Rialcs mitteilen.«

»Ja ... ich erzähle ihnen alles. Könnte ich denn vorher noch einen Schluck Wasser haben?«, sagte Surubaya hektisch.

»Tse, tse, tse, Herr M’basa.« Rand schüttelte gespielt entsetzt den Kopf. »Zuerst die Arbeit dann das Vergnügen.«

Der König setzte sich hin, und klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte. Surubaya erzählte alles und nichts. Das war das Problem, er wusste ja auch nichts. Aber in seinen Ohren hörte es sich gut an.

In Rands Ohren nicht. Er winkte mit der Hand und einer der schwarz maskierten Männer trat vor. Er nahm eine Kneifzange vom Tisch und kniete sich vor Surubaya hin, der durch die Kopffixierung nicht sehen konnte, was der Mann vorhatte. Er schielte mit großen Augen nach unten, sah aber nur den Kopf des Mannes. Der Schweiß brach ihn aus allen Poren. Dann spürte er eine Hand, die seinen rechten Fuß festhielt und die Zange berührte seinen großen Zeh vorne an der Spitze und ...

Er brüllte, kreischte, bettelte um Erbarmen. Er zuckte am ganzen Leib. Der Schmerz raste vom Fuß hoch in die Beine durch den Bauch in die Eingeweide. Er kotze Galle und verschluckte sich daran. Er hustete und schrie. Aber der Schmerz, der hörte nicht auf. Nochmal kotzte er. Ihm wurde schwarz vor Augen.

Endlich nach einer halben Ewigkeit erhob sich der Mann wieder. Surubaya atmete schwer. Er starrte Rand mit blutunterlaufenen Augen an, der freundlich über den Tisch hinweg zurück lächelte.

»Mein lieber Surubaya. Das waren fünf Fußnägel, die der gute Skrat ihnen ausgerissen hat. Ich hoffe sehr, dass das ihnen jetzt klar gemacht hat, dass Sie mit keiner Information hinter dem Berg halten sollten, nicht wahr?«

»Ja«, keuchte Surubaya. »Aber ich weiß nicht mehr, wirklich.« Er schaute Rand flehend an.

Der verdrehte nur die Augen, stützte seinen Kopf in die eine und wedelte mit der anderen Hand.

Wieder trat Skrat auf den Delinquenten zu und kniete sich vor ihn hin.

»Nein, Nein, Neeeeeiiiiin!«, kreischte Surubaya. Sein Geschrei ging über in ein schrilles Heulen, dann verdrehte er die Augen und wurde ohnmächtig.

Der Eimer voll Wasser, den er ins Gesicht bekam, weckte ihn wieder auf. Er zitterte am ganzen Leib. Seine Füße standen in Flammen und er wünschte sich, dass er tot sei.

»So, mein Lieber«, lächelte Rand ihn an. »Ich weiß, was sie wollen. Zum Schluss betteln sie alle danach. Und dass sie hier nicht mehr lebend herauskommen, wird ihnen ja sowieso klar sein, oder?«

Surubaya gab ein Wimmern von sich.

»Also. Wir können es ganz schnell machen.« Er zog einen langen Dolch aus einer Scheide am Gürtel.

»Zack ins Herz! Und tot. Oder, wenn sie nicht kooperieren wollen, machen Skrat oder Trewas oder Zusa,« er zeigte auf die drei Maskierten, »oder ... unser Scharfrichter Krondat, der gute Mann dort am Tisch, so lange weiter, dass sie den Tag ihrer Geburt verfluchen werden. Also. Wie entscheiden sie sich?«

»Bitte, sie müssen mir glauben, ich weiß nichts über Invasionspläne, Truppenstärken oder so was. Ich bin doch nur ein Bote und mein Vater hat überhaupt nicht vor sie anzugreifen oder ihre Feinde zu unterstützen. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, er würde sogar mit ihnen kooperieren ...« Surubaya liefen die Tränen runter und er schluchzte bitterlich.

Rand schüttelte mit dem Kopf und setzte sich wieder zu dem Graugewandeten. »Schreiben sie: »Surubaya M’basa angeklagt der Spionage bleibt verstockt und die Tortur wird weitergeführt.««

»Bitte, bitte ...«, flüsterte Surubaya.

»Bitte, bitte«, äffte ihn Rand nach.

Einer der maskierten trat vor -war es Skrat, Trewas oder Zusa?- nahm die Eisenstange vom Tisch und kniete sich seitlich von Surubaya hin.

Er holte weit aus und zerschmetterte mit einem Schlag das rechte Schienbein.

