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I. Grundsätze des Umwandlungsrechtes

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Das Umwandlungsgesetz unterscheidet in § 1 UmwG zwischen der Verschmelzung, der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), der Vermögensübertragung und dem Formwechsel. Das Umwandlungsgesetz nimmt in § 1 Abs. 2 UmwG die Vorgabe eines gewissen „numerus clausus“ der Umwandlungsarten für sich in Anspruch,[1] d.h., dass Umwandlungen i.S. einer Gesamtrechtsnachfolge oder Identitätswahrung außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwG nur zulässig sind, wenn sie durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind (sog. Analogieverbot).[2]

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Das Umwandlungsrecht ist gem. § 1 Abs. 3 UmwG grundsätzlich zwingender Natur, ergänzende Bestimmungen können von den Beteiligten jedoch getroffen werden, soweit die zwingenden Bestimmungen des Umwandlungsrechts nicht abschließend sind oder Schutzvorschriften des UmwR hierdurch noch verschärft werden. Ähnlich wie im Sachenrecht ist es gerade Aufgabe des Notars bei der Beurkundung von Umwandlungsfällen darauf hinzuwirken, dass allen zwingenden Erfordernissen des Umwandlungsrechts Rechnung getragen wird. Verschärft wird diese Aufgabe dadurch, dass im Zusammenspiel mit dem UmwStG teilweise keine Nachbesserungsmöglichkeit gegeben ist, damit die zumeist in erster Linie verfolgten steuerlichen Wirkungen des Umwandlungsvorgangs eintreten können, vgl. hierzu unten Rn. 80.

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Das Umwandlungsgesetz regelt für jede Art der Umwandlung, welche Rechtsträger an ihr beteiligt sein können, vgl. Anhang. Eine zusammenfassende Übersicht über die möglichen Umwandlungsarten ist in Rn. 5 enthalten. Bei Beteiligung unterschiedlicher Formen von Rechtsträgern an Verschmelzungen als übertragende bzw. übernehmende Rechtsträger spricht die Literatur von sog. „Mischverschmelzungen“.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass andere „Umwandlungen“ immer noch nach allgemeinen Regeln anderer Rechtsbereiche möglich sind. Dies sind im Wesentlichen:

- die An- und Abwachsung gem. § 738 BGB bei sämtlichen Personengesellschaften,
- der Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den letzten Gesellschafter einer Personengesellschaft, soweit dieser durch Ausscheiden aller übrigen Gesellschafter eintritt (sog. Anwachsungsmodell),
- der „Formwechsel“ von OHG, KG und GbR untereinander, der daher den allgemeinen Regeln des HGB unterliegt,
- der „Formwechsel“ von der Unternehmergesellschaft in die GmbH, der allein dadurch herbeigeführt werden kann, dass das Stammkapital der Unternehmergesellschaft zumindest auf das gesetzliche Mindeststammkapital erhöht wird.[3] Die „Umwandlung“ einer GmbH in eine Unternehmergesellschaft durch Kapitalherabsetzung bei gleichzeitiger Umfirmierung ist allerdings unzulässig.[4]

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass selbstverständlich alle Formen der Einzelrechtsnachfolge durch Einzelübertragung von Aktiva und Passiva (assets) oder von Gesellschaftsanteilen (shares) vom Umwandlungsrecht grundsätzlich unberührt bleiben.

