Читать книгу Die Brüder von Nazareth - Andreas Flamme - Страница 7

Оглавление

3

Zwei Jahre später

In der Luft lag ein Dunst, der den Horizont flimmern ließ. Die Bilder der brachliegenden Felder, mit Gestrüpp und einzelnen Bäumen übersät, glänzten unter den sengenden Strahlen der Sonne.

Auf dem staubigen Weg zog sich eine Prozession von Menschen entlang. Hier und da waren unter der Menge auch einige Wagen zu sehen. Männer, Frauen und Kinder strömten aus allen Teilen Galiläa herbei. Die Zeiten und die Wege waren nicht sicher, deshalb bewegten sie sich gruppenweise. Keiner wagte es, allein zu reisen. Man erzählte sich die ungeheuerlichsten Geschichten über Räuber, die den Reisenden auflauerten, um sie auszurauben. Manche bezahlten die Reise mit ihrem Leben.

Ein Esel schleppte sich mit gesenktem Kopf und zog einen mit Stühlen und Tischen beladenen Wagen. Ab und zu wedelte er mit dem Schwanz, um die Fliegen zu vertreiben, die ihn belästigten.

Ein Mann hielt mit einer Hand die Zügel und lief ruhig vor dem Tier einher. In der anderen Hand hielt er einen dicken Stock, auf den er sich stützte. Unter dem langen Gewand waren stramme Waden zu sehen, um die lederne Riemen von Sandalen gebunden waren. Er war nicht groß, eher untersetzt, doch hatte er starke Arme. Auf seinem Kopf trug er ein gewickeltes Tuch, um sich vor der Sonne zu schützen. Er hatte ein breites Gesicht, eine große fleischige Nase und einen kurzgeschnittenen grau melierten Bart. Schon viele Jahre hatte er auf dem Buckel, doch sein Körper war noch rüstig.

Sein Name war Josef, er wohnte in Nazareth. Er hielt seine Familie mit allerlei Arbeiten über Wasser, die er finden konnte, in seinem Heimatort oder auch in den umliegenden Dörfern – als Bauarbeiter, Steinmetz oder Zimmermann. Er stellte auch Wagen her, solche, wie eben der Esel einen zog. Und wenn er keine Arbeit fand, drehte er nicht Däumchen, sondern fertigte Möbel. Darin war er Meister.

Doch sie waren zu Hause schwer zu verkaufen, denn die Menschen waren arm, und deshalb musste er auf die Märkte in den großen Städten ziehen. Er war geschickt, arbeitsam und ehrlich, seinem Namen begegnete man mit allgemeinem Respekt.

Hinter dem Leiterwagen trippelten zwei Knaben daher. Auch sie trugen auf ihren Köpfen ein gewickeltes Tuch, doch die sengende Sonne schien ihnen nichts auszumachen. Sie spürten keinerlei Müdigkeit vom langen Weg, hielten oft an, um einen sonderbar geformten Stein zu bestaunen oder eine sich in der Sonne aalende Eidechse zu verjagen, die augenblicklich davonstob, als sie sie bemerkte. Sie schossen Steinchen mit der Steinschleuder in die Gegend, indem sie wetteiferten, welcher Stein wohl am nächsten neben dem ausgemachten Ziel herunterfiel.

Der etwas stärkere Junge siegte fast immer.

„David besiegte Goliath mit einer solchen Schleuder und wir sind die Nachkommen seines Geschlechts. So sagte unser Vater“, meinte er stolz mit leuchtenden Augen.

Der schwächere von beiden, doch um zwei Köpfe größere Junge, empfand keinerlei Ärger über seine Misserfolge – im Gegenteil. Er war ruhig und irgendwie abwesend. „Nicht die Steinschleuder brachte Goliath um, sondern die Kraft des Geistes von David.“

„Und die Steinschleuder, etwas musste ja den Stein werfen und den Kopf Goliaths treffen“, ließ sein Bruder nicht locker.

Die Jungen hörten nicht auf, zu schwatzen und alles zu kommentieren, was ihnen unter die Augen kam. Es waren die zwei Söhne des Josef – Jakobus, der zum ersten Mal mitkam, und der größere Jeschua, der schon einmal in der Heiligen Stadt war. Sie waren beide aufgeregt und fröhlich, griffen sogar selten zu den Wasserbehältern im Leiterwagen.

Allmählich veränderte sich die öde Landschaft. Öfter stießen sie auf Schaf- oder Ziegenherden, lichte Zimt- und Olivenhaine waren zu sehen. Die Luft war schon nicht mehr so glühend heiß, wenn sie durch die Nasenflügel strich. Als ob sie von einem leichten Windhauch Feuchtigkeit mitführte, der aus dem Westen kam – dort, wo der rote Diskus der Sonne hing, dort, wo die Wogen des uferlosen Meeres rauschten.

Unversehens führte der Weg in ein breites Tal. Der Esel hielt inne und stieß müde mit den Hufen in den Staub. Vor ihm stand Josef, seine beiden Söhne umarmend, die vor Staunen verstummten.

Im entfernten Tal erschien wie eine Fata Morgana eine von den Sonnenstrahlen leuchtende wunderbare Stadt. Sie war ganz von hohen Steinmauern schützend umgeben. Vor ihnen wimmelte es von Menschen, die aussahen wie Ameisen. Innen waren Gebäude zu sehen, doch eines überragte alle und berauschte das Auge mit seinem Glanz und seiner Schönheit. Es stand auf einem Hügel, der so weiß war, als wäre er mit Schnee bedeckt, und die Sonnenstrahlen spiegelten mit einer solchen Kraft die goldenen Flächen wider, sodass ein jeder die Augen abwandte, um nicht zu erblinden.

„Jerusalem!“, rief Jakobus aus und streckte seine Hand zur Stadt.

„Das Heilige Gotteshaus!“, konnte sich Jeschua nicht enthalten.

Die Brüder von Nazareth

Подняться наверх