Surubaya versuchte zu schreien, aber ein Krampf schüttelte ihn und es kam nur noch ein Krächzen. Der nächste Schlag zerschmetterte sein linkes Schienbein und Surubaya fiel ein weiteres Mal in eine gnädige Ohnmacht.

Die blutenden Löcher, in denen vorher die Nägel gesessen hatten, schleiften über den Boden und die Knochen der gebrochenen Schienbeine schabten aneinander. Surubaya zappelte und versuchte sich zu wehren, aber er wurde von zwei starken Männern unter den Achseln festgehalten und vorwärts über den Steinboden geschliffen. Der Schmerz war unvorstellbar.

Er hörte ein lautes Kreischen.

Ach ... er war es selber.

Er wurde wahnsinnig, dachte er, und fing an zu lachen.

Dann stoppten sie. Ein Schlüssel schloss eine Tür auf und man zog ihn in einen nach Scheiße stinkenden Raum hinein, was wieder eine brennende Schmerzwelle durch seinen Körper schickte und ihn abermals zum kotzen brachte. Man ließ ihn einfach fallen und er landete mit dem Kiefer auf den Boden, was ihn einen Backenzahn und ein Stück seiner Zunge kostete. Der Schmerz ging unter in dem anderen Schmerz, der in seinem Körper wütete.

Er stöhnte leise.

Angst, nein Angst hatte er keine mehr. Nur noch Schmerzen. Unvorstellbare Schmerzen. Unglaubliche, reißende, brennende, dröhnende Schmerzen.

Direkt neben seinem Ohr hörte er ein Atmen und er roch dezentes Rosenparfüm.

»Morgen machen wir weiter mein Freund«, flüsterte ihm die Stimme Rands zu. »Jetzt können sie sich erstmal ausruhen.«

Schritte entfernten sich. Die Tür fiel ins Schloss und es war stockdunkel.

Jetzt kam auch wieder die Angst.

Und Surubaya wusste nicht, was schlimmer war. Die Schmerzen oder die Angst vor neuen Schmerzen.

Rand klopfte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte. Wieder einmal mussten sie auf den Schatzmeister warten. Eines Tages würde er ihm die Haut persönlich von seinem fetten Körper schneiden. Aber bis jetzt war er eigentlich recht nützlich. Trotzdem, Rand hasste Unpünktlichkeit.

Er schaute in die Runde.

Zu seiner linken saß Schadrazs. Sein Heerführer. Der grobschlächtige Kerl dessen Gesicht von einer Narbe, welche vom linken Auge quer über die Nase bis zum rechten Mundwinkel führte, und dessen Haut aussah wie brüchiges braunes Pergament, hatte schon unter seinem Vater gedient. Er nahm gerade einen gewaltigen Schluck Bier aus einem genauso gewaltigen Horn. Ein schwarzer Lederpanzer spannte sich über seine breite Brust und ein schwarz-gelb gestreiftes T’gar Fell hing über seinen Schultern. Das war ein Mann, dem er vertraute. Er schaute ihn an und Schadrazs neigte ehrerbietig den Kopf.

Nach kurzer Zeit schlug der König mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Gemurmel der anderen Ratsmitglieder verstummte augenblicklich. Im selben Moment öffnete sich die Tür des Ratsaals und ein enorm fetter, mondgesichtiger, kahlköpfiger Mann, bekleidet mit einer wallenden roten Robe, watschelte schnaufend und prustend auf die Versammlung zu.

Angekommen nickte er den anderen zu und verneigte sich so tief vor Rand, dass man Angst haben musste, dass er vorn überkippen würde. »Verzeihen sie meine Unpünktlichkeit ...«, setzte er mit einer hohen Fistelstimme an. »Aber ich hatte noch einen Termin mit den Kaufleuten aus Galon, die uns glücklicherweise den gewünschten Kredit gewähren, gegen ... sagen wir mal: Eine kleine Vergünstigung. Ich würde vorschlagen ...«

Rand sprang auf und brüllte seinen Schatzmeister Vorno direkt ins Gesicht: »Ich würde vorschlagen, Sie reden erst dann, wenn ich sie dazu aufgefordert habe!«

Die anderen Ratsmitglieder schauten betroffen auf die Tischplatte, bis auf Schadrazs, der eine Augenbraue hob und vor sich hin schmunzelte.

Rands Vater war schon ein Choleriker gewesen, aber der Jähzorn und auch die bestialische Grausamkeit des jetzigen Herrschers von Hohen Horst übertraf alles Dagewesene und war schon berühmt berüchtigt.