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In diesem Zusammenhang wird häufig die Anwendbarkeit der Schutzregeln des UmwG auf Vorgänge diskutiert, welche nicht dem Umwandlungsrecht unterliegen, aber zu strukturellen Veränderungen der Gesellschaft/des Unternehmens führen. Ausgangspunkt ist die Holzmüller-Entscheidung,[5] in deren Folge die Ausgliederung oder Abspaltung von wesentlichem Gesellschaftsvermögen oder eine wirtschaftliche Fusion, durch welche die Beteiligungsstruktur und die Beteiligungsquote der betroffenen Anteilsinhaber gravierend verändert wird oder die Aufnahme einer Gesellschaft, die das bisherige Erscheinungsbild des Ausgangsrechtsträgers dauerhaft und nachhaltig verändert,[6] als Strukturentscheidung anzusehen ist, welche zumindest bei einer Aktiengesellschaft einer Beschlussfassung der Anteilsinhaber mit qualifizierter Mehrheit bedarf.[7] Durch die Rechtsprechung wird hierzu immer wieder bestätigt, dass sowohl das beschlussvorbereitende Verfahren als auch der Minderheitenschutz nach Beschlussfassung durch analoge Anwendung der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes zu gestalten ist.[8] Die dogmatischen Ansätze der Holzmüller-Entscheidung wurden in der Literatur sehr kontrovers diskutiert und kritisiert. Zum einen wird der Rechtfertigungsgrund für die Zuordnung einzelner, immer neu zu bestimmender Maßnahmen in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung hinterfragt, zum anderen wird die unsichere Rechtslage in Bezug auf Fragen der formellen Abwicklung und der inhaltlichen Reichweite des Zustimmungserfordernisses herausgestellt.[9] Durch die „Gelatine“-Entscheidungen des BGH wurden die ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung wesentlich konkretisiert.[10]

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Die nachfolgende Tabelle soll eine zusammenfassende Übersicht über die Umwandlungsmöglichkeiten des UmwG in Verbindung mit der SE-VO bieten; dabei ist zu beachten, dass die UG (haftungsbeschränkt) zwar unstrittig eine Unterform der GmbH ist,[11] da die Vermögensübertragung im Zuge der Umwandlung jedoch als Sacheinlage bzw. Sachgründung beim übernehmenden oder neuen Rechtsträger anzusehen ist, scheidet die UG (haftungsbeschränkt) als aufnehmender Rechtsträger teilweise aus.[12]

