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1.4. Wahrnehmung

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Wahrnehmung aus biologischer und philosophischer Sicht

Wahrnehmung ist der Prozess der Verarbeitung von Informationen durch einen Sinneskanal. Wahrnehmung wird neben der biologischen Betrachtung besonders von der Philosophie diskutiert. In dieser philosophischen Theorie wird Wahrnehmung entweder als reiner Strahl der Informationsaufnahme oder als Zusammenfassung von Sinnesdaten mit Empfindungen, Stimmungslagen, Interessen, Erwartungen, Aufmerksamkeit, Vorstellungen und Gedächtnisinhalten betrachtet. Demnach kann Wahrnehmung nur die Information an sich, aber auch deren Kategorisierung im Hirn des Empfängers sein. Schon Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) unterschied bei der Wahrnehmung zwischen sinnlicher (aisthesis, sensus) und der geistigen Wahrnehmung (noesis, intellectus), welche dann Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz (1646 bis 1716) in Form von Perzeption und Apperzeption differenziert hat: Dabei folgt die geistige Wahrnehmung stets der sinnlichen Wahrnehmung.

Wahrnehmung im Kontext von Kommunikation

Neben allgemeinen Wahrnehmungsarten beschriebt dieses Kapitel Wahrnehmungslücken. Wie in der Kommunikationslehre ist bei der Betrachtung von Wahrnehmung die Beziehung zwischen Sender und Empfänger und der Informationsaustausch von besonderer Signifikanz. In dieser Beziehung und im Prozess der Informationsübertragung kann es zu Fehlern kommen. Als wahrnehmender Empfänger unterliegen Sie vielen subjektiven Störeinflüssen, welche die gesendete Information ebenfalls verzerren. Eine interne Selektion und Gewichtung der Informationen kann abhängig von unterschiedlichen Intentionen des Empfängers stattfinden. Zweitens beeinflussen persönliche Erfahrungen die Informationsaufnahme durch die fortwährende Interpretation des Empfangenen. Als dritter Faktor spielt die Befindlichkeit, also die aktuelle physiologische und psychologische Situation des Empfängers, eine Rolle. Mit dieser Grundlage zur Wahrnehmung und der Möglichkeit von einzelnen Störungen wird dann das Modell des Selbst- und des Fremdbildes vorgestellt.

Wahrnehmungsarten

Fünf Wahrnehmungskanäle

Wahrnehmung besteht aus der physiologischen Verarbeitung von Reizen und der psychologischen Verarbeitung dieser Reize im zentralen Nervensystem. Als Reize und die damit verbundenen Sinne sind zum heutigen Kenntnisstand fünf Faktoren bekannt:

▪ 1. Visuelle Reize (Sehen)

▪ 2. Auditive Reize (Hören)

▪ 3. Kinästhetische Reize (Fühlen)

▪ 4. Olfaktorische Reize (Riechen)

▪ 5. Gustatorische Reize (Schmecken)

In der menschlichen Wahrnehmung können je nach diesen fünf Reiztypen unterschiedliche Reize aufgenommen werden, welche im Folgenden dargestellt sind.

Visuelle Reize (Sehen)

Visuelle Reize bei der Wahrnehmung von Personen und ihrer Ausstrahlung

Bei den visuellen Reizen spielen der Körperbau, die Figur, das Gesicht, die Haare, das Auftreten, die Bewegung, die Ausstrahlung und die Kleidung eine Rolle. Diese Reize sind erfahrungsgemäß die ersten Reize, welche wir in Verbindung zu einer Person oder einem Gegenstand bringen können. Selbst wenn wir eine Person zuerst hören, findet die Zuordnung von Reizen zu einer Person erst beim Blickkontakt mit dieser Person statt. Die visuelle Wahrnehmung ist im Berufsleben kaum zu unterdrücken. In manchen Ländern werden im Gespräch unter Umständen zur besseren Konzentration zwar die Augen geschlossen, aber auch so können Sie sich unmöglich dem Einfluss des Reizkomplexes entziehen. Visuelle Reize, wie zum Beispiel das körperliche Auftreten einer anderen Person, werden stets in den Kontext mit Erfahrungen und Impressionen gesetzt. Entsprechend sehen Sie eine Person im Anzug nicht nur als eine Person im Anzug, sondern vermutlich als seriöse Geschäftsperson. Dieser Verknüpfung sollten Sie sich bewusst werden, um sie nicht in einigen Situationen zu überschätzen und falsche Konsequenzen zu ziehen.

Außerdem sollten Sie sich ebenfalls bewusst sein, dass jede Person solche Implikationsmuster zusammenstellt und dass Sie diese entweder aktiv für sich verwenden können oder zumindest zur Kenntnis nehmen sollten. Ältere Kunden bei einer Bank erwarten beispielsweise einen Bankangestellten im Anzug. Aus jahrzehntelangen Erlebnissen Tag für Tag bei der Bank ist diese Vorstellung entstanden und hat sich manifestiert. Wird diese ältere Person heute von einem jungen Mann im gepflegten Rollkragenpullover an einen Beratungstisch gebeten, ist ein erster psychologischer Konflikt vorprogrammiert.