Vor einer Woche noch hatte er eine Magd grün und blau geprügelt, weil sie einen Becher Wein hatte fallen lassen, und der Bote, den sie festgenommen hatten mitsamt seiner Eskorte, saß auch schon seit vier Tagen im Kerker und wurde jeden Morgen zur Tortur gebracht, wobei Rand immer zugegen sein wollte. Schadrazs war es egal. Er nahm einen weiteren tiefen Schluck aus seinem Horn, während Vorno sich blamiert und erschüttert in den Armlehnenstuhl zwängte, der dabei beängstigend knarrte und knirschte. Rand setzte sich wieder.

»Schadrazs, wie sieht es mit den Truppen aus?«

Der Heerführer nahm noch einen Schluck.

»Mein König«, setzte er mit seiner tiefen schnarrenden Stimme an. »Zehntausend Fußsoldaten sind auf den Marsch Richtung Grün Aue. Fünfhundert Bogenschützen und tausend Berittene habe ich Richtung Dervon Tai geschickt ...«

»So wenig?«, fragte Rand. Er hatte die Fingerspitzen gegeneinandergedrückt und guckte Schadrazs von der Seite mit zu Schlitzen verengten Augen an.

»Nein mein König«, der Heerführer richtete sich auf. »Unsere Eliteeinheit begleitet sie.«

Ein leises Lächeln umspielte die Mundwinkel Rands.

»Wie viele?«, fragte er.

»Fast dreihundert, mein König.«

Ein erschrockenes Murmeln ging durch den Rat.

»Fast dreihundert!«, rief Rand freudig aus und sprang auf. Er schritt zum Fenster. »Wie viele schickt Dervon Tai uns entgegen?«

»Meine Kundschafter berichteten mir, dass ein Söldnerheer von ca. zweitausend Mann und die tausend Mann starke berittene Stadtgarde gegen uns ins Feld zieht.«

»Söldner?«

»Ein zusammen gewürfelter Haufen aus Menschen, Braks und Xin.«

»Wie lange werden sie standhalten?«

»Eine Stunde, länger nicht.«

Rand schaute immer noch durchs Fenster nach unten auf den Hof.

»Sobald der Kampf zu Ende ist, möchte ich das alle Gefangenen auf der Straße zu Dervon Tai gepfählt werden. Das Wehklagen der Armen soll über das ganze Land wehen, so dass jeder weiß, was ihm geschieht, wenn man sich gegen mich stellt. Verstanden?«

»Ja, mein König.« Schadrazs verabscheute solche Grausamkeiten. Außerdem würde es nichts bringen, außer dass die Rebellen noch mehr Zulauf bekommen würden. Des Weiteren waren es Söldner, mit ein paar Silberstücken mehr konnte man sie leicht überreden, die Seiten zu wechseln. Die Stadtgarde Dervon Tais waren ehrbare Soldaten, die man auch so behandeln sollte. Aber Rand war König und ihm hatte er zu gehorchen.

Vorno meldete sich zu Wort.

»Mein König darf ich sprechen?«

Rand kam zurück und legte seine beiden Hände von hinten auf die fetten Schultern des Schatzmeisters.

»Natürlich, sag was du auf dem Herzen hast, Dickerchen«, flüsterte er ihm ins Ohr.

Vorno wurde blass und Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn. Rand setzte sich wieder hin und schaute ihn lächelnd an.

»Mein König, wie ich vorhin schon erwähnte, gewähren uns die Kaufleute Galons den Kredit. Als Gegenzug möchten sie aber Gefangene, um sie verkaufen zu können.«

Rand senkte den Kopf und tippte die Fingerspitzen der Hände gegeneinander.

»Weiter ...«, brummte er.

»Unsere Kassen sind leer. Wir brauchen Nahrung für unser Heer. Allein unsere Eliteeinheit verschlingt täglich hundert Ochsen. Die nächste Eisenlieferung der Braks kommt nächste Woche und muss bezahlt werden und die Belagerungsmaschinen um Grün Aue einzunehmen sind auch noch nicht abgegolten und ...«

