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1. Kapitel Einleitung

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Seit Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. des SEStEG 2006[1] ist die Bedeutung von Umwandlungsfällen im Notariat immer mehr gestiegen. Insbesondere im Bereich von Umstrukturierungsmaßnahmen in Konzernen oder Unternehmensgruppen hat sich das Umwandlungsrecht als wichtiges Gestaltungsinstrument durchgesetzt. Ein überwiegender Teil der Umwandlungsfälle ist steuerlich motiviert, bei welchen das Erzielen der steuerlich gewünschten Folgen für die Beteiligten im Regelfall auch das wesentliche Ziel ist.

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Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, welches am 25.4.2007 in Kraft getreten ist, wurden vorrangig die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie vom 15.12.2005 (VRL) sowie der SEVIC-Entscheidung des EUGH[2] in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz zur Umsetzung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (MgVG) ist am 29.12.2006 in Kraft getreten.

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Die steuerrechtlichen Vorgaben der VRL wurden mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Maßnahmen (SEStG), welches am 13.12.2006 in Kraft getreten ist, in nationales Recht umgesetzt. In Art. 6 SEStG war eine vollständige Neufassung des UmwStG enthalten, welche auch bei inländischen Umwandlungsvorgängen teilweise zu erheblichen Änderungen der steuerlichen Vorgaben führt. Das UmwStG 2006 ist seit seiner Einführung neunmal geändert worden. Eingeschränkt wurden insbesondere der Zinsvortrag im Zusammenhang mit Verlustvorträgen, die Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum und die Verlustverrechnung des übernehmenden Rechtsträgers bei rückwirkenden Umwandlungen. Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurden als Reaktion auf den sog. VW-Porsche-Deal die sonstigen Gegenleistungen bei Einbringungen nach § 21, § 22 und § 24 UmwStG beschränkt.[3]

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Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), welches am 1.11.2008 in Kraft getreten ist, hat zahlreiche Änderungen im GmbH-Recht bewirkt, die auch im Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes zu berücksichtigen sind. Ebenso hat das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG), welches am 29.5.2009 in Kraft getreten ist, Auswirkungen im Bereich des Umwandlungsrechts. Die neuen Bilanzierungsregeln sind verpflichtend für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2010 anzuwenden. Das BilMoG ist als die weitreichendste Reform der HGB-Bilanzierungsregeln seit fast drei Jahrzehnten anzusehen. Am 31.12.2011 wurde der Umwandlungssteuererlass zum SEStG veröffentlicht, der fünf Jahre nach Inkrafttreten des SEStG für mehr Gestaltungssicherheit im UmwStG sorgen soll.

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Durch das „Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes“, welches am 15.7.2011 in Kraft getreten ist, wurden in erster Linie die Vorgaben der Änderungsrichtlinie vom 16.9.2009 – 2009/109/EG – in nationales Recht umgesetzt. Die Änderungsrichtlinie hat im Bereich des Umwandlungsrechts das Ziel, im Bereich der Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften, teilweise auch von Kommanditgesellschaften auf Aktien und von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Erleichterungen bei Berichtspflichten, Prüfungspflichten, Informationspflichten und Veröffentlichungspflichten zu erreichen. Der deutsche Gesetzgeber wollte zunächst bei der Umsetzung in nationales Recht teilweise die Erleichterungen auf alle Rechtsträger erstrecken, hat sich aber im Wesentlichen dann doch auf die Umsetzung in den Fällen der Beteiligung von Aktiengesellschaften und von Kommanditgesellschaften auf Aktien beschränkt. Zudem hat der Gesetzgeber auch noch weitere Änderungen des Umwandlungsgesetzes vorgenommen, so das Entfallen von Zustimmungspflichten der Anteilseigner bei bestimmten Fällen der Konzernverschmelzung sowie Änderungen zum Ausschluss von Minderheitsaktionären („umwandlungsrechtliches Squeeze-out“).

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Durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes“, welches am 1.1.2019 in Kraft getreten ist, wurden zum einen im Hinblick auf den Brexit durch eine Erweiterung des personellen Anwendungsbereichs der Vorschriften über die grenzüberschreitende Verschmelzung und durch Einführung einer speziellen Übergangsregel Gestaltungsoptionen geschaffen. Außerdem wurden durch den Gesetzgeber §§ 122a und 122b UmwG um Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Personenhandelsgesellschaften ergänzt.