Auditive Reize (Hören)

Wortwahl und Stimmeinsatz bestimmen die Ausstrahlung einer Person

Auditive Reize sind zum Beispiel Sprach- und Sprechausdruck in Form von Wortwahl, Stimme und Tonfall. Besonders der Tonfall in Form von Rhythmik, Lautstärke und Tonlage ist ein besonderer Sympathieträger. Er kann zum Beispiel bei ausschließlicher Kommunikation über das Telefon ein die Persönlichkeit bestimmender Faktor werden. In Kapitel 2.2. wird detaillierter auf Wortwahl sowie auch paraverbale Rhetorik, wie beispielsweise Stimmlage und Atmung, eingegangen. Hier sei bereits erwähnt, dass besonders ein ausgewogenes Gesprächsbild als seriös betrachtet wird. Dabei ist immer zu beachten, mit wem Sie sprechen und welche Wahrnehmung diese Person hat. Einen 60-jährigen Seniormanager werden Sie kaum mit Bandnudelsätzen und kreativen Grammatikstrukturen beeindrucken können, was hingegen bei der Präsentation im Kunst- und Literaturgewerbe positiv sein kann. Ebenso wenig werden Sie selbst durch eine für die Person unzweckmäßige Sprache beeindruckt oder außergewöhnlich positiv gestimmt.

Kinästhetische Reize (Fühlen)

Handschlag und Schulterklopfen

Kinästhetische Reize können beispielsweise während eines Handdrucks aufgenommen werden, etwa Kraft, Handtemperatur oder Handschweiß. Der Händedruck unterliegt internationalen Unterschiedlichkeiten. Dies wird im Kapitel 3.4. beschrieben. Kinästhetische Reize sind in beruflicher Umgebung mit besonderer Vorsicht zu beachten. Ein freundliches Klopfen auf die Schulter kann annähernd gemeint sein, aber äußerst ablehnend aufgenommen werden. In Führungskräfteentwicklungscamps wird hingegen zum Beispiel bei Überlebenstrainings in der Natur der aktive Körperkontakt durch gegenseitige Hilfestellungen bewusst forciert.

Olfaktorische Reize (Riechen)

Olfaktorische Reize können Körper- und Mundgeruch oder ein Parfum sein. Besonders die Wahrnehmung von körpereigenem Geruch und Parfum charakterisiert sich stark unterschiedlich. Unbestritten ist jedoch die psychologische Wirkung von einem „Jemanden-nicht-riechen-können“.

Gustatorische Reize (Schmecken)

Gustatorische Reize anderer Person können Sie in Form eines Begrüßungskusses empfangen. Diese Form der Wahrnehmung hat jedoch geringen Einfluss in der gewöhnlichen beruflichen zwischenmenschlichen Beziehung.

Wahrnehmungslücken

Wahrnehmung besteht aus dem Wahrgenommenen und dem Wahrnehmenden. Beide Einheiten können Störungen und Lücken in der Wahrnehmung verursachen, welche dann zwar ebenfalls zu einer Wahrnehmung, jedoch zu einem verzerrten Sinneseindruck, führen. Störungen auf der Seite des Wahrgenommenen können im Allgemeinen alle Falschaussagen sein, welche beabsichtigt oder unbewusst gegeben werden. Diese Aussagen können in Form von verbaler, aber auch nonverbaler Kommunikation entstehen. Beispielsweise kann der Schweißgeruch eines Redners an seiner Nervosität, aber auch an der beschwerlichen Anreise liegen. Sie sollten Ihre Interpretation des Wahrgenommenen also beständig überprüfen. Diese Überprüfung geschieht vorwiegend automatisch, Sie können sie aber auch bewusst anstoßen und systematisch vollziehen (Kapitel 2.2.).


Abbildung 23: Wahrnehmungslücken zwischen Sender und Empfänger

Die zweite Möglichkeit einer Wahrnehmungsstörung kann in der Eigenheit des Wahrnehmenden liegen. Als aufnehmende Person können Sie aufgrund von selektiven, interpretatorischen und integrativen Gesichtspunkten etwas Fehlerhaftes auffassen. In der Betrachtung von physiologischer und psychologischer Wahrnehmung können Ihnen im schlimmsten Fall beide Faktoren einen Streich spielen.

Das Johari-Fenster

Nicht ganz als Störung, aber möglicherweise als Lücke, können Sie Begebenheiten schematisieren, welche weder von Ihnen noch von einem Beobachter wahrgenommen werden können. Bei der Betrachtung der eigenen Verhaltensmuster gibt es zusätzlich Eigenschaften, welche nur uns bekannt sind, und Eigenschaften, welche der breiten Öffentlichkeit bekannt sind, bzw. von ihr wahrgenommen werden. Diese Schematisierung kann in dem Johari-Fenster, benannt nach Joe Luft und Harry Ingham, veranschaulicht werden. Dieses Schema zeigt auf, dass die Wahrnehmung einer Persönlichkeit stets aus vier Teilen zusammengesetzt ist. Außerordentlich bedeutend für die Abweichung zwischen Selbst- und Fremdbild sind die Bereiche „Privatperson“ und „Blinder Fleck“ des Johari-Fensters. Die wahrgenommenen Faktoren der „Privatperson“ werden nur im Selbstbild auftauchen und Eigenschaften des „Blinden Flecks“ nur im Fremdbild.

Tabelle 3: Das Johari-Fenster

Verhaltensbereiche Mir selbst bekannt Mir selbst unbekannt
Anderen bekannt Öffentliche Person Blinder Fleck
Anderen nicht bekannt Privatperson Unbekanntes

Selbstbild

Wer sich nicht selbst kennt, weiß gar nichts!

Unterschiedliche Definitionen von „Selbstbild“

Die Definitionen vom Begriff des Selbstbildes fallen unterschiedlich komplex aus. Neben Scharfetter, Gordon und Trautner ist wohl die Herangehensweise von Deusinger am präzisesten. Für ihn stellt ein Selbstbild ein Selbstkonzept dar, welches aus Attributen wie zum Beispiel Fähigkeiten, Handlungen, Interessen, Wünschen, Gefühlen, Wertschätzungen und Stimmungen besteht.