Umwandlungsform Übertragende Rechtsträger Übernehmende oder neue Rechtsträger mit Vermögensübertragung Ohne Vermögensübertragung
Verschmelzung in beliebiger Kombination zulässig OHG,[13] KG, Partnerschaft, GmbH, AG, KGaA, eG, e.V.,[14] wirtschaftl. Verein gem. § 22 BGB, Europäische Aktiengesellschaft (SE)[15] OHG, KG, Partnerschaft,[16] GmbH, AG, KGaA, eG, Europäische Aktiengesellschaft (SE),[17] UG (haftungsbeschränkt) nur in Fällen der Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung oder mit einer Kapitalerhöhung auf mind. 25 000 EUR[18] X
Verschmelzung nur auf bestimmte Rechtsträger zulässig Gen. Prüfungsverbände Gen. Prüfungsverbände X
VVaG Versicherungs-AG oder VVaG
Verschmelzung nur von bestimmten Rechtsträgern zulässig e.V.[19] e.V. X
GmbH, AG, KGaA, Europäische Aktiengesellschaft (SE),[20] UG (haftungsbeschränkt)[21] Natürliche Person (Alleingesellschafter)
rechtsfähiger Verein[22] Gen. Prüfungsverbände
Verschmelzung nur unter bestimmten Rechtsträgern zulässig (grenzüberschreitend[23]) Kapitalgesellschaften,[24] die nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Staates gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben, Europäische Aktiengesellschaft (SE), zeitlich begrenzt:[25] Kapitalgesellschaften, die dem Recht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) unterliegen Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften mit i.d.R. nicht mehr als 500 Arbeitnehmern, die nach dem Recht eines EU- bzw. EWR-Staates gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben; nicht: Europäische Aktiengesellschaft (SE) X
Spaltung (Details zu Einschränkungen der Spaltungsmöglichkeiten sind ergänzend aus Tabelle 4. Kap. Rn. 13 zu entnehmen) OHG, KG, Partnerschaft, GmbH, AG u. KGaA,[26] eG, e.V. und wirtschaftl. Verein gem. § 22 BGB,[27] – Europäische Aktiengesellschaft (SE),[28] UG (haftungsbeschränkt) soweit keine Kapitalherabsetzung erforderlich[29] OHG, KG, Partnerschaft, GmbH, AG und KGaA, eG, Europäische Aktiengesellschaft (SE),[30] UG (haftungsbeschränkt) nur in Fällen der Spaltung ohne Kapitalerhöhung, nicht zur Neugründung einer UG[31] und nicht bei Ausgliederung[32] X
Gen. Prüfungsverband a) Auf-/Abspaltung zur Aufnahme: Gen. Prüfungsverband
b) Ausgliederung: GmbH, AG, KGaA
VVaG a) Auf-/Abspaltung zur Aufnahme oder Neugründung: Versicherungs-AG oder VVaG
b) Ausgliederung: GmbH oder AG (keine Übertragung von Versicherungsverträgen)
Spaltung nur von bestimmten Rechtsträgern zulässig e.V. e.V. X
Spaltung nur als Ausgliederung zulässig Einzelkaufmann (Einschränkungen des § 152 UmwG sind zu beachten) a) zur Aufnahme: OHG, KG, GmbH, AG, KGaA, eG X
b) zur Neugründung: GmbH, AG, KGaA
Stiftungen a) zur Aufnahme: OHG, KG, GmbH, AG, KGaA
b) zur Neugründung: GmbH, AG, KGaA
Gebietskörperschaften oder Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften[33] a) zur Aufnahme: OHG, KG, GmbH, AG, KGaA, eG
b) zur Neugründung: GmbH, AG, KGaA, eG
Formwechsel nur eingeschränkt zulässig in bestimmte Rechtsformen[34] GmbH, AG, KGaA, SE (str.)[35] GbR, OHG, KG, Partnerschaft, GmbH, AG, KGaA, eG X
OHG, KG, Partnerschaft GmbH, AG, KGaA, eG
e.G. GmbH, AG, KGaA
e.V. GmbH, AG, KGaA, e.G.
VVaG (nur größerer) AG
Körperschaft/Anstalten des öffentlichen Rechts GmbH, AG, KGaA
Europäische Aktiengesellschaft (SE)[36] AG
UG (haftungsbeschränkt) GbR, OHG, KG, Partnerschaft, eG[37]
Vermögensübertragung (Vollübertragung und Teilübertragung) GmbH Öffentliche Hand X
AG, KGaA, Europäische Aktiengesellschaft (SE)[38] Öffentliche Hand
Versicherungs-AG VVaG, öffentlich-rechtl. Versicherungsunternehmen
VVaG Öffentlich-rechtliches Versicherungsunternehmen, Versicherungs-AG
öffentlich-rechtliches Versicherungsunternehmen VVaG, Versicherungs-AG

Strittig ist, ob eine in Gründung befindliche Gesellschaft beteiligter Rechtsträger sein kann. Eine Minderheitsmeinung vertritt unter Hinweis auf die Identität von Vor-Gesellschaft und Kapitalgesellschaft nach Eintragung, dass die Vor-Gesellschaft bereits einen Verband darstellt, der umwandlungsfähig ist.[39] Es ist m.E. der vermittelnden herrschenden Meinung beizutreten, dass die Gesellschaft zumindest eine logische Sekunde vor Wirksamwerden des Umwandlungsvorgangs entstanden sein muss, d.h. dass bei der Kapitalgesellschaft die Eintragung im Handelsregister erfolgt sein muss.[40] Hierfür kann der Zustimmungsbeschluss aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalgesellschaft abgegeben werden.[41] Die Gesellschaft in Gründung kann daher den Umwandlungsvertrag abschließen, die Umwandlungsbeschlüsse herbeiführen und die Handelsregisteranmeldung durchführen, muss aber für das Wirksamwerden der Umwandlung zuvor als Gesellschaft wirksam entstehen.[42]

