Читать книгу BÖSE im Bett - Andrea Lieder-Hein - Страница 3
PROLOG
ОглавлениеSie kamen immer wieder, diese Gedanken. Immer wieder, ganz plötzlich und unverhofft. Nie wusste sie, wann. Sie kamen aus dem Nichts, einfach so.
An jenem späten Vormittag gingen sie von der Beerdigung ihrer geliebten Mutter heim, sie und ihr Vater. Mama war vor ein paar Tagen an Krebs gestorben. An einer sehr aggressiven Art von Leukämie, wie ihr Vater ihr erklärt hatte.
Ihr Vater war furchtbar traurig, damals. Noch auf dem Heimweg konnte sie die Spuren seiner Tränen sehen, wenn sie von der Seite auf sein Gesicht schaute. Er war so verzweifelt am Grab gewesen, dass sie fast fürchtete, er fiele gleich mit hinein, in die grün ausgeschlagene Grube.
Später, im Wohnzimmer, hatte ihr Vater noch lange nur so da gesessen, einfach vor sich hin gestiert. Kaum geredet. Und dann hatte er sich plötzlich drei Flaschen Bier geholt. Aus dem Kühlschrank.
Sie sah diesen Film immer in der gleichen Reihenfolge, immer wieder so, als ob alles gerade erst passierte. Und immer hatte sie diesen Kloß im Hals und das Ziehen in der Magengegend. Am Ende würde sie sich übergeben müssen oder mit der Rasierklinge ihre Arme ritzen. Sonst würde die Übelkeit bleiben.
Vater trank keinen Alkohol, weil er ihm nicht schmeckte, und aus Prinzip nicht. Er wollte nüchtern bleiben, sein Gehirn nicht lahm legen, seine Handlungen kontrollieren. Bier gab es nur für Gäste. Und nun standen diese drei Flaschen Bier auf dem Tisch. Er trank sie langsam, eine nach der anderen, und weinte dabei.
Als sie an jenem Abend gegen 20:00 Uhr im Bett lag, dachte sie noch lange über die schrecklichen Ereignisse nach. Mitten in der Nacht wachte sie auf. Ihr Vater legte sich langsam neben sie und deckte sich mit ihrer Decke zu. Er roch nach Bier.
„Ich bin so traurig, Jana, so traurig. Mama kommt nie wieder zu uns. Was soll ich bloß machen? Was sollen wir bloß machen?“ Er rückte näher an sie heran. Sie roch das Bier. Ganz intensiv. Und sie spürte seine Traurigkeit. Vorsichtig streichelte sie ihm über das nass geweinte Gesicht und flüsterte: „Du bist nicht alleine. Ich bin doch bei dir, Papa.“
Bei diesen Worten zog er sie näher an sich heran, presste sie richtig fest an seinen von Schmerz geschüttelten Leib. Ihr wurde allmählich etwas mulmig zumute und sie versuchte, ihn ein wenig weiter wegzuschieben. Aber er rückte immer dichter an sie heran, fuhr über ihren Oberkörper, wischte ihr Shirt über die Schultern und schnaufte plötzlich ganz fremd. Ihr wurde richtig angst und bange.
Was ihr Vater wohl hatte? Ob er krank war? War diese Leukämie vielleicht ansteckend? Dann plötzlich durchfuhr sie ein heftiger Schmerz. Irgendetwas fuhr in ihren Unterleib und ihr Vater zuckte rhythmisch auf ihrem schmalen Körper. Nach wenigen Minuten schnaufte er noch einmal wie der alte Hund ihrer Freundin bei großer Anstrengung, und dann rutschte er von ihr runter und nahm das Ding unten mit aus ihrem Leib.
Kurz darauf war er eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte sie auf und schaute auf ihren Vater. Er öffnete verschlafen seine Augen.
„Papa, was hast du gestern mit mir gemacht? Du hast mir weh getan, und so geschnauft.“ Ihr Vater schaute ziemlich erschrocken und antwortete eindringlich: „Wir zwei sind jetzt ganz alleine auf dieser Welt. Wir gehören zusammen. Wir sind eins. Du darfst es aber NIEMANDEM erzählen, was heute Nacht geschehen ist, sonst trennen sie uns und du bist dann ganz alleine. Aber mit diesem Ritual zeige ich dir, wie lieb ich dich habe. Du wirst es lernen zu mögen. Denke immer daran, wir haben nur noch uns. Wir sind EINS und müssen das auch spüren.“
Diese letzten Sätze waren es gewesen, die sie damals überzeugt hatten. Damals. Damals, als sie gerade neun geworden war. Sie hatte nie etwas erzählt, keinem. Bis jetzt nicht. Aber sie hatte gelernt, ihren Vater zu hassen und zu verachten.
Inzwischen wusste sie genau, was er tat und warum. Sie hasste ihn dafür täglich mehr, und manches Mal wünschte sie sich, einfach seinen Penis abzuschneiden, ihn ihm in den Mund zu stopfen. Oder ihn anzuzünden. Einfach so.
Dennoch hatte sie durchgehalten. Bis jetzt.
Sie hatte ihr Abitur gemacht und wollte eigentlich Lehrerin werden. Aber wegen ihres Vaters war sie zur Polizei gegangen, Kommissarin geworden. Sie wollte solche Schweine wie ihren Vater nicht mit so etwas durchkommen lassen. NEIN. Sie wollte alle überführen. ALLE. Das war ihre Rache.