Nach dem Johari-Fenster bezieht sich das Selbstbild auf die linke Hälfte der Tabelle, sprich auf den Bereich „Öffentliche Person“ und „Privatperson“. Neben dem passiven Selbstbild, welches jede Person in der Pubertät entwickelt, ist das Formulieren eines aktiven Selbstbildes von großer Bedeutung. Im Rahmen von Zielformulierung und Zukunftsplanung kann es zur praktischen Grundlage und „Road-Map“ werden. Es bildet den Ausgangspunkt für Bewerbungen und zahlreiche folgende Themenbereiche in diesem Buch. Ein fertiges und bestenfalls visualisiertes Selbstbild muss der Erstellung folgend interpretiert werden, um es aktiv als Quelle und Orientierung neuer Entwicklung zu verwenden.

Bedeutung

Selbstbild als Werkzeug und Ergebnis der Selbsterkenntnis

Die Erstellung eines Selbstbildes ist im Rahmen der Persönlichkeitsanalyse ein bedeutungsvoller Schritt. Er ist geprägt von strukturellen Schwierigkeiten, birgt aber auch beträchtliche Gewinnaussichten. Das Selbstbild visualisiert die eigene Wahrnehmung von Denk-, Fühl- und Verhaltensmustern in einem Bild und ergänzt es mit konkreten Zielvorstellungen. Es ist die Abbildung von Persönlichkeit und Kompetenzen; es ist Bestandsaufnahme, was Sie bis jetzt erreicht haben, und Grundstock zur Orientierung für die Zukunft. Für Bewerbungen, Zielformulierung und Lebensplanung kann das Selbstbild ein adäquates Mittel sein, um in den jeweiligen Themenkomplex hineinzufinden. Ein Selbstbild ermöglicht Ihnen, sich selbst besser zu ergründen und die über die Jahre gesammelten akademischen und beruflichen Erfahrungen, ergänzt durch soziale Aspekte, wie beispielsweise Ziele und Werte, strukturiert darzustellen und zu konsolidieren. Diese strukturierte Darstellung wirft damit Lernfelder auf und ist elementare Grundlage für eine Positionierung in einem Lebenslauf oder in der Selbstvermarktung.

Erstellung

Wie erstelle ich ein explizites Selbstbild?

Ein Selbstbild ist ein vorerst freies Bild, welches mit Inhalten gefüllt werden kann. Dieses Gesamtbild kann ungeordnet zusammengesetzt und improvisiert sein oder von Ihnen strukturiert angegangen und gezeichnet werden. Welche Inhalte Sie in das Selbstbild einfließen lassen wollen, steht Ihnen frei. In diesem Abschnitt möchten wir Ihnen jedoch eine Struktur vorstellen, welche als Orientierung zum groben Aufbau dient, alle wichtigen Aspekte zusammenführt und im Folgenden auch genügend Freiraum für individuelle Anpassungen lässt.An dieser Struktur wird dann auch ein Großteil der exemplarischen Interpretation durchgeführt.

Als Medium nehmen Sie ein großes Papier, möglichst DIN-A1-Format. Der Computer bietet trotz neuartiger Programme kein adäquates Mittel zur Konzipierung eines Selbstbildes. Weder der „Brainstorming-Modus“ des „Mindmanagers“ von „Mindjet“ gibt persönlicher Formgebung eine ausreichende Möglichkeit noch bietet „Microsoft Visio“ genügend Flexibilität, um schnell, frei und bequem Zeichnungen anzufertigen. Demnach sollten Sie ganz konventionell zu Blatt und Papier greifen und es bei Bedarf danach in Ruhe mit dem Computer abzeichnen. Zur konkreten Formulierung teilen Sie das Blatt im Querformat logisch in zwei Hälften durch einen vertikalen Strich in der Mitte. Für den ersten Schritt verwenden Sie nur die linke Hälfte des Papiers (Abbildung 24)).

In einem Selbstbild sollten Attribute wie Werte und Glaubenssätze, Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster, Fähigkeiten, Stärken und Schwächen, Interessen, Ziele und Wünsche dargestellt werden. Dabei integriert das Selbstbild alle persönlichkeitsrelevanten Punkte mit Zielvorstellungen.


Abbildung 24: Selbstbild erstellen und visualisieren

Mit den Glaubenssätzen anfangen

Auch wenn es am schwersten anmutet, sollten Sie mit den Werten und Glaubenssätzen beginnen (Kapitel 1.1.). Diese Grundlagen stellen Sie als Sockel Ihres Selbstbildes unten auf der linken Blatthälfte in Höhe von 1/5 des Platzes dar. So haben diese Faktoren ihren Einfluss auf alle anderen folgenden Punkte und gestatten, jeden Teil des Selbstbildes mit ihnen zu verbinden. Danach folgen die Persönlichkeitseigenschaften wie Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster (Kapitel 1.3.). Dabei können Sie zum Beispiel konkrete Verhaltensweisen (ruhig, dynamisch) sowie die Neigungen zu bestimmten Führungsstilen (autoritär, antizipierend) oder Gefühlen (eifersüchtig, mitleidig, hart) darstellen. Sie bilden die Grundlage Ihres Handelns. Setzen Sie diese Punkte als eine Pyramide oder ein Dreieck auf das rechte Drittel des Sockels in gleicher Höhe wie den Wertesockel und teilen Sie die Form in drei Abschnitte. In diese Dreiteilung tragen Sie nun die Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster ein.

Das linke Drittel wird mit einer zweiten halben Pyramide ergänzt, welche die Interessen beinhalten soll. Über diese zwei Pyramiden werden jetzt drei Wolken gezeichnet. Die erste und linke Wolke wird mit den identifizierten Stärken genährt. Die mittlere Wolke enthält konkrete fachliche Kompetenzen, beispielsweise Computer-Knowhow. Die dritte Wolke, die Wolke ganz rechts, ist der Ort, um Ihre Schwächen einzutragen.

Änderungen sind auch nachträglich möglich

Wählen Sie für die drei Wolken ruhig unterschiedliche Farben, halten Sie jedoch die Farbe in einer Wolke gleich. Passen Sie ebenfalls auf, dass Sie zwischen den Wolken keinen Platz lassen, um Verbindungslinien von unten nach oben ohne einen Wolkendurchstoß zu verhindern. Nun sollten gut 60 Prozent der ersten Blatthälfte gefüllt sein. Als oberen 20-prozentigen Abschluss zeichnen Sie in Form eines anderen Sockels private langfristige Ziele, wie beispielsweise eine Familie oder einen eigenen Garten, ein. Zwischen dem oberen Sockel und den Wolken kommen nun weitere Ziele in einzelne oder zusammenhängende Blasen. Damit ist die retrospektive Hälfte des Selbstbildes abgeschlossen. Seien Sie so frei, Änderungen vorzunehmen und ergänzende Verbindungslinien zu ziehen.

Erweiterung zu einem umfassenden Beurteilungsbild

Nun wird die rechte Hälfte der Seite verwendet. Diesen Teil können Sie an zweierlei Überlegungen anpassen. Die erste und bessere Möglichkeit, ist nun die konkrete Auswertung des retrospektiven Selbstbildes und die Entwicklung von Bearbeitungspunkten vorzunehmen. Dieser Teil soll als zukunftsorientiertes Selbstbild bezeichnet werden, da er unser jetziges Bild der eigenen möglichen Entwicklung darstellt. Diese Auswertung bzw. Erstellung des zukunftsorientierten Selbstbildes wird im nächsten Kapitel angesprochen. Die zweite Möglichkeit ist die Erweiterung des retrospektiven Selbstbildes zu einem umfassenden Beurteilungsbild. Dabei können Sie den Aufbau ohne die Blasen und Verbindungslinien, also nur den oberen und unteren Balken, die Pyramiden und die drei Wolken von der linken Seite, abzeichnen und eine andere Person oder eine Gruppe von Personen bitten, nun dieses Bild auszufüllen. Dabei sollten Sie den inhaltlichen Aufbau beibehalten. Die Gestaltung in der gleichen Form dient der Übersichtlichkeit der Darstellungen und der besseren Interpretation der Abweichungen zwischen Selbst- und Fremdbild.

Interpretation und Verwendung

Die Erstellung eines Selbstbildes sollte eine Interpretation und eine aktive Verwendung des Bildes zur Folge haben. Besonders in Seminaren wird im Rahmen von Diskretion auf die detaillierte Interpretation des Selbstbildes verzichtet. Wird das Selbstbild lediglich angefertigt und neben zahlreichen anderen Selbstbildern anderer Teilnehmer mit einem kurzen pauschalen Kommentar abgetan, dann ist es beinahe wertlos – abgesehen von der kollektiven Freude, das Selbstbild fertig gestellt zu haben.

Beruf, Karriere, Privatleben und Zukunft

Der Erstellung eines Selbstbildes folgt die Auswertung. Wenn Sie die obige Struktur eingehalten haben, können Sie dafür nun die zweite Hälfte des Arbeitsblattes oder, falls diese Hälfte bereits mit einem Fremdbild oder weiteren Punkten ergänzt wurde, eine neue Seite verwenden. Der Platz wird durch drei horizontale Striche in vier gleich große horizontale Kästen aufgeteilt. Das untere Viertel können Sie nun mit „Beruf“, das darüber mit „Karriere“, das folgende mit „Privatleben“ und das oberste mit „Zukunft“ bezeichnen.


Abbildung 25: Selbstbild – Auswertung nach Lebensbereichen

Erneut fangen Sie unten in diesem Schema an, um es Stück für Stück auszufüllen und eine strukturierte Auswertung zu ermöglichen. Im Kasten „Beruf“ vermerken Sie, welche Fachkompetenzen fehlen, um wertvollere Arbeitsergebnisse abzuliefern. Hier sollten Sie nur Fachkompetenz und keinerlei Soft Skills berücksichtigen. Fehlen könnten Ihnen zum Beispiel Sprach- oder Rechtkenntnisse, Computer- oder Elektrikerwissen. Folgend bearbeiten Sie den zweiten Kasten, bezeichnet durch „Karriere“. In diesem führen Sie Stärken auf, welche Sie vorteilhafter positionieren möchten, und die Schwächen, an welchen Sie aktiv arbeiten sollten. Dies bezieht sich auf Fachkompetenz und die Soft Skills. Ihre Schwächen und hauptsächlich Ihre Stärken werden dauerhaft Ihre Karriere determinieren.

Der nachfolgende Kasten, „Privatleben“, fügt persönliche Faktoren hinzu, auf welche Sie im Moment verzichten könnten. Dazu gehören auch Einzelheiten, welche Sie möglicherweise später für die Zukunft planen, wie vielleicht Kinder, Familie oder ein eigenes Haus mit Garten. In den letzen Kasten werden alle Punkte eingetragen, auf welche Sie auf lange Sicht nicht verzichten möchten. Diese Punkte sind schnell beschrieben, es dauert aber verhältnismäßig lange, um sie wirklich niederzuschreiben. Dies gehört aber zum effektiven Auswertungsprozess und ist einer der großen Mehrwerte eines Selbstbildes.