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Da § 1 UmwG von Rechtsträgern mit dem Sitz in Inland spricht, ging die überwiegende Meinung bis zum Vorliegen der SEVIC-Entscheidung des EuGH[43] davon aus, dass der Anwendungsbereich des UmwG auf inländische Umwandlungsvorgänge beschränkt ist. Bereits in der 1. Auflage dieses Handbuchs wurde jedoch darauf hingewiesen, dass durch das Analogieverbot eine grenzüberschreitende Umwandlung nicht automatisch ausgeschlossen ist. So wurden auch schon vor der SEVIC-Entscheidung Einzelfälle von grenzüberschreitenden Verschmelzungen in deutsche Handelsregister eingetragen.[44] Der Gesetzgeber hat die grenzüberschreitende Umwandlung gemäß amtlicher Begründung bewusst zunächst ausgeklammert. Mit der Verordnung zur europäischen Aktiengesellschaft, Societas Europaea (SE-VO), welche am 8.10.2004 in Kraft getreten ist, wurde ein wichtiger Schritt zur Umsetzung grenzüberschreitender Umwandlungsvorgänge gemacht. Danach wurde teilweise für grenzüberschreitende Verschmelzungen auch der Weg der Kettenverschmelzung unter Zwischenschaltung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) gewählt, um das wirtschaftliche Ergebnis einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu erreichen.

Mit der SEVIC-Entscheidung des EuGH vom 13.12.2005 hat dieser klargestellt, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen Maßnahmen zur Ausübung der Niederlassungsfreiheit sind, welche gem. Art. 43, 48 EGV grundsätzlich für Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten zu schützen sind. Die generelle Verweigerung grenzüberschreitender Verschmelzungen in § 1 UmwG stelle daher eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Der EuGH stellt aber auch klar, dass der nationale Gesetzgeber jedoch wegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls die Zulässigkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen unter bestimmten Umständen einschränken darf. Im Hinblick auf andere Umwandlungsarten führt der EuGH aus, dass auch diese den Zusammenarbeits- und Umgestaltungsbedürfnissen von Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten entsprechen und daher wichtige Modalitäten der Ausübung der Niederlassungsfreiheit darstellen. Der EuGH hatte im Rahmen des sog. CARTESIO-Verfahrens[45] zu entscheiden, ob die Niederlassungsfreiheit vom Wegzugstaat beschränkt werden darf. In der Literatur war es sehr strittig, ob die SEVIC-Entscheidung auch auf den Schutz der Niederlassungsfreiheit in Bezug auf die freie Wegzugmöglichkeit aus einem Staat innerhalb der EU hätte erstreckt werden können.[46] Mit der CARTESIO-Entscheidung hat der EuGH – für viele überraschend – jedem Mitgliedstaat zugestanden, es einer Gesellschaft seines nationalen Rechts nicht zu gestatten, diese Eigenschaft (Rechtsform) zu behalten, wenn sie sich durch die Verlegung ihres Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat dort neu organisieren möchte. Nach einem obiter dictum des EuGH in der CARTESIO-Entscheidung ist jeder Mitgliedstaat jedoch verpflichtet, die Verlegung des Sitzes bei gleichzeitiger Umwandlung in eine Rechtsform des Zielstaats grundsätzlich zu dulden. Dies eröffnete eine Weiterentwicklung zur Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, der jedoch vom EuGH klar davon abhängig gemacht wurde, ob der Zuzug-Staat diesen zulässt.[47] Zu der Entwicklung des grenzüberschreitenden Umwandlungsrechts s. 7. Kap.

Mit der Verschmelzungsrichtlinie vom 15.12.2005 (VRL) über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten wurde in Art. 19 VRL den Mitgliedsstaaten aufgegeben bis zum 31.12.2007 im nationalen Recht grenzüberschreitende Verschmelzungen zuzulassen, wenn das nationale Recht auch für innerstaatliche Gesellschaften Verschmelzungen zulässt.

Mit dem Inkrafttreten der §§ 122a ff. UmwG am 25.4.2007 hat der deutsche Gesetzgeber nur einen Teilaspekt der vorstehenden zwingenden europarechtlichen Vorgaben für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge in nationales Recht umgesetzt. Mayer[48] weist zu Recht darauf hin, dass die Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 122a ff. UmwG auf Kapitalgesellschaften zwar der VRL entspricht, wichtige Aspekte der SEVIC-Entscheidung des EuGH jedoch unberücksichtigt lässt. So beschränkt der EuGH die Niederlassungsfreiheit nicht auf Kapitalgesellschaften, so dass die Grundsätze der Entscheidung sinngemäß auch für die Verschmelzung von Personenhandelsgesellschaften und anderen Unternehmensträgern anzuwenden sein müssten. Teilweise sollen diese Lücken (jedoch sehr eingeschränkt) durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes“, welches am 1.1.2019 in Kraft getreten ist, vgl. 1. Kap. Rn. 8, sowie durch die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, vgl. hierzu ausführlich das 7. Kap., geschlossen werden. In den nicht normierten Fällen geht die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit den Lücken der sekundärrechtlichen Regelungen vor.[49] Für die Praxis stellt sich aber in diesen Bereichen die schwierige Aufgabe ein Verfahren zu finden, das umsetzbar und eintragungsfähig ist. Man muss hier auf die Regeln zurückgreifen (s.a. die »Vereinigungstheorie«[50]), die auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage entwickelt wurden. Zu den Besonderheiten der Umsetzungsschwierigkeiten in der Zeit bis zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 vom 27.11.2019 in nationales Recht durch den Gesetzgeber in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen vgl. 7. Kap. II.

Für die notarielle Praxis empfiehlt sich bei allen grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, die sekundärrechtliche Lücken schließt, eine intensive und detaillierte Abstimmung mit den zuständigen Registergerichten.

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Mit der Verordnung zur europäischen Aktiengesellschaft, Societas Europaea (SE-VO), welche am 8.10.2004 in Kraft getreten ist, wurde ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines europäischen Gesellschaftsrechts gemacht. Die SE bot als erste Rechtsform die Möglichkeit, innerhalb der Mitgliedstaaten der EU/des EWR grenzüberschreitende Umstrukturierungen vorzunehmen.[51] Diese Funktion der SE spiegelt sich auch in dem numerus clausus der Gründungsformen einer SE, nämlich der ausschließlichen Zulässigkeit der originären Gründung durch Verschmelzung (»grenzüberschreitend«), Art. 2 Abs. 1 SE-VO, Gründung einer Holding-SE, Art. 2 Abs. 2 SE-VO, oder Gründung einer Tochter-SE, Art. 2 Abs. 3 SE-VO, durch bestehende AGs, GmbHs oder SEs mit Mehrstaatenbezug oder durch Formwechsel einer AG in eine SE, Art. 2 Abs. 4 SE-VO.[52] Teilweise wurde nach Inkrafttreten der SE-VO für grenzüberschreitende Verschmelzungen auch der Weg der Kettenverschmelzung unter Zwischenschaltung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) gewählt, um das wirtschaftliche Ergebnis einer umfassenderen grenzüberschreitenden Verschmelzung zu erreichen.

