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Kapitel 6

Auweia Grauschleier

Melindas Kinnlade klappte nach unten, als sie das Bild von Frau Doktor von Grauschleier entdeckte.

„Oh nein“, murmelte Stephan.

Hotte erinnerte sich an ihr letztes Abenteuer. Sie waren den gefährlichen Katzen damals nur um Haaresbreite entkommen. Wäre Stephan nicht buchstäblich aufgetaucht ... Er schüttelte den Gedanken ab.

Im Vordergrund war das Gesicht von Frau Doktor Gisela von Grauschleier zu sehen und im Hintergrund erblickte man zwei Erdmännchen, die an den Hauptmast des Bootes gefesselt waren. Bewacht wurden die beiden von einer großen Katze.

Frau Doktor von Grauschleier räusperte sich und zupfte sich den Arztkittel zurecht. Dann klopfte sie mit ihren knöchrigen Fingern an die Kamera.

„Test, test“, murmelte sie.

„Diese Frau scheint sich mit der modernen Technologie nicht so auszukennen“, meinte Stephan.

„Sind das deine Eltern da im Hintergrund?“, fragte Melinda, die besorgt in Richtung Leydorey lugte.

Leydorey schwieg, nickte aber langsam und schaute gebannt auf das Video.

Hotte beobachtete die Erdmännchen im Hintergrund. Links schien Leydoreys Mutter zu stehen. Sie hatte eine Augenklappe wie Leydorey und trug einen blauen Rock. Ihr Vater hatte ebenfalls eine Augenklappe, aber über dem Ohr. Am Gürtel war ein Holzbein befestigt. Er schien mit der Hand auf den Mast zu klopfen. Frau Doktor Gisela von Grauschleier riss ihn aus seinen Gedanken.

„Dies ist eine Botschaft an die ungezogene Polizistin!“ Die drei schauten zu Leydorey, die keinen Ton sagte.

„Wie du siehst, kann es Konsequenzen haben, wenn man sich mit mir anlegt. Deine Eltern waren leider alleine auf dem Boot, sonst hätte ich deine ganze Familie mitgenommen!“ Dann bewegte Frau Doktor Gisela von Grauschleier den Arm nach unten und schaltete die Kamera am Telefon aus. Das Letzte, was sie hörten, war die grausame Lache der gefährlichen Ärztin.

Stephan fand als Erstes wieder Worte. „Ley, das tut mir schrecklich leid. Wir müssen sie auf jeden Fall stoppen!“ Er schritt auf Leydorey zu und umarmte sie. Melinda und Hotte gesellten sich dazu, um Leydorey Beistand zu leisten. Ley hatte noch immer nichts gesagt, löste sich aus der Gruppenumarmung und zog ihren Notizblock heraus.

„Danke“, sagte sie gefasst. Sie schien durch irgendetwas abgelenkt zu sein. „Bitte spiel das Video noch einmal ab Stephan“, sagte sie. „Ohne Ton dieses Mal.“

Die anderen schauten sie an und warteten ab, was passieren würde. Sobald das Video abgespielt wurde, fing Leydorey an, Striche und Punkte auf ihren Notizblock zu zeichnen.

Hotte guckte zu Melinda und formte mit seinen Lippen die Worte: „Was soll das?“ Doch sie schüttelte nur fragend den Kopf.

Wieder war es Stephan, der etwas zu sagen wagte. „Ley, was sind das für Striche auf dem Block?“

Leydorey war immer noch am Schreiben. Doch nun schrieb sie unter die Striche und Punkte einzelne Buchstaben. Dann hob sie den Kopf.

„Stephan, bitte spiele das Video noch einmal ab. Achtet dann auf meinen Vater.“

Stephan drückte erneut auf Play und zum dritten Mal tauchte das Gesicht von Frau Doktor Gisela von Grauschleier auf.

„Er macht Zeichen mit den Fingern!“, rief Hotte, der das Klopfen vorhin schon bemerkt hatte.

„Genau“, sagte Ley. „Das sind Morsezeichen. Schaut genau hin. Abwechselnd kurz und lang.“

„Was sind denn Morsezeichen?“, fragte Melinda und sofort fing Stephan an zu referieren.

„Die wurden benannt nach Samuel Morse. Der hat den Telegraphen entwickelt. Vor fast zweihundert Jahren, als es noch keine Telefone gab. Dort konnte man nur kurze und lange Signale senden. Damit man eine Nachricht senden konnte, hat man sich auf eine Tabelle geeinigt, wo jeder Buchstabe und jede Zahl mit einer Kombination von Strichen und Punkten hinterlegt ist. Das ist wie eine Geheimschrift.“

„Ach“, sagte Hotte, „wie zum Beispiel drei Mal kurz, drei Mal lang und drei Mal kurz SOS, also Hilfe, bedeutet?“

„Exakt“, sagte Stephan und ein Lächeln lief über sein Gesicht.

„Danke, Stephan, im Prinzip hast du es richtig erklärt, nur das dieses Morsealphabet von Yayraymayer Yarrbuckle entwickelt wurde, meinem Ururururururururur-Großvater. Aber, das wissen die wenigsten.“

Stephan hob den Zeigefinger, doch Melinda kam ihm zuvor. „Was steht denn nun dort?“

Leydoreys Gesicht wurde starr. Sie atmete tief ein und sagte dann: „Es ist viel schlimmer, als wir angenommen haben.“

Hotte und die geheimnisvolle Gruselgrotte

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