Читать книгу I Ging - Andrea Seidl - Страница 34
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Des Kleinen Zähmungskraft
Differenzieren
Schlüsselbegriffe
Langsamkeit / Zurückhaltung / Verzögerung / vertagen / Detailarbeit / etwas herausarbeiten / Änderung im Kleinen / verfeinern / taktieren / feilen / kultivieren / Wissens- und Erfahrungsverdichtung / Kompromiss / Arrangement / Selbstzweifel / Frustration / Beschränkung / sich absichern / Unpässlichkeiten / Schwachpunkt / Tabu / Sabotage / Sand im Getriebe …
In dieser Zeit verhindern kleine, aber hartnäckige Hindernisse unseren Erfolg, so dass wir nur in winzigen Schritten vorwärts kommen. Doch auch wenn uns diese Verzögerung gar nicht schmeckt, ist sie von Bedeutung, denn im Zeitlupentempo wird manches sichtbar, was ansonsten verborgen bliebe. Wir müssen uns nun auf die nötige Kleinarbeit einlassen, um immer mehr dazuzulernen und unser Wissen zu verdichten. Erzwingen lässt sich in diesem Prozess gar nichts, und der entscheidende Durchbruch wird vorerst noch auf sich warten lassen. Angesichts der gegebenen Umstände kommen wir am besten klar, wenn wir bei aller Zielorientierung äußerlich anpassungsfähig bleiben.
Naturbild
Der Wind fährt über den Himmel hin:
Das Bild der Zähmungskraft des Kleinen.
So verfeinert der Edle die äußere Form seines Wesens.
Am Himmel ballen sich Regenwolken, die dem Land Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit versprechen. Diese Wolken werden vom Wind so zusammengetrieben, dass sie sich verdichten und imposante Formen annehmen, es reicht aber noch nicht, dass sie sich tatsächlich abregnen – und damit konkrete Wirkungen hervorbringen würden. So treiben Wind und Wolken ihr Spiel, ohne dass wir irgendeinen Einfluss darauf hätten.
Dieses Bild zeigt, wie vorübergehend das Schwache das Starke bändigen kann. Dieser Zähmungsprozess gelingt allerdings nur, wenn er so geschmeidig und einfühlsam ist wie der Wind. Der Wind schafft es ja durch seine sanfte Beständigkeit, das wilde Ungestüm des Himmels zu mäßigen, sodass es sich in Zukunft auf kultiviertere und gefälligere Weise äußern kann.
Was uns jetzt am Herzen liegt, untersteht genau wie der Zeitpunkt, wo es endlich regnet, dem Fluss der Zeit, über den wir keine Macht haben. Da uns eine durchschlagende Wirkung nach außen noch verwehrt ist, können wir nicht mehr tun, als uns zu arrangieren und im Kleinen unseren Ausdruck und unsere Fähigkeiten immer weiter zu verfeinern.
Das Wesentliche herauskristallisieren
Des Kleinen Zähmungskraft hat Gelingen.
Dichte Wolken, kein Regen von unserem westlichen Gebiet.
In diesem Abschnitt unseres Lebens schauen wir erwartungsvoll zum Himmel, wo sich Zeichen ankündigen: Der erhoffte Regen liegt schon in der Luft und lässt doch noch auf sich warten. Wir spüren wie sich in uns eine starke schöpferische Energie regt, aber die Zeit zum Durchgreifen, die Zeit für wesentliche Schritte ist noch nicht reif. Deshalb dürfen wir vorerst nicht mit sichtbaren und spürbaren Ergebnissen rechnen. Es hat zwar den Anschein, dass gar nicht viel fehlt, dass die Widerstände nur gering sind - doch das ist ein Irrtum: Unser Vorwärtsdrang wird subtil aber effektiv ausgebremst.
Trotz all unserer Entschlossenheit und unserer hohen Ideale gibt es noch eine sensible Schwachstelle, die verhindert, dass wir unser Ziel erreichen – das mögen innere Unstimmigkeiten sein oder auch Differenzen mit der Außenwelt. Die mahnende und zugleich zweifelnde Stimme unseres Herzens wird von allzu zu vielen Seiten beeinflusst. Vor allem unsere eigenen Wertvorstellungen blockieren unser Potenzial: Sie schaffen „Wolken des Zweifels“, die unsere Glaubwürdigkeit vor uns und anderen verdüstern.