Eindruck über die eigene Persönlichkeit

Durch das Selbstbild haben Sie nun einen umfassenden Eindruck über Ihre eigene Persönlichkeit manifestiert. Einige Erkenntnisse haben Sie nun in den unteren beiden Feldern der Auswertungsgrafik ebenfalls schon mit deutlichen Herangehensweisen versehen. Zu diesen Anregungen sollten Sie nun prompt weitere Schritte einleiten. Die Punkte im ersten Kasten sollten Sie sofort durch Kursteilnahmen oder Fortbildungsmaßnahmen angehen. Oft gibt es dafür auch Förderung vonseiten des Arbeitgebers oder Arbeitsamtes. Punkte des zweiten Kastens sind für die mittelfristige Lebensplanung von Relevanz. Meistens sind diese Aspekte durch Kurse nur unzureichend zu bearbeiten, sondern bedürfen bedächtiger Einarbeitung im Alltag. Dafür kann ein deutlicher Plan entstehen, welchen Sie beispielsweise täglich auswerten können. So hat zum Beispiel Benjamin Franklin (1706 bis 1790) einen konkreten Tugendplan aufgestellt und allabendlich ausgewertet, welchen Punkt er wie weit erfüllt hat. Solch ein Plan wird einen durchschnittlichen Arbeitnehmer zu viel Zeit und Aufwand kosten. Demnach können Sie sich aber einfach eine Zusammenstellung aller Ihrer relevanten Punkte ins Auto oder an den Bildschirm im Büro kleben.

Die Punkte im dritten und vierten Kasten dienen weniger der aktiven Verwendung als viel mehr einer Orientierung, denn hin und wieder werden durch das Streben nach ehrgeizigen Zielen Basiswerte aufgegeben und auf private Verwirklichung verzichtet. Dessen sollten Sie sich bewusst werden: In 50 Jahren können Sie immer noch arbeiten, Aufgaben wird es genug geben, aber können Sie dann noch Ihre Familie genießen oder eine gründen?

Selbstbilder müssen ständig bearbeitet und neu entworfen werden

Ein Selbstbild ist eine Momentaufnahme, welche von emotionalen Zuständen und gerade erst vergangenen Situationen beeinflusst wird. Ein Selbstbild sollte nicht nur andauernder Bearbeitung unterliegen, sondern Sie sollten es nach einiger Zeit auch vollständig neu anfertigen. Dabei können Sie durch die verbesserte Auswertungsphase weitere Herangehensweisen entdecken und formulieren. Das Erstellen des Selbstbildes und das Verwenden der Ergebnisse sollten ein fortwährender Kreislauf werden. Durch ergänzendes Feedback und Fremdbilder können Sie in der Zukunft immer besser ein Selbstbild erstellen, da Ihnen am Anfang konkrete Formulierungen fehlen, welche Ihnen aber dann im Laufe der Zeit förmlich zufliegen werden.

Fremdbild

Der Bereich des „Blinden Flecks“

Das Fremdbild ist nicht nur als Komplementär zum Selbstbild ein wichtiges Element der Wahrnehmung, sondern dient auch dazu, die Sensibilität Ihrer Wahrnehmung zum Verständnis Ihrer Umwelt zu erhöhen. Nach dem Johari-Fenster bezieht sich das Selbstbild auf die rechte Hälfte der Tabelle, sprich auf den Bereich des „Blinden Flecks“. Ein Fremdbild kann von fast jeder Person erstellt werden, doch nur in den beruflichen Gefilden erscheint es von besonderer Relevanz. Abgesehen von festen Freundschaften, in welchen eine ständige Reflexion und, wenn nötig, Kritik geübt wird, sollte ein Fremdbild unter Freunden nur mit großer Vorsicht erstellt werden. Erster Grund dafür ist, dass erfahrungsgemäß die Ergebnisse zu dicht an den Resultaten des Selbstbildes liegen, und zweitens besteht die Gefahr der unsachlichen Vermengung von privaten und beruflichen Komponenten.

Ein Fremdbild können Sie recht unkompliziert erbitten. Einen großen Mehrwert entwickelt sich jedoch nur bei einer gründlichen Konzipierung und Durchführung des Erstellungsprozesses. Wird eine Führungskraft mit der Anfrage überrascht oder nicht genau eingewiesen, wo sie welchen Punkt in welcher Tiefe einzutragen hat, kann das Ergebnis irgendwo zwischen niederschmetternd und exorbitant gut ausfallen, ohne jedoch einen geringsten Wert zu haben.

Ein Fremdbild hat einzelne Komponenten und verschiedene Anspruchsgruppen, welche in den folgenden Abschnitten erläutert werden und die Sie alle aktiv berücksichtigen sollten.

Bedeutung

Wie man von anderen wahrgenommen wird

Die Bedeutung eines Fremdbildes liegt darin, dass es Ihnen Auskunft gibt, wie Sie von Personen in Ihrer Umgebung wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmung kann von Person zu Person unterschiedlich sein und kaum eine dieser Wahrnehmungen entspricht wohl unserem eigenen Empfinden. Da Sie aber stets in Gruppen interagieren, sei es privat oder beruflich, gehört die Wahrnehmung unseres Auftretens zu Ihrem Gesamtbild hinzu. Ist Ihnen bewusst, wie welche Handlungen aufgenommen werden, können Sie diese Handlungen besser einsetzen oder vermeiden. In der Konzeption eines Fremdbildes wird die Wahrnehmung bestimmter fachlicher und sozialer Kompetenzen bei einer Gruppe von Personen erfragt. Diese Aspekte oder Kategorien können genau die gleichen wie die Kategorien eines Selbstbildes sein, bilden jedoch meist nur eine Teilmenge dieser Elemente.


