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1.2 Der Nationalstaat

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Der Nationalstaat ist ein komplexes und sehr widersprüchliches Konstrukