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3. So erkennen Sie unseriöse Wirksamkeitsversprechen und Prognosen

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Wirksamkeits- und Heilversprechen gehören oft zu den ersten Signalen, die man als Hilfesuchender bei möglichen Anbietern wahrnimmt, und durch diese Signale kann man gute und problematische Anbieter relativ leicht voneinander unterscheiden.

Dass Anbieter zu übertriebenen Wirksamkeitsversprechen greifen, kommt nicht nur am nicht-regulierten Psychomarkt vor, sondern ist auch unter normalen Psychotherapeuten keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind meiner Erfahrung nach dreierlei. Erstens: Die Anbieter überschätzen sich bzw. die Wirksamkeit ihrer Arbeit. Zweitens: Anbieter wollen Klienten anlocken und aus geschäftlichen Gründen einen vollen Terminkalender haben.

Und drittens: Wirksamkeitsversprechen werden als versteckte therapeutische Maßnahme eingesetzt, denn allein die Aussicht auf eine wirksame Hilfe kann bei hilfesuchenden Menschen Vorstellungen und Empfindungen auslösen, die tatsächlich heilsam sind: »Mir wird geholfen; ich bin in Sicherheit; ich bin in guten Händen; es wird mir bald besser gehen; ich werde akzeptiert und gehört; ich werde bald meine Ziele erreichen und glücklicher sein.«

Wirksamkeitsversprechen können auf viele verschiedene Arten und auch indirekt und unterschwellig formuliert werden. Da heißt es beispielsweise, ein Angebot würde »besonders gut helfen«, sei »höchst erfolgreich«, »sehr effektiv« oder es würde »schnell« und »nachhaltig« eine positive Veränderung bewirken. Dreist, aber für Hilfesuchende möglicherweise verlockend, sind etwa auch Floskeln wie: »Mein Angebot hilft auch da, wo andere Methoden versagt haben.«

Manche Anbieter versprechen sogar »Sofortwirkungen« im Voraus, was völlig unprofessionell ist. Während ich dieses Buch schrieb, traf ich zum Beispiel wieder einmal auf eine Website, auf der eine bestimmte alternative Methode pauschal als »die wirksamste Therapie« bei psychischen Problemen angepriesen wird. Manch andere Anbieter meinen über die Klopftechnik EFT ganz pauschal und manipulativ, diese Methode würde »Emotionen unbewusst von der Ursache her lösen« oder »ganz direkt bei der Emotion ansetzen«, als ob die menschliche Psyche eine Maschine wäre, die man mechanisch behandeln könne.

Manche Anbieter sagen den Klienten sogar im Voraus, diese seien selbst schuld, wenn die Behandlung nicht wirkt. Oder sie behaupten, die Behandlung sei so gut, dass sie »immer wirkt« und zumindest »unbewusst wirkt«, also auch dann, wenn der Klient nicht offen genug ist und er die Wirkung nicht (sofort) spürt. Die Wirkung würde sich dann »später automatisch durch das Unterbewusstsein entfalten«. Manche Anbieter sind enorm kreativ mit solchen irreführenden Wischiwaschi-Floskeln.

Auch unter jenen Anbietern, die sich für besonders spirituell halten, fallen viele durch typische Floskeln auf. Da ist etwa davon die Rede, in einer Therapiesitzung würde eine »heilsame Energieübertragung« stattfinden oder es würden sich »höhere Kräfte« entfalten. Meiner Erfahrung nach haben nur wenige Menschen solche besonderen Fähigkeiten, und selbst wenn, dann gilt auch hier: Wenn die Psyche und die Zellen eines Klienten nicht offen genug sind, dann kann auch keine Heilenergie von außen in sie eindringen. Ein echter Heiler weiß, ebenso wie jeder ordentliche Arzt, dass er nichts in andere Menschen hineinzaubern kann, sondern nur versuchen kann, die Natur der Hilfesuchenden von innen her zu öffnen und zu stabilisieren.

Besonders im Hypnosegeschäft werden beispielsweise auch Aussagen gebildet, wonach man geistig scheinbar in das menschliche Gehirn eingreifen könne wie in einen Computer oder in ein Auto, und defekte Prozesse »einfach und schnell umprogrammieren« könne, was dann angeblich dazu führt, dass sich das Leben auch im Äußeren auf wundersame und unbewusste Art »automatisch« verändert.

Leute, die mit solchen und ähnlichen Floskeln arbeiten, kennen sich nicht gut genug aus, überschätzen sich oder lügen. Wenn dies der Fall ist, dann kann auch die angebotene Hilfe nicht gut sein. Jede Art von pauschalen Wirksamkeits- und Heilversprechen ist unseriös, weil es keine Therapeuten, Methoden und Mittelchen gibt, die allen Menschen gleich gut helfen. Diese gibt es am ehesten in der körperlichen Medizin, aber schon gar nicht bei psychischen Leiden.

Auch mit sonstigen Prognosen sind seriöse Anbieter vorsichtig. Wenn es etwa heißt, eine Therapie wird nur kurz dauern, so kann dies dazu führen, dass der Helfer den Klienten, als auch der Klient sich selbst unter Druck setzt, und wenn sich der Erfolg nicht so schnell einstellt wie prognostiziert, so machen sich beim Klienten Frust und Schuldgefühle breit.

Andererseits kann eine zu lange Prognose der Therapie dazu führen, die Heilungsmöglichkeit zu unterschätzen. Bei einer meiner ersten Beratungen meinte etwa die Therapeutin, ich solle mich auf vier Jahre Psychoanalyse einstellen (sie war natürlich selbst Psychoanalytikerin). Hilfesuchende – noch dazu in der ersten Sitzung – auf eine jahrelang notwendige Therapie einzuschwören ist völlig unprofessionell.

Negative Prognosen, also etwa die Behauptung, ein Leidenszustand würde sich nicht oder nur leicht bessern, sind generell unseriös, denn sowohl bei körperlichen als auch bei psychischen Leiden zeigt sich immer wieder, dass das Potenzial zur Heilung auch von Fachleuten oft unterschätzt wird und Menschen oft gesünder werden, als es ihnen vorausgesagt wurde.

Seriöse Anbieter sind realistisch und vorsichtig mit ihrer Wortwahl, daher sagen sie zum Beispiel eher, ihr Angebot »kann gut helfen« oder »kann wirken«, weil der Erfolg psychischer Hilfe nicht völlig in ihrer Macht liegt, sondern weitgehend in der Eigenverantwortung der Betroffenen.

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