Abbildung 26: Aspekte und Elemente von Selbstbild und Fremdbild

Auch Fremdbilder sind subjektiv

Ebenso wie ein Selbstbild unterliegt auch ein Fremdbild verschiedenen externen Einflüssen. Eine Person wird stets in der Rolle beurteilt, in welcher sie auftritt. Diese Rollen können Chef, Konkurrent im Unternehmen, Ehepartner oder Bruder sein. Folglich ist ein Fremdbild sehr zielgruppenvariabel. Diese Ergebnisvarianz stellt sich bei einer etwas größeren Befragungsgruppe als sehr gute Quelle für ein umfassendes Bild dar, wobei alle Anmerkungen als Summe und nicht als Durchschnitt in das Fremdbild einfließen sollten.

Dabei müssen Sie ein Fremdbild stets im Zusammenhang mit dem Beurteilenden einordnen und interpretieren. Zur Bedeutung des Fremdbildes ist es ebenfalls wichtig, zu erwähnen, dass gerade diese Einschätzungen erst ein Selbstbild interessant machen. Die Frage, ob eventuelle Stärken und Schwächen auch als solche wahrgenommen werden, ist außerordentlich wichtig für die Karriereplanung und individuelle Zieldefinitionen.

Die Interpretation von einem Fremdbild sollte immer auf der Basis eines bereits erstellten Selbstbildes erfolgen. Damit wird vermieden, dass Sie sich durch die unmittelbaren Aussagen des Beurteilenden beeinflussen lassen. Ein authentisches Selbstbild zur Ergänzung eines Fremdbildes ist kaum herstellbar, in der umgekehrten Reihenfolge entstehen jedoch keine gegenseitigen Beeinflussungen.


Abbildung 27: Ablauf einer Analyse von Selbstbild und Fremdbild

Erstellung

Beim Erstellen eines Fremdbildes einen 360°-Ansatz wählen

Das Anfertigen eines Fremdbildes ist für die Entwicklung einer Persönlichkeit äußerst bedeutend. Gerade die Erstellung scheint keinerlei Schwierigkeit zu bergen, jedoch gerade für die spätere aktive Verwendung des Fremdbildes bedarf es gewissenhafter Vorbereitungen. Allzu oft wird ein Fremdbild von einer Führungskraft angefertigt, die von der Fragestellung und Lösung überfordert ist und in knapper Zeit und meist unstrukturiert probiert, nichts Verletzendes und pädagogische Formulierungen zu finden und niederzuschreiben. Damit erringen Sie allerdings maximal ein anspruchsloses und oberflächliches Fremdbild ohne Potenzial der Entwicklungsmöglichkeit.

Zur Identifikation der Befragungsgruppe zur Anfertigung der Fremdbilder verweisen wir auf die Beschreibung des 360°-Feedbacks (Kapitel 1.3.). Beim Erstellen eines Fremdbildes sollten Sie ebenfalls einen 360°-Ansatz wählen. Dies erlaubt, Gefälligkeit und pädagogische Ansätze von einzelnen Bezugsgruppen zu entmachten und ein deutliches Bild Ihres Auftretens zu erlangen. Direkte Bezugsgruppen sind also beruflich-hierarchisch Über-, Gleich- und Untergeordnete sowie Freunde und Familie. Sie sollten nicht von besonders engen Freunden und Verwandten ein umfassendes Fremdbild verlangen. Diese Personen können Teilbereiche des Fremdbildes gut abdecken, und diese Chance sollten Sie auch nutzen. Allerdings birgt ein Fremdbild dieser Personen über Missverständnisse und Dopplung von Aussagen auch arge Verzerrungen.

Stärken und Schwächen, Fachkompetenz, Interessen, Verhaltensweisen und Ziel

Zur Erstellung bieten sich die Punkte an, welche Sie auch schon im Selbstbild abgedeckt haben, dabei können jedoch einige Bereiche durch andere substituiert werden. Als konkrete Elemente bieten sich Stärken und Schwächen, Fachkompetenz, Interessen, Verhaltensweisen und Ziele an. Dabei sind die Bereiche Interessen und Ziele für den Beurteilenden besonders schwierig einzuschätzen, vor allem, wenn Sie bei der Erstellung und folgenden gemeinsamen Auswertung des Fremdbildes ihm direkt gegenübersitzen. Trotzdem spielen diese Aspekte eine elementare Rolle in Ihrer individuellen Interpretation. Wird es abgelehnt, einen dieser Bereiche zu bearbeiten, sollten Sie hart bleiben und darum bitten, wenigstens Vermutungen zu äußern. Diese können Sie, um sie von den anderen Punkten abzugrenzen, in einer anderen Farbe notieren lassen.