Die Gesamtkonstellation ist also labil, was für uns heißt, dass wir in Wort und Tat besonders behutsam, aber auch gelassen sein sollten. Grundsätzlich ist die Lage gar nicht ungünstig, es besteht durchaus Aussicht auf Erfolg. Doch bislang können wir nur Vorarbeiten leisten, um im kleinen Rahmen mit viel Fingerspitzengefühl die Dinge zurechtzuschleifen. Angesichts der Beharrlichkeit der aktuellen Widerstände sind gewaltsame Einmischungen rundum kontraproduktiv. Hier kann und darf man nichts übers Knie brechen. Doch wenn die vorliegende Problematik durch einfühlsame und kontinuierliche Modifikationen allmählich behoben wird, dann wird auch unser jetzt noch verschleiertes Potenzial überzeugend zur Geltung kommen. Damit haben wir den Auftrag, solange geduldig an Veränderungen „herumzubasteln“, bis die Form mit dem Inhalt (mit unserem Wesenskern) völlig übereinstimmt.
In dieser Zeit brauchen wir Weitblick, Ausdauer und Anpassungsfähigkeit – einen langen Atem eben -, denn auf uns wartet ausgiebige Basisarbeit. Wir sollten jetzt lieber langfristig planen, so als ob es darum ginge, ein großes Puzzle aus einer Unzahl winziger Teile zusammenzusetzen. Bei so einer Aufgabe kommt man nur ans Ziel, wenn man mit sanfter Hartnäckigkeit am Ball bleibt, mit der gleichen Zuverlässigkeit und Selbstverpflichtung, die es auch braucht, um eine Familie zu versorgen, einen Hund zu erziehen oder Gemüse anzubauen.
Dabei hat es schon seinen guten Sinn, dass unser wilder Handlungsdrang erst einmal lahmgelegt wird. So kann nämlich der Geist die Zügel übernehmen und dafür sorgen, dass sich wichtige Erkenntnisprozesse vollziehen, die unserem Vorhaben eine solide Ausgangsbasis geben. Was sich da Neues in unserem Leben entwickeln will, lässt sich nicht beschleunigen, es folgt sanft den gegebenen Umständen. Erfolg versprechend handeln bedeutet im jetzigen Moment, uns dem Fluss des Lebens zu unterwerfen, der die Dinge gemächlich regeln wird.
Konditionierung
Haben wir uns je gefragt, wie es kommt, dass wir uns ganz selbstverständlich und ohne große Nachfragen an die Regeln der Gesellschaft halten? - Die Antwort liegt im Sozialisierungsprozess unserer Kindheit. Damals wurden wir durch unzählige kleine Maßnahmen geschickt zur Anpassung erzogen: Belohnungen dienten als Verstärker für erwünschtes Verhalten, sie sollten uns „gutes Benehmen“ lehren, was nur ein anderes Wort für Unterordnung ist. Auf diesem Weg verloren wir den klaren Kontakt zu unserer Intuition, sodass uns nur noch äußere Informationsquellen blieben, um uns zu orientieren. Doch mit der Ausblendung von Gefühlen verzerrt sich die Wahrnehmung und wird anfällig für Projektionen. Damit führte der frühkindliche Lernprozess zu zähen Konditionierungen, die noch heute unseren Zugang zur wirklichen Welt versperren. Sie lassen uns vergessen, dass alle Dinge Bewusstsein und Würde haben. Sie verstopfen unsere feinstofflichen Kanäle, sodass wir uns schwer tun, die nährende kosmische Energie aufzunehmen. Das ist umso schlimmer, als sich früher oder später herausstellt, dass die Anerkennung, die uns die Gesellschaft als Belohnung für unser braves „Funktionieren“ anbietet, niemanden jemals befriedigen kann.
Das kollektive Ego behauptet steif und fest, dass wir uns anstrengen müssten, um wertvolle Menschen zu werden, was uns natürlich implizit suggeriert, dass wir das eben nicht von vorneherein sind. Wenn wir uns schlicht selbst die Treue halten, setzen wir uns schon dem Vorwurf aus, wir seien subjektiv, rücksichtslos, irrational und „selbst schuld“. Dementgegen errichtet das Mehrheitsbewusstsein ein künstliches Ideal der Loyalität zu den Institutionen und Werten der Gesellschaft. Deren (moralische) Regeln diktieren, in welcher Situation „man“ sich wie zu benehmen hat - ohne Rücksicht auf die Umstände. So haben wir alle gelernt, wir sollten immer freundlich und nett sein, selbst auf die Gefahr hin, damit nur das Ego anderer Menschen zu bedienen. Diese Art der „Dressur“ läuft auf eine Unterdrückung unseres wahren Selbst hinaus. Doch wenn unsere innere Wahrheit nichts mehr gilt, werden wir mit der Zeit taub für innere Warnsignale. Dann können wir nur noch auf den Verstand setzen, der aber weitgehend unter dem Diktat des Ego steht. Und so entwickeln wir bald ein Reflexverhalten wie der Pawlowsche Hund: Wir reagieren automatisch, fremdgesteuert wie Roboter ... In diesem Kontext geht unser Geist viele krumme Weg, die sich etwa so äußern: Alle positiven menschlichen Qualitäten sind das Ergebnis mühsamer Selbstzucht / Die wilde, gierige, egozentrische Natur des Kindes muss gezähmt werden / Was glaubst du denn, wer du bist, der Mehrheitsmeinung zu widersprechen …
In seiner kosmischen Bedeutung zeigt uns dieses Hexagramm, wie wir unser wahres Selbst aus dem Klammergriff der alten Konditionierungen herauslösen können. Dabei geht es um einen individuellen Weg der kleinen Schritte, bei dem auch die Deprogrammierung vermeintlich „kleiner“ Glaubenssätze eine Entwicklungslawine lostreten kann.
Wandellinie 1
Wiederkehr auf den Weg.
Wie wäre das ein Makel. Heil!
Nachgeben statt kämpfen
Wir möchten am liebsten zügig voran, stoßen dabei aber gleich auf ein Hindernis, das uns wirksam ausbremst. Das gesunde Urteilsvermögen sagt uns klipp und klar, dass sich hier nichts erzwingen lässt – was uns aber auch davor schützt, uns vergebens aufzureiben. Obwohl das nicht unseren Plänen entspricht, sind wir doch in der Lage, erst mal großmütig einzulenken und nachzugeben. Aufgeben werden wir unser Ziel ohnhin nicht! Nur muss unser unbändiger, unbeugsamer Wille noch gezähmt werden, er hat noch zu viele Ecken und Kanten, die vom Leben abgeschliffen werden müssen.
Bleib auf dem bewährten Weg, wo du dich frei bewegen kannst. Im Herzen bist du fest entschlossen und weißt, was du willst und was für dich richtig ist. Etwas mehr Geschmeidigkeit würde dir allerdings gut tun. Schau jetzt genau hin, dann wirst du erkennen, wo deine Blockaden liegen.
Tiefendynamik
Unser Weg zu uns selbst gestaltet sich oft schwierig, weil vielerlei verdrehte Gedanken uns ablenken - vor allem Selbstzweifel (das schaffe ich nie!) oder Rationalisierungen (das lohnt sich nicht). Wir grübeln oft, was wir vom Verhalten der anderen halten sollen, wir haben soziale und moralische Vorschriften im Kopf, statt schlicht der inneren Wahrheit unserer Gefühle zu folgen. Was uns aber besonders in die Quere kommt, ist unser Schuldbegriff. Für den Kosmos gibt es nur eine Art des „Sündenfalls“ - den Verrat an unserer Wahrheit. Vor der Gesellschaft machen wir uns aber jedes Mal schuldig, wenn wir ihre Regeln nicht befolgen. Da die starren Vorschriften des kollektiven Über-Ichs aber häufig unvereinbar mit unseren wahren Gefühlen sind, legt uns dieses widernatürliche Schuldkonzept schmerzhafte Fesseln an.
Wer sich selbst klar positioniert hat, sollte jedoch keinesfalls offen anprangern, dass andere noch nicht soweit sind. Ein schlichtes, aber eindeutiges inneres Nein zu ihrer Ego-Fixierung ist völlig ausreichend. Zuweilen mag es sogar ratsam sein, anderen nach außen hin zuzustimmen, damit sie ihr Gesicht wahren können. Im Stillen können wir uns zugleich an ihr wahres Selbst werden, ohne ihr Ego überflüssig zu reizen.
Wandellinie 2
Lässt sich mitziehen zur Wiederkehr. Heil!
Der Vergleich lehrt Zurückhaltung
Eigentlich drängt es uns, aktiv zu werden. Da wir uns im Recht glauben, möchten wir auch unsere Fähigkeiten unter Beweis stellen. Allerdings sehen wir am Beispiel anderer Menschen in einer vergleichbaren Situation, dass dieser Weg durch sensible Hindernisse versperrt ist, die sich nicht einfach zur Seite schieben lassen. Und das ist letztlich gut so: Denn solange uns die nötige Reife und innere Autorität fehlen, wären wir nicht überzeugend und müssten wohl beschämende Zurückweisungen einstecken.
Da wir im Augenblick aber gut bei uns selbst sind, können wir klar erkennen, dass es in der eingeschlagenen Richtung nicht weiter geht. Also kehren wir auf den korrekten Weg zurück, der uns nach wie vor offen steht, und binden dabei auch diejenigen ein, die zu uns gehören. So wird unsere wilde Entschlossenheit „gezähmt“, ohne in Unterwürfigkeit umzukippen.
Wenn die Zeit ungünstig für dein Vorhaben ist, brauchst du nicht erst eine persönliche Abfuhr riskieren. Gib dich nicht selbstzerstörerisch preis, sondern zieh dich zurück in den sicheren Kreis der Deinen. Deine Energie ist momentan besser in persönliche Beziehungen investiert. Doch tröste dich, die Zeiten werden sich wieder ändern und die verlorene Chance wird dir später in neuem Gewand entgegenkommen.
Tiefendynamik
Manchmal lotst uns ein Geschenk des Universums sanft auf den Pfad der inneren Wahrheit zurück – vielleicht eine neue Liebe oder ein interessanter neuer Job. Wir dürfen Glück ja nicht als kosmische Belohnung für unser Wohlverhalten missverstehen, es dient vielmehr zur Ermutigung und Stärkung unseres wahren Selbst. Hin und wieder kommt der kosmische Segen allerdings auch in Form unerfreulicher Ereignisse, die uns verdeutlichen, dass wir einem Irrtum aufsitzen, der unserem Leben nicht dient. Auf jeden Fall ist dies ein guter Moment, um uns von Menschen und Meinungen zu lösen, die sich übermäßig ans kollektive Ego binden. Dabei müssen wir niemanden verurteilen, es genügt, wenn wir uns innerlich von seinem Weg abwenden und uns klar für den unsrigen entscheiden.
Wandellinie 3
Dem Wagen springen die Speichen ab.
Mann und Frau verdrehen die Augen.
Fehleinschätzung
Diese Person fühlt sich stark und entschlossen, überbewertet aber ihre Möglichkeiten. Sie glaubt zu wissen, woran sie ist, sie glaubt die Dinge in der Hand zu haben und versucht deshalb, unbekümmert vorzudringen. Mit einer bestimmte Vorstellung vor Augen möchte sie die Dinge anpacken, um sie in ihrem Sinne zu verändern. Ganz am Rande registriert sie zwar, dass da ein Widerstand ist, unterschätzt ihn aber gründlich. Kompliziert, wie die Dinge liegen, müsste man eigentlich mit größtem Feingefühl vorgehen, aber das widerstrebt ihrem forschen Temperament. Statt bei sich zu bleiben, versucht sie die Kontrolle über die Situation an sich zu ziehen – und schießt ein Eigentor… Ihr Überrumpelungsversuch löst deutliche Ablehnung aus (Mann und Frau verdrehen die Augen). Schließlich muss sie einsehen, dass die Sache störrischer ist als gedacht. (Dieselbe Dynamik kann sich natürlich auch innerlich abspielen, wenn ein Wesensanteil einen anderen zu dominieren versucht.)
Hier stellt sich also das Schwache dem Starken so effektiv in den Weg, dass das Starke zurückgeworfen wird, wo es sich einen leichten Sieg erhoffte. Unserem zuversichtlichen Vorwärtsdrang wird jetzt durch die Umstände (die abspringenden Speichen) eine spürbare Grenze gesetzt. Das fühlt sich außerordentlich unangenehm an und provoziert oft sturen Trotz.