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Im Zuge der Maßnahmen die Pandemiefolgen 2020 abzumildern wurde auf nationaler Ebene das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie beschlossen. Es trat am 28.3.2020 in Kraft und sieht unter anderem die Zulässigkeit einer bis zu zwölf Monate vor der Anmeldung aufgestellte Schlussbilanz für Umwandlungsfälle sowie Erleichterungen für die Durchführung von Gesellschafterversammlungen vor. Die Erleichterungen waren zunächst befristet bis 31.12.2020; deren Geltung wurde jedoch bis 31.12.2021 verlängert. Weitere Erleichterungen – befristet bis Ende 2020 – enthält die zum 28.5.2020 in Kraft getretene EU-Verordnung 2020/699. Sie gilt für Hauptversammlungen Europäischer Aktiengesellschaften (SE) und Generalversammlungen Europäischer Genossenschaften (SCE).

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Da die steuerlichen Folgen einer Umwandlung für die Beteiligten meistens von vorrangiger Bedeutung sind, bedeutet dies für die beteiligten Berater und den beurkundenden und dann im Vollzug tätigen Notar, dass insbesondere die im Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht vorgegebenen Fristen genau eingehalten werden müssen. Für den Notar bedeutet dies in erster Linie, dass er dafür Sorge tragen muss, dass der Umwandlungsfall zu einem bestimmten Termin vollzugsreif beim Registergericht vorliegen muss. Hier liegt eine hohe Endverantwortung des Notars, der gerade bei komplexeren Gestaltungen vor Einreichung der Anträge nochmals prüfen muss, dass für das Registergericht kein Zurückweisungsgrund für die gestellten Anträge gegeben ist, vgl. hierzu 2. Kap. Rn. 52.

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Das UmwG hat zu einer kodifizierten Zusammenfassung und Systematisierung des Umwandlungsrechts geführt, welches zuvor in verschiedenen Gesetzen[4] mit jeweils unterschiedlichen systematischen Ansätzen, v.a. rechtsformspezifisch geregelt war. Die Rechtsprechung und Kommentierung zu der Rechtslage vor dem 1.1.1995 ist daher nur noch im Einzelfall, soweit der systematische Ansatz derselbe geblieben ist, auf das heutige UmwG übertragbar.

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Obwohl das UmwG rund 300 verschiedene Umwandlungsmöglichkeiten bietet, vgl. Anhang, hat es die Umstrukturierungsmaßnahmen im Wege der Einzelrechtsnachfolge nicht vollständig verdrängt. Vielmehr gilt es in jedem Fall zu überdenken, ob ggf. eine entsprechende Gestaltung der Einzelübertragung im zivil-/gesellschaftsrechtlichen Bereich nicht auf schnellerem und kostengünstigerem Weg zu einem gleichwertigen steuerlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Ergebnis führen könnte, vgl. auch die Gestaltungsüberlegungen im 8. Kap. des Handbuchs.

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Ist eine Umwandlung nach dem UmwG durchzuführen, ist die passende Umwandlungsmöglichkeit aus der Vielzahl der Umwandlungsformen herauszufiltern. Dieser Vorgang wird durch die sog. „Baukasten-Technik“[5] des UmwG vereinfacht:[6]

- Zunächst ist zu ermitteln, welche der vier Umwandlungsarten (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Formwechsel) angewandt werden soll; dies lässt sich anhand folgender Fragen ermitteln: - Wird das gesamte Vermögen eines Rechtsträgers durch die Umwandlung erfasst? - Wenn ja, soll eine Vermögensübertragung stattfinden, oder wechselt der Rechtsträger nur die Rechtsform[7] (sein „Rechtskleid“)? - Was passiert mit dem umwandelnden Rechtsträger nach Wirksamwerden der Umwandlung? - Wer soll welche Gegenleistung für die im Wege der Umwandlung erfolgende Vermögensübertragung erhalten?
- Gelangt man über die erste Einordnung zu einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung, muss geklärt werden, ob diese durch Übertragung des Vermögens auf einen schon bestehenden oder einen erst neu zu gründenden Rechtsträger erfolgen soll.
- Zuletzt muss die Rechtsform der am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger nochmals im Hinblick auf die Zulässigkeit der gefundenen Umwandlungsform sowie der anzuwendenden Besonderen Vorschriften der jeweiligen Umwandlungsart hinterfragt werden.