Dem Befragten Zeit lassen

Bei der Erstellung des Selbstbildes sollten Sie nicht selbst schreiben, sondern dies sollte ausschließlich der Befragte tun. Auch Ihre direkte Anwesenheit ist manchmal eher störend. Versuchen Sie, eine stichhaltige Unterweisung in die gewünschte Struktur und die Inhalte zu geben, und lassen Sie dann dem Befragten ausreichend Zeit, das Bild zu zeichnen. Die erwähnten Punkte können in ein vorbereitetes Blatt mit der leeren Struktur des Selbstbildes eingearbeitet werden oder Sie überlassen dem Interviewten die Ausgestaltung vollkommen frei. Falls Sie die beispielhafte Struktur von Abbildung 24 zur Erstellung des Selbstbildes verwenden wollen, können Sie genau jetzt die zweite Hälfte des Blattes einbringen. Dazu kleben Sie die andere Hälfte, also Ihr Selbstbild, einfach mit einem anderen Blatt ab, um den Befragten nicht zu beeinflussen.

Sie sollten den Befragten während der ganzen Ausarbeitung möglichst nicht in seinen Gedankengängen stören. Sie können als Grundlage die Kategorien vorstellen und sollten höchstens um etwas mehr Details in den Stichpunkten bitten. Mit dem Erfragen von Beispielen oder Gründen für bestimmte Aussagen wird der Befragte vorerst nur beeinflusst. Die jeweilige Gewichtung und Ausarbeitung der einzelnen Aspekte bleiben ebenfalls dem anderen überlassen. Erst bei der Präsentation des Fremdbildes durch ihn sollten Sie diese Fragen äußern und um Beispiele bitten. So erbarmungslos es klingt, aber bei der Erstellung eines Fremdbildes geht es nicht um Fairness und 100-prozentige Objektivität, sondern um intuitive Wahrnehmung – gemischt mit fundierter Evaluierung, beispielsweise der Fachkompetenzen – durch einen externen Meinungsträger.

Interpretation und Verwendung

Kein finales Feedback beim Empfang des Fremdbildes

Ein Fremdbild hat wie ein Selbstbild nur einen persönlichen Mehrwert, wenn Sie aktiv mit ihm arbeiten. Ein Großteil der Interpretation oder Auswertung kann schon durch die gemeinschaftliche Erstellung vorbereitet worden sein. Auch wenn ein Fremdbild vom Ersteller nach oder während der Zusammenstellung erläutert wurde, müssen Sie es dessen ungeachtet noch individuell interpretieren. Dieser eigenen Interpretation kann dann noch nach einer Woche Bearbeitung ein unmittelbares Feedback folgen. Auf keinen Fall sollte ein finales Feedback gleich beim Empfang des Fremdbildes gegeben werden. Bei der Überreichung kann bequem ein Termin in der folgenden Woche vereinbart werden, an welchem Sie die Einschätzung miteinander besprechen.

Individuelle Interessen und Fachkompetenzen

Zur konkreten Interpretation fangen Sie am besten erneut bei den Basisannahmen an. Meistens ist die Fremdeinschätzung von Ihren Werten, Moralvorstellungen und Zielen nicht sehr übereinstimmend mit Ihrem Selbstbild, und Sie sollten diese Punkte eher der sozialen Kompetenz zuordnen. Demzufolge sind es soziale Umgehensweisen, welche anderen Personen bei Ihnen besonders auffallen. Unter anderem können in der Fremdbeurteilung angeführte Punkte wie Ehrgeiz, Eigensinn oder Selbstgerechtigkeit in diese Kategorie fallen.

Die Reflexion der individuellen Interessen ist hingegen äußerst aufschlussreich. Diese Interessen werden größtenteils im Rahmen der beruflichen Arbeit formuliert – spiegeln also nicht freizeitliche Vorlieben ab – und zeigen damit an, auf welchen Gebieten Sie als außerordentlich engagiert und partizipierend wahrgenommen werden. Gilt Ihr individuelles Interesse zum Beispiel der Konzeption von Planungstools, sind Sie bei dieser Arbeit motiviert und leisten auffällig herausragende Ergebnisse. Demnach sind diese erwähnten Interessen substanzielle Stärken, mit welchen Sie sich beruflich positionieren, weiterentwickeln und wahrscheinlich vorankommen können. Umso mehr Interessen Sie vom Beurteilenden zugeordnet bekommen haben, desto enthusiastischer erscheinen Sie bei der Arbeit. Dieses Engagement ist ein beruflicher Mehrwert und kann nahezu überall als solcher eingebracht werden.

Bei der Formulierung der Fachkompetenz werden vorwiegend kleine Fakten erwähnt und keine bedeutenden Orientierungen kristallisiert. Folglich können Sie aber trotzdem aus den vermerkten Einzelheiten gut Konzentrationspunkte für Ihre Zukunft schlussfolgern. Die einzelnen Fachkompetenzen können Sie bedingungslos als Stärke ansehen. Sie sind daher die primären Treiber Ihrer Karriere. Wenn diese Stärken und Fachkompetenzen ausgebaut und kommuniziert werden können, ist die Chance vorhanden, den nächsten Schritt in der Karriereplanung anzugehen. Stärken und Fachkompetenzen müssen zuweilen abstrahiert und gelegentlich konkretisiert werden, da sie fast immer ungeheuer einseitig und pädagogisch dargestellt werden. Diese Pädagogik begründet sich in dem Versuch des Bewertenden, ein professionelles Feedback zu formulieren.