Für dieses Handbuch sind die zulässigen Umwandlungen unter Beteiligung einer SE interessant. Zum einen sind das die in der Übersicht oben Rn. 5 aufgeführten Umwandlungsarten des UmwG, an welchen eine SE beteiligt werden kann. Zum anderen sind dies die in der SE-VO geregelten Verschmelzungsmöglichkeiten, Art. 17 SE-VO sowie der Formwechsel einer AG in eine SE gem. Art. 37 SE-VO sowie der Formwechsel einer SE in eine AG gem. Art. 66 SE-VO. Die SE-VO, in Kraft seit 8.10.2004, wird ergänzt durch das SE-Ausführungsgesetz (SEAG) sowie das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG), welche beide am 29.12.2004 in Kraft getreten sind. Soweit die SE-VO (in erster Linie) sowie das SEAG sowie das SEBG (in zweiter Linie) keine speziellen Rechtsvorschriften enthalten, gelten in dritter Linie die nationalen Vorschriften zur Aktiengesellschaft und hier wiederum in erster Linie die Vorschriften des AktG und in zweiter Linie die übrigen auf die AG anwendbaren Vorschriften, so auch das UmwG.[53]

Aus dem vorstehend dargestellten Rangverhältnis resultierend wird die Zulässigkeit der Beteiligung einer SE an Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG kontrovers diskutiert. Zum einen darf die SE gem. Art. 10 SE-VO nicht gegenüber nationalen AGs diskriminiert werden, zum anderen könnte aus der Rangfolge der Vorschriften für die SE geschlossen werden, dass die in der SE-VO vorgesehenen Umwandlungsarten für die SE abschließend sind.[54] Der Meinungsstand ist in den Fußnoten zu Rn. 5 dargestellt.

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Mit der Societas Cooperativa Europaea (SCE) steht seit dem 18.8.2006 dem deutschen Rechtsverkehr eine weitere europäische Gesellschaftsform zur Verfügung.[55] Ähnlich wie bei der SE wird auch bei der SCE diskutiert, inwiefern diese sich an Umwandlungsvorgängen nach deutschem Recht beteiligen kann. 2015 wurde die erste formwechselnde Umwandlung einer deutschen Genossenschaft in eine SCE vollzogen.[56] Wenn Bereiche in der SCE-VO nicht oder nur teilweise geregelt sind, kommt das nationale Recht zur Anwendung. Nach h.M.[57] sind jedoch die in der SCE-VO zugelassenen Gründungsarten abschließend, somit kommen als Umwandlungsvorgänge zur Neugründung einer SCE lediglich die Verschmelzung gem. Art. 19–24 SCE-VO bzw. der Formwechsel gem. Art. 35 SCE-VO in Betracht. Gem. Art. 9 SCE-VO können jedoch wegen des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung bestehende SCEs mit Sitz in Deutschland sich an nationalen wie auch grenzüberschreitenden Umwandlungen grundsätzlich in gleichem Umfang beteiligen wie eine Genossenschaft deutschen Rechts.[58]

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Geplant ist die Einführung einer weiteren europäischen Gesellschaftsform, nämlich der Société privée européenne (SPE), auch als Europäische Privatgesellschaft (EPG) bezeichnet. Es handelt sich um die Schaffung einer europäischen Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Tätigkeit auf dem EU-Binnenmarkt erleichtern soll. Es lag auch bereits ein Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vor,[59] es ist derzeit aber noch nicht abzusehen, wann und mit welchem genauen Inhalt eine SPE auf den Weg gebracht wird. Hauptstreitpunkte sind die Festlegung des Mindesthaftkapitals, die Möglichkeit zur Aufspaltung von Satzungs- und Verwaltungssitz sowie die Festlegung der Schwellenwerte für die Arbeitnehmermitbestimmung.[60] Die schwedische Ratspräsidentschaft ist am 4.12.2009 mit ihrem Kompromissvorschlag zu Mindestkapital und Mitbestimmung im Rat gescheitert. Nachfolgende Bemühungen waren bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt; die EU-Kommission hat den VO-Vorschlag zurückgezogen.[61]