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Die Darstellung der einzelnen Umwandlungsarten erfolgt in diesem Handbuch in Anlehnung an das Grundschema eines Umwandlungsvorgangs: Vorbereitungsphase-Beschlussphase-Vollzugsphase-Wirksamwerden und Wirkungen der Umwandlung. Dabei wurde das Augenmerk auf die Einführung in die Grundlagen des Umwandlungsrechts verbunden mit der Darstellung von Lösungsansätzen für praxisrelevante Fragen gerichtet, welche häufig ohne Vorliegen von Großkommentaren nur sehr zeitaufwendig zu lösen sind. Schon allein durch den kompakten Umfang stellt das Handbuch jedoch keinen Anspruch auf vollständige Darstellung aller im Umwandlungsrecht relevanten Probleme und Themenkreise. Hierzu gibt es bereits gute Komplettdarstellungen und Kommentare. Die Auswahl der behandelten Themen und Lösungsansätze erfolgte vielmehr im Hinblick auf die Relevanz v.a. in der notariellen Praxis im Bereich des Umwandlungsrechts.

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Bereits seit der zweiten Auflage dieses Handbuchs wurden aufgrund der am 25.4.2007 in Kraft getretenen, ins Umwandlungsgesetz neu eingefügten §§ 122a ff. UmwG die grenzüberschreitenden Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften sowie einzelne Themenstellungen zu grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen in mehreren Abschnitten behandelt. In dieser neuen 4. Auflage haben wir sämtliche Themen zu grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen in einem separaten, neu eingefügten Kapitel zusammengefügt, vgl. 7. Kap.

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Der Allgemeine Teil im 2. Kap. soll neben den allgemeinen Grundsätzen des UmwG die Verzahnung des Umwandlungsrechts mit anderen Rechtsgebieten sowie die notarspezifischen Themen aufzeigen. Die ausgewählten Themen betreffen insbesondere die wesentlichen Bereiche der dem Notar im Rahmen des § 17 BeurkG obliegenden Beratungs- und Belehrungspflichten.

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Das Umwandlungsgesetz ist eng verzahnt mit dem Umwandlungssteuergesetz. Der Notar kann im Regelfall nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass mit dem Umwandlungsvorgang die steuerlichen Ziele umgesetzt werden können. Der Notar muss jedoch die wichtigen Themen kennen, durch welche steuerliche Hindernisse entstehen können, bzw. muss gegebenenfalls die Beteiligten auf zusätzlichen Beratungsbedarf aufmerksam machen. Ebenso muss die grunderwerbsteuerliche Beurteilung von Umwandlungsvorgängen vom Notar mitbedacht werden. Die Ausführungen zu steuerlichen Aspekten im nachfolgenden Handbuch beschränken sich auf die wichtigsten Hinweise zur Verzahnung mit dem UmwStG und dem GrEStG. Dabei wurde versucht, das Problembewusstsein an wichtigen Stellen zu wecken, ohne Anspruch auf abschließende Behandlung der einzelnen Themenbereiche zu stellen.

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Umwandlungsfälle haben häufig hohe Geschäftswerte als Grundlage. Daher ist eine kostenrechtlich sinnvolle Gestaltung der Umwandlungsfälle nicht nur im Interesse der Beteiligten erforderlich, sondern wird auch der Verantwortung des Notars zur sachlich richtigen Behandlung des Beurkundungsauftrages unterstellt,[8] vgl. hierzu nachstehend 2. Kap. Rn. 58. Da es nur wenige gesammelte Darstellungen zum Kostenrecht bei Umwandlungsfällen gibt, wurde dieses Thema nachstehend unter 2. Kap. Rn. 57 ff. ausführlicher dargestellt. Auch für den beratenden Juristen und/oder Steuerberater ist es wichtig, die möglicherweise gebührenerhöhende Wirkung von Gestaltungsvarianten beurteilen zu können.

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Die in diesem Handbuch verwendeten Musterlösungen wurden in Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen von Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB, Stuttgart, und der Notarsozietät Stoye-Benk|Luy, Stuttgart entwickelt. Dadurch konnte den Lösungsansätzen ein breites Wissens- und Erfahrungsspektrum zugrunde gelegt werden. Die Musterlösungen bauen jeweils auf einem Fallbeispiel auf.

Handbuch Umwandlungsrecht

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