»Stopp!« Rand hob eine Hand. »Vorno, Ihr seid einfach eine zu ehrliche Seele und ... ihr habt zu wenig Fantasie. Ich sage Euch jetzt, wie man so etwas macht. Die Hälfte der Gefangenen geht an die Kaufleute. Sagt ihnen, dass sie mehr bekommen, wenn Grün Aue eingenommen ist. Die Braks vertrösten wir bis auf weiteres und sagen ihnen, dass sie Zinsen berechnen dürfen. In ihrer Gier werden sie darauf eingehen, bis wir uns deren Erzminen einverleibt haben. Die Handwerker bekommen schon mal ein viertel der Summe und sagt ihnen: Wenn Grün Aue eingenommen ist und die Katapulte volle Leistung erbracht haben, gibt es eine Provision oben drauf. Und als Futter für die Eliteeinheit nehmen wir die andere Hälfte der Gefangenen. Somit sind, glaube ich, alle Probleme gelöst. Und wenn ich nochmal Eure Probleme lösen muss, Herr Schatzmeister, habe ich anscheinend keine Verwendung mehr für Euch. Also strengt euch beim nächsten mal ein bisschen mehr an, ja?«

Vorno neigte ergeben seinen Kopf, soweit wie es sein gewaltiges Doppelkinn zuließ, und flüsterte erstickt ein: »Jawohl, mein König.«

Sragon der Statthalter von Argon Tai erhob sich.

»Mein König!?«

Rand stand wieder auf und ging zum Fenster. Zum wiederholten Male schaute er interessiert in den Hof. Er wedelte mit der Hand.

»Ja bitte!?«, sagte er genervt.

»Wir haben Andras´ Rebellen festgenommen!«

Rand drehte sich strahlend um.

»Wo ist der Schurke?«

»Andras selber ist uns entwischt, aber die Restlichen seiner Truppe sitzen im Kerker. Was sollen wir mit ihnen machen?«

»Was wir mit denen machen sollen. Hier stellt sich wohl eher die Frage, was wir mit dir machen sollen.« Er warf die Hände theatralisch über den Kopf, drehte sich wieder zum Fenster und schaute schweigend nach unten in den Hof.

»Findet ihn, Sucht überall. Ich will seinen Körper auf einen Pfahl sehen. Einen Term gebe ich euch Zeit. Wenn ihr mir Andras dann nicht übergebt, könnt ihr euch zu denen da unten gesellen.«

Er winkte Sragon herbei und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Der Statthalter schaute in den Hof und versuchte sich direkt wieder abzuwenden. »Na,na, wer wird denn so zimperlich sein«, flüsterte ihm Rand zu. »Versucht eure Aufgaben, besser zu erledigen, und ihr bleibt unversehrt.«

Er führte Sragon, dem die Knie zitterten und der so weiß, wie ein Laken war, zu seinem Stuhl und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, während der sich setzte.

Yorgato erhob sich. Der lange, schlank gewachsenen Mann neigte seinen Kopf. Als sein Unterhändler und Botschafter hatte er dem König bisher gute Dienste geleistet. Rand war gespannt und nickte.

»Mein König, die Verhandlungen mit Farna N’tasso und Farna N’oe sind abgeschlossen. Beide Städte sind bereit den geforderten Tribut zu zahlen, im Gegenzug werden wir sie nicht angreifen.« Rand beäugte ihn. »Wie wir alle wissen werden Verträge mit Feinden dafür gemacht um sie zu brechen. Bis dahin wird aber eine Menge Gold und Silber in Vornos Kassen gespült.«

Sein rattenähnliches Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, was wohl ein Grinsen sein sollte.

»Das ist schon paradox, nicht wahr ...«, und er gab ein winselndes Geräusch. Seine Art zu Lachen.

»Die beiden Städte finanzieren ihren eigenen Untergang.« Er setzte sich wieder und schaute triumphierend in die Runde.

Rand lächelte Yorgato mit hochgezogenen Augenbrauen von der Seite verschlagen an. »Du bist ein Mann nach meinem Geschmack«, und an die anderen gerichtet: »So geht das! Lernt von ihm!«

Er stand erneut auf und schlenderte zum Fenster.

»Es ist schon erstaunlich, was ein Mensch alles so aushält, bevor er stirbt.« und lauter. »Ihr seid entlassen!«

Stühle schabten über den Boden. Die schweren Schritte Schadrazs’s, das klatschende Watscheln Vornos, das schnelle Tippeln Yorgatos und das langsame Schlurfen Sragons entfernten sich.

Rand richtete sein Interesse wieder dem Geschehen im Hof zu.

»Leben noch alle?«, rief er hinunter.

»Ja mein Herr!«, antwortete Krondat, der Scharfrichter.