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Bei der Arbeit mit Umwandlungsfällen ist es wichtig, die Struktur des UmwG zu begreifen. Der „Allgemeine Teil“ (Erstes Buch) des UmwG umfasst nur eine Vorschrift, nämlich den § 1 UmwG. Im Zweiten Buch „Verschmelzung“ werden im Ersten Teil „Allgemeine Vorschriften“ für die Verschmelzung aufgestellt, welche für die Gesamtvermögensübertragung grundlegend sind. Auf diese wird dann in den anderen Büchern des UmwG, welche die Gesamtvermögensübertragung ohne Identitätswahrung betreffen (Spaltung und Vermögensübertragung), in großem Umfang zurückverwiesen. Im Zweiten Teil des Zweiten Buchs, „Besondere Vorschriften“, werden dann die Besonderheiten bei der Beteiligung verschiedener Rechtsträger an der Verschmelzung, jeweils untergliedert nach den unterschiedlichen Verschmelzungsarten, geregelt einschließlich der im 10. Abschnitt neu eingefügten grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. Diese Gliederung wird im Dritten Buch „Spaltung“ und im Vierten Buch „Vermögensübertragung“ exakt nachgebildet. Im Fünften Buch „Formwechsel“ ist die Gliederung ähnlich, jedoch ergeben sich Besonderheiten aus dem identitätswahrenden Charakter des Formwechsels. Für den Einsteiger in diese Materie empfiehlt es sich daher, zunächst in die allgemeinen Vorschriften zur Verschmelzung intensiv einzusteigen und sich dann jeweils die Abweichungen der allgemeinen Vorschriften der anderen Umwandlungsarten zu vergegenwärtigen. Die allgemeinen Vorschriften zum Formwechsel sollten separat im Anschluss erarbeitet werden. Erst dann empfiehlt sich der Einstieg in die Details der jeweiligen besonderen Vorschriften. Durch diesen stufenartigen Aufbau bietet das UmwG die Möglichkeit, dass sich sehr schnell die Besonderheiten der im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften unter Berücksichtigung der beteiligten Rechtsträger und der in Frage kommenden Umwandlungsart ermitteln lassen.[62]

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Jeder, der mit Umwandlungsvorgängen befasst ist, muss sich die vom Gesetz vorgegebenen Formvorschriften vergegenwärtigen. Die Umwandlungsvorgänge bedürfen alle der notariellen Beurkundung (§§ 6, 36, 125, 176, 177, 193 UmwG). Ausnahmen bestehen lediglich für wenige Beschlüsse (so z.B. Ausgliederungsbeschluss gem. § 169 UmwG bei einer Ausgliederung aus dem Vermögen einer Gebietskörperschaft). Eine häufig gestellte Frage ist, ob auch für Vollmachten zu Umwandlungsvorgängen eine Form zu beachten ist. Aus dem UmwG ist dazu nichts zu entnehmen. Es gilt daher der allgemeine Grundsatz des § 167 Abs. 2 BGB, dass die Vollmacht grundsätzlich nicht der Form des Hauptgeschäfts bedarf, daher formfrei erteilt werden kann. Zum Nachweis ist jedoch mindestens Schriftform empfehlenswert. Wird durch den Umwandlungsvorgang eine Neugründung bei einer AG, KGaA oder GmbH bewirkt, so bedarf die Vollmacht nach zwischenzeitlich wohl h.M. in der Literatur der notariellen Beglaubigung oder Beurkundung,[63] dies gilt sowohl für die Vollmacht zum Abschluss des Umwandlungsvertrages wie auch zur Stimmabgabe im Rahmen des betreffenden Umwandlungsbeschlusses.[64] Die Vollmacht bedarf auch entgegen § 55 Abs. 1 GmbHG keiner besonderen Form, wenn bei einer übernehmenden GmbH eine Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung vorgenommen wird, da § 55 Abs. 1 S. 1 UmwG gerade die entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 1 GmbHG ausnimmt und nach der herrschenden Meinung zwischenzeitlich auch eine analoge Anwendung wegen des damit verbundenen Schutzzwecks für die Vollmacht abgelehnt wird.[65] Beim Formwechsel ist zu beachten, dass für die Vollmacht zur Abgabe von Zustimmungserklärungen einzelner Anteilsinhaber, deren Zustimmung nach den §§ 190 ff. UmwG zusätzlich zur Beschlussfassung für die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses erforderlich ist, teilweise die notarielle Beurkundung gefordert wird.[66] Neuerdings wird diese Meinung teilweise auch für die Vollmacht zur Abgabe von Zustimmungserklärungen einzelner Anteilsinhaber bei Verschmelzungen vertreten.[67] Die notarielle Beglaubigung ist auch für alle Vollmachten erforderlich, welche der Vornahme von Anmeldungen dienen (§ 12 Abs. 2 HGB). Hier ist jedoch zu beachten, dass bestimmte von den Vertretungsorganen gegenüber dem Registergericht abzugebende Versicherungen vertretungsfeindlich sind, so z.B. die Versicherung der Geschäftsführer über die Erbringung der Einlageleistung bei der Spaltung gem. § 135 UmwG i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 HS 2 GmbHG.[68] Zur Frage der Zulässigkeit des Handelns eines Vertreters ohne Vertretungsmacht vgl. 3. Kap. Rn. 6.

