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LUIGI, DER VERTAUSCHTE SOHN

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Mit dem Eintritt in ein Alter, in dem er nachzudenken beginnt, stellen sich bei dem kleinen Luigi Zweifel an seiner Zugehörigkeit ein. Was hat er, der sich alles wohl überlegt, der überhaupt nicht lausbubenhaft ist, der sich in sich zurückzuziehen versteht, der zwischen kastanienbraunen Locken, die ihm seitlich ins Gesicht fallen, aus großen, aufmerksamen Augen blickt (so porträtiert er sich in der Novelle Die kleine Madonnenstatue; La madonnina), mit dieser brüllenden, unbeherrschten Hünengestalt des Vaters zu tun, der die Mutter so oft zum Weinen bringt?

Doch Vorsicht: Stefano Pirandello war kein grober, ungebildeter Klotz, wie es scheinen könnte, wenn wir ihn nur mit den Augen des kleinen Luigi sähen. Er war beispielsweise Schüler des großen Humanisten Gaetano Daita, der ihm unter anderem Englisch und Französisch beigebracht hatte, damals wie heute unverzichtbare Sprachen für jemanden, der Handelskaufmann werden will. Das Problem lag in seinem Charakter.

Die Geschichte vom vertauschten Sohn, die Maria Stella ihm erzählt hatte, war für ihn eine Art Offenbarung: nicht nur, daß er am falschen Ort und am falschen Tag geboren wurde, sondern möglicherweise war dieses abstürzende Glühwürmchen (als solches hatte er sich ja seine Geburt vorgestellt) auch noch in die falsche Familie gekommen. Ja, ganz sicher ist es so gewesen, denn er fühlt, daß er zu einer anderen Familie gehört, zu einem anderen Schlag.

Über die Verschiedenheit der Sizilianer untereinander hat Vitaliano Brancati Erhellendes geschrieben.

»Hier in Sizilien ist es – wenn man von Signor Luciano zu Signor Maddalena wechselt (was man tut, wenn man einen Treppenabsatz mit nur einer Stufe überquert) – so, wie wenn man von einer Konstellation zur anderen flöge.«

Und Brancati war es auch, der uns von grundlegenden Unterschiedlichkeiten im Hinblick auf Charakter und Temperament innerhalb derselben Familie erzählt hat.

Der Kreislauf von Stefanos heißem Blut ist nicht der gleiche wie der von Luigis kaltem Blut (um in einem Brancati verwandten Sprachgebrauch zu bleiben). Nur, daß die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, doch Luigi wird sein ganzes Leben damit zubringen, dies zu begreifen, er, der Theoretiker (wie Tilgher ihn nannte) des Unterschieds zwischen Leben und Form.

Wie dem auch sei, die Geschichte, die Maria Stella ihm erzählt hat, hat in gewisser Weise die vielen Unsicherheiten des kleinen Luigi verdichtet und in eine Gewißheit verwandelt: er ist ein vertauschter Sohn.

Und er drängt Maria Stella so sehr, daß sie ihn, ohne Wissen der Eltern, zu einem zwar von den Hexen nicht gestohlenen, sondern nur ›verlegten‹ Neugeborenen bringt, ein vielleicht ins Leere gegangener Versuch des Vertauschens, denn der Säugling wurde nicht in der Wiege wiedergefunden, wo er geschlafen hatte, sondern in der Küche, unter dem Tisch.

Und Maria Stella war es auch, die dem kleinen Luigi eines Tages, so als bedeute das nichts weiter, erzählte, sie sei in der Via San Pietro dem Geist des Ermordeten begegnet, dessen Schreie sie an jenem Abend ignoriert hatte, als sie die Fenster verriegelte. Ganz sicher hatten ein winziges Häufchen Gewissensbisse und sehr viel Aberglaube dieses Gespenst erschaffen, aber auch dieses Thema wird den kleinen Luigino noch tief berühren.

Der vertauschte Sohn

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