»Wie lange hast du für alles gebraucht?«

»Gut eine Stunde. Für’s Pfählen zehn Minuten, das Häuten hat bestimmt zwanzig Minuten gedauert, dafür habe ich aber kein Loch in die Haut gestoßen. Die Gliedmaßen abschlagen hat nur eine Minute gedauert, da hat das Abbinden vorher und das Ausbrennen der Wunden nachher länger gedauert. Aber das Ausweiden, das braucht seine Zeit. Das ist ja wie eine Operation. Aber ich habe es geschafft den Magen und Darm heraus zu nehmen ohne großen Blutverlust.«

»Guter Mann! Lass dir ein Fässchen Wein geben. Und morgen früh will ich wissen, wie lang ein jeder geschafft hat. Diese Eskorte des Boten scheint auf jeden Fall härter im Nehmen zu sein, als der gute Surubaya selber. Wie geht’s dem denn überhaupt? ... ach, ich schaue gleich selber nach.«

Er wandte sich ab, drehte sich aber sogleich nochmal um.

»Noch was. Nimm` denen da jetzt mal die Knebel aus den Mündern, sonst ersticken die noch.«

Lachend über seinen Witz machte er sich auf zum Kerker.

Skrat, Trewas oder Zusa öffnete ihm die Tür. Ein Übelkeit erregender Gestank nach verbranntem Fleisch schlug ihm entgegen.

»Meiner Treu. Ihr müsst hier mal lüften.« Grinsend knuffte er dem Maskierten mit der Faust gegen die Schulter. Er nickte dem Schreiber zu, der wie immer mit versteinerter Miene am Tisch saß und zurück nickte, ohne irgendeine Gefühlsregung zu zeigen.

»Dann wollen wir mal schauen, wie es unserem verstockten Freund geht.« Rand schaute sich Surubaya genau an.

Am zweiten Tag hatten sie ihm alle Fingernägel ausgerissen und danach mit Hammer und Meißel jeden Finger im Zwei-Minutentakt abgeschlagen. Er hatte geschrien, bis er heiser war, aber Geheimnisse gab er nicht preis. Dennoch. Er musste etwas wissen. Das hatte Rand im Gefühl. Abends hatten sie dann weiter gemacht. Sie schlugen mit der Eisenstange die Unterarme zu Brei. Aber Surubaya blieb standhaft.

Heute Morgen schnitten sie ihm beide Ohren und die Nase ab und fügten ihm mit Brandeisen schwerste Verbrennungen am Bauch zu. Dann hatten sie ihm glühende Nägel durch die Kniegelenge getrieben. Aber auch danach winselte er nur um Gnade.

Rand nickte einem der Maskierten zu. Der drehte sich zur Feuerschale um und nahm die jetzt rotglühende Eisenstange, die sie sonst zum Knochenbrechen benutzten, mit einem dicken Handschuh geschützt, heraus.

Halb bewusstlos stierte Surubaya auf den glühenden Stab, der sich seinem Auge näherte.

»Ich weiß doch nichts«, wimmerte er.

Es zischte und blubberte. Öliger Rauch stieg auf und Surubaya stieß einen schrillen Schrei aus, der nicht mehr menschlich zu nennen war. Der ganze Körper erstarrte in einem Krampf. Die Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert, das übrig gebliebene Auge war weit aufgerissen. Er hatte vor Schock, aufgehört zu atmen. Einer der anderen Maskierten schüttete einen Eimer mit Wasser dem gepeinigten ins Gesicht, um ihn aus der Schockstarre zu holen, was auch mit einem lauten Röcheln geschah.

Rand wedelte den Rauch weg.

»So, ist dir jetzt was eingefallen?«

»Ich weiß wirklich nichts. Wirklich. Ich schwöre. Ich bin doch nur ein Bote«, sabberte Surubaya fast nicht mehr zu verstehen.

»Nein, bist du nicht«, schrie Rand. »Du bist nicht nur ein Bote, sondern der Sohn des Srighani von Reyen Lak. Du musst etwas wissen«, brüllte er ihn weiter an. Langsam ging er zum Tisch.

Er schüttelte den Kopf und sagte zum Schreiber gewandt:

»Spion ist weiterhin verstockt. Er wird weiterhin verhört«, und zu den Maskierten sagte er grinsend: »Schafft ihn weg, und danach könnt ihr aber wirklich mal lüften.«

Eine Melodie flötend verließ er gut gelaunt den Raum. Kurz bevor er den Ort der Qual ganz verlassen hatte, streckte er noch einmal keck den Kopf durch die Türöffnung.

»Ach ja, Surubaya. Morgen geht es weiter.«

Er kniff ihm ein Auge zu und ging.

Thuazar

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