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Im Zuge der Vorbereitung eines Umwandlungsvorgangs muss immer geprüft werden, ob die Satzung/der Gesellschaftsvertrag der beteiligten Rechtsträger für den Abschluss solcher Verträge bzw. die Durchführung solcher Maßnahmen nicht besondere Mitwirkungspflichten oder ähnliches vorsehen, welche zu berücksichtigen sind. Nach Einfügung der Möglichkeiten zur elektronischen Kommunikation bei Verschmelzungen/Formwechsel unter Beteiligung von Aktiengesellschaften durch das Dritte Gesetz zur Änderung des UmwG in §§ 62 Abs. 3, 63 Abs. 3, 230 Abs. 2 UmwG muss insbesondere auch geprüft werden, ob nicht ggf. in der Satzung die Einwilligung zur elektronischen Kommunikation bereits enthalten ist.[69]

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Eine wichtige Frage ist, wie und unter welchen Voraussetzungen Umwandlungsvorgänge nachträglich geändert oder aufgehoben werden können. Bei allen Umwandlungsarten ist nach Wirksamwerden des Umwandlungsvorganges durch Eintragung im Handelsregister eine Änderung oder Aufhebung nicht mehr möglich (so z.B. in §§ 20, 131, 202 UmwG). Einigkeit besteht, dass Änderungen des Umwandlungsvorgangs ebenfalls der notariellen Beurkundung bedürfen.[70] Bedarf der Umwandlungsvorgang eines Vertrages unter den beteiligten Rechtsträgern der Zustimmungsbeschlüsse der Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger, ist hinsichtlich der Erforderlichkeit von Zustimmungsbeschlüssen zur Änderung vor der Eintragung nach h.M.[71] zu unterscheiden, ob die Zustimmungsbeschlüsse bereits gefasst sind oder nur der Vertrag abgeschlossen wurde. Nach einem Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber eines Rechtsträgers bedarf die Aufhebung oder Abänderung des Umwandlungsvertrages jeweils erneut der Zustimmung der Anteilsinhaber. Begründet wird dies damit, dass z.B. bei der Verschmelzung aus § 13 Abs. 1 UmwG die Wertung entnommen werden muss, dass die Anteilsinhaber endverantwortlich über die Umwandlung entscheiden.[72] Dass die Aufhebung der Änderung gleichgestellt wird, ist in der Literatur umstritten,[73] es empfiehlt sich jedoch die Zustimmungsbeschlüsse entsprechend den vorstehenden Regeln auch zur Aufhebung einzuholen.[74] Diese Regeln können auf die Änderung eines Spaltungsplans übertragen werden. Beim Formwechsel müssen m.E. in vollem Umfang die Regeln über die Aufhebung noch nicht vollzogener satzungsändernder Beschlüsse greifen,[75] ein formfreier Aufhebungsbeschluss ist daher zulässig.[76]

Handbuch Umwandlungsrecht

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