Du möchtest selbstbewusst auftreten, doch deine Initiative wird gründlich missverstanden - als Manipulationsversuch, Machtgeste oder sogar als Angriff! Hier solltest du sofort innehalten, bevor du noch Feindseligkeit heraufbeschwörst. Dein Gegenüber befindet sich gerade in einem ganz anderen Film, deshalb ist mit Kraft allein gar nichts zu erreichen – wenn überhaupt etwas geht, dann nur mit Takt und Gespür… Nun aber musst du erst einmal den Schlag zu verkraften, den dein Selbstwertgefühl erhalten hat.
Tiefendynamik
Da wir mehr oder weniger alle früh gelernt haben, unserer Intuition zu misstrauen, ist unser Handeln weitgehend vom Kopf bestimmt, der sich an den kollektiven Regeln ausrichtet. Diese widernatürliche Spaltung von Denken und Fühlen lässt uns aber wie blind handeln. Wir spüren nicht mehr, was die Situation erfordert, „tapern“ ungeschickt herum und rufen damit Komplikationen hervor, die uns zunächst „unverdient“ und ungerecht vorkommen. Wir sind ja noch im naiven Glauben, alles „richtig“ gemacht zu haben. Doch der Schock einer Niederlage oder Zurückweisung setzt unser Ego vorübergehend schachmatt, so dass unsere wahren Gefühlen wieder eine Chance haben, gesehen zu werden.
Wandellinie 4
Bist du wahrhaftig,
so schwindet Blut und weicht Angst.
Kein Makel.
Befreiende Aufrichtigkeit
Hier ist der empfindsame Kern des Hexagramms erreicht - eine schwierige und verantwortungsvolle Position, die zwangsläufig mit Angst und Gefahr einhergeht. Wie heikel dieser Platz ist, wird nachvollziehbar, wenn man sich in die Lage eines untergeordneten, abhängigen Magistraten versetzt, der von seinem unduldsamen Kaiser zu einem alles entscheidenden Rat aufgefordert wird… Da stellt sich in jeder Sekunde die bange Frage: Was ist, wenn du falsch liegst?
An dieser Stelle sind wir in Kontakt mit jenem weichen, schwachen, verletzlichen Aspekt (in uns), der von lauter starken, fordernden Stimmen umgeben ist, die er auch noch kontrollieren, lenken oder klug beraten soll. Wenn wir diese groben Kräfte (die ebenfalls innerhalb oder außerhalb von uns liegen können) zähmen möchten, ohne uns zu erschöpfen und zu überfordern, gibt es nur einen Weg: Wir müssen auf die intuitive Stimme unseres Herzens hören.
In dieser unsicheren Zeit stoßen wir wiederholt auf Vorurteile und Misstrauen. Immer von Neuem flammen Konflikte und Zweifel auf, in die wir uns aber nicht zwangsläufig verwickeln müssen. Wenn wir uns zügeln und aufrichtig bemühen, haben wir die Chance, unsere Mitmenschen mit der Ehrlichkeit unseres Anliegens so sehr zu überzeugen, dass ihr Widerstand mit der Zeit weicht. Dann endlich werden auch unsere eigenen Befürchtungen zur Ruhe kommen.
Besinne dich auf deine persönliche Wahrheit, sowie auf dein diplomatisches Gespür. Jetzt ist der Moment, offen zu deinen Fehlern und Schwachpunkten zu stehen und freimütig zu anzusprechen, was in dir vorgeht. Wenn du dabei schlicht der Sache dienen willst und dich weder klein machst, noch rechthaberisch oder aggressiv wirst, bist du auf einem guten Weg.
Tiefendynamik
Manchmal spüren wir intuitiv, dass unsere Richtung nicht stimmt und wir einen neuen Kurs einschlagen müssen. Doch solange die Kraft unseres Denkens von destruktiven Konzepten wie Schuld, Scham und Strafe beeinträchtigt ist, steht es schlecht um unserem Antrieb, ebenso wie um unseren Realitätssinn. Unter solchen Umständen sind die Hindernisse zu groß, um in aller Gelassenheit das Richtige zu tun. Wir werden uns erst dann frei fühlen, wenn wir dem kollektiven Schuldbegriff eine definitive Absage erteilt haben.
Wandellinie 5
Bist du wahrhaftig und treu verbunden,
so bist du reich in deinem Nächsten.
Orientierung am Verbindenden
Diese Person lässt sich durch die Umstände nicht beirren. Sie hält unerschütterlich an ihrer Wahrhaftigkeit fest und nimmt damit ihre Mitmenschen (oder ihre inneren Anteile) für sich ein. Gerade, weil sie in keiner Weise versucht, ihnen etwas aufzudrängen oder über sie zu bestimmen, wird ihre Führungsrolle akzeptiert.
Hier öffnet sich unser Bewusstsein für das Verständnis, dass wirklicher Reichtum immer auf Verbundenheit (auch mit dem Schwachen und Unvollkommenen!) beruht und zunichte wird durch Abschottung und die Betonung von Unterschieden. Wenn wir uns auf unsere jeweiligen Ressourcen besinnen, können wir uns ja trefflich ergänzen: Wo der eine Stärke und Kompetenz besitzt, hat der andere vielleicht Feingefühl und Wärme zu bieten. Indem wir teilen, uns helfen und loyal zueinander stehen, erhöht sich die allseitige Zufriedenheit, es entsteht ein nährender Boden, auf dem Zugehörigkeit, Vertrauen und Zuneigung gedeihen. So kommen konstruktive Entwicklungen in Gang, die große Fortschritte ermöglichen.
Menschen können sich großartig gegenseitig stützen und ihre Defizite kompensieren, wenn sie eine echte Selbstverpflichtung eingehen. Versuche jetzt, dich voller Respekt vor der Perspektive eines anderen einzufühlen und dich auf seine Seite zu stellen.
Tiefendynamik
Hier machen wir die tröstliche Erfahrung, dass wir uns auch unter schwierigen Konstellationen nicht selbst verlassen. Sogar angesichts des Drucks äußerer Normen und Autoritäten bleiben wir uns treu. Wir bleiben ernsthaft und integer und halten damit den Kanal zum Kosmos offen - der Quelle jeden wahren Erfolgs. Dieser zuverlässige innere Rückhalt ist ein heilsamer Akt der Selbstliebe - er kostet uns zwar Energie, so dass wir etwas an Schwung verlieren, dennoch sind wir damit auf dem richtigen Weg.
Wandellinie 6
Es kommt zum Regen, es kommt zur Ruhe.
Das ist der dauernden Wirkung des Charakters zu verdanken.
Die Frau kommt durch Beharrlichkeit in Gefahr.
Der Mond ist fast voll.
Macht der Edle fort, so kommt Unheil.
Locker lassen und sich zurücklehnen
Hier trifft endlich der lang erwartete Regen ein. Das haben wir unseren sanften, aber unablässigen Bemühungen zu verdanken, in denen sich viele kleine, schwache Wirkungen aufsummieren konnten. Das Leben hat unseren Ecken und Kanten im Lauf der Ereignisse Schliff gegeben, doch über all die Zeit hinweg sind wir unserem Weg treu geblieben.
Für den Augenblick ist der Sturm überstanden und wir sind einen Schritt weiter gekommen. Die Lage bleibt aber weiterhin undurchsichtig, da fortwährend äußere Veränderungen auf uns einströmen. Deshalb wäre es gefährlich, wenn wir uns nun blind darauf verlassen würden, dass schon alles gut geht. Wir sollten uns genauer kennen: Unser schwer belehrbarer Geist überhebt sich ja allzu leicht und provoziert damit womöglich neue Widerstände…
Bisher hast du deine Sache gut gemacht, auch wenn du noch nicht am Ziel deiner Sehnsüchte bist. Trotzdem solltest du dich für den Moment mit dem Erreichten zufrieden geben. Alles, was darüber hinausgeht, hieße den Bogen überspannen und damit neue Konflikte heraufbeschwören. Festige jetzt, was du gewonnen hast, damit nicht alles wieder zerrinnt.
Tiefendynamik
Jede innere Botschaft, so wichtig sie für diesen Moment auch sein mag, bleibt relativ. Ihre Weisheit gilt nicht für alle Zeiten und Situationen, sie ist nur eine momentane Plattform, um weiter zu lernen - irgendwann wird sie durch ein noch umfassenderes Verständnis abgelöst werden. Nur das Ego hält seine Einsichten für die letzte Wahrheit.