Analyse der Schwächen

Die Analyse der Schwächen identifiziert unmittelbar Lernfelder für die Zukunft. Die aufgeführten Punkte sind nicht nur unbeträchtliche Mängel Ihrer Kompetenz, sondern Schwächen, welche hervorstechen und folglich angegangen werden müssen. Dabei sollten Sie sich aber nicht einbilden, dass, wenn Sie diese Mängel beseitigt haben, keine neuen Mängel mehr genannt werden. Das Ergründen eines Fremdbildes ruft bei dem Beurteilenden unablässig das Gefühl hervor, etwas Negatives erwähnen zu müssen. Diesbezüglich sollten Sie auf keinen Fall versuchen, den Beurteilenden in kurzer Zeit vom Gegenteil seiner Aussage überzeugen zu wollen, denn dies erscheint unprofessionell und außerordentlich ehrgeizig. Taktvoller ist es, diesen Punkt behutsam anzugehen und, wenn Sie unbedingt Ihren Kritiker involvieren möchten, ihn in Ihre Pläne einzuweihen, wie Sie gedenken, diese artikulierten Schwächen abzubauen. Diese zweite Herangehensweise hüllt den Beurteilenden in den Stolz auf eine professionelle Bewertung und das Gefühl, effektiv geholfen zu haben. Nichtsdestoweniger sollten Sie, um Ihre konstante und starke individuelle Persönlichkeit nicht einzubüßen, die folgenden Schritte behutsam angehen:

Beispielsweise können Sie Ihren Vorgesetzten um konkrete Aufgaben bitten, falls dieser einige Schwächen beleuchtet oder bemängelt hat: „Sie hatten notiert, dass ich noch nicht besonders selbstständig arbeite. Dies betrachte ich auch als massives Defizit. Meinen Sie, Sie könnten mir eventuell im Gebiet Kundenbetreuung etwas mehr Freiraum und Verantwortung überlassen, damit ich mich hier ein bisschen weiterentwickeln kann?“ Auf diese Frage wird kein Vorgesetzter ein uneingeschränktes Nein entgegenbringen, denn ansonsten stellt er den Sinn seiner eigenen Bewertung infrage, indem er dem Mitarbeiter gar nicht die Gelegenheit schenkt, seine Schwäche zu bearbeiten.

Als Letztes müssen Sie die empfundenen Verhaltensweisen analysieren. Erwähnt werden im Fremdbild erfahrungsgemäß Attribute wie freundlich, zuvorkommend, engagiert und noch allgemeinere Floskeln. Gerade aus der Zusammensetzung dieser Eigenschaften können Sie aber auch einzelne konkrete Verhaltensweisen identifizieren, welche negativ und welche positiv bemerkt wurden. Dabei sollten Sie auch die Reihenfolge der notierten Stichpunkte beachten. Häufig lässt sich der Beurteilende von den bereits erwähnten Punkten stark inspirieren und führt sie in neuen, aber eigentlich untergeordneten Einzelheiten weiter aus.

Stärken muss man selbst kommunizieren

Ein Fremdbild deckt stets die Wahrnehmung einer Gruppe von Personen um Sie herum ab. Sind die beschriebenen Eigenschaften unzureichend oder falsch, sind Stärken nicht erkannt oder Präferenzen ungetreu aufgenommen, liegt dies erfahrungsgemäß nur an Ihrer eigenen Kommunikationsfähigkeit. Stärken und andere Fachkompetenz müssen Sie in der Regel konkret einbringen und kommunizieren, damit diese auch wahrgenommen werden. Schwächen sollten Sie möglichst ausweichen – zum Beispiel durch die Vermeidung bestimmter Arbeitsfelder. Mit der Interpretation des Fremdbildes wird sichtbar, wie Sie Ihre Kompetenz in den Alltag einbinden.

Leitbilder und Arbeitspläne entwickeln

Ein weiterer elementarer Punkt ist die Identifikation von zukünftigen Lernfeldern. Diese können Sie dann im Rahmen der Zielsetzung zu einem deutlichen Arbeitsplan weiterentwickeln (Kapitel 1.2.). Fachliche Schwächen und Stärken sind im Endeffekt nur entscheidend, solange sie von anderen Personen wahrgenommen werden. Die durch das Fremdbild kommunizierte Wahrnehmung ist damit das einträglichste Hilfsmittel, Lernfelder zu identifizieren, besonders wenn Sie sich zwar den Schwächen bewusst sind, aber nicht wissen, welchen Sie sich zuerst zuwenden sollen.

Als letzten Punkt können Sie die Kongruenz von Selbst- und Fremdwahrnehmung kontrollieren. Die spannende Frage ist, ob die eigenintendierte Positionierung mit der Wahrnehmung dieser einhergeht. Haben Sie beispielsweise versucht, entsprechend Ihres gewünschten Selbstbildes mehr Engagement zu zeigen, kann dieses schnell im Fremdbild als Ehrgeiz aufgenommen werden. Durch das Fremdbild können Sie nunmehr Ihre Verhaltungsweise anpassen bzw. optimieren.

Übung 1.4.

(A) Welche Wahrnehmungsarten gibt es und wie werden die zugehörigen Reize bezeichnet?


(B) Skizzieren und erläutern Sie jemandem das so genannte Johari-Fenster und seine Bedeutung für die Auseinandersetzung mit dem Thema Wahrnehmung und Wahrnehmungslücken.

Skizze:

(C) So weit Sie es noch nicht direkt beim Lesen des entsprechenden Abschnitts getan haben: Beginnen Sie jetzt damit, auf einem separaten Blatt ein persönliches Selbstbild zu erstellen. Bitten Sie im Anschluss einen Bekannten sowie einen Kollegen um ein Fremdbild und vergleichen Sie diese im Anschluss.Was haben Sie aus den Fremdbildern gelernt?


(D) Welche Persönlichkeitsmerkmale finden sich primär in Fremdbildern wieder, welche in der Regel nur in Selbstbildern?


Soft Skill für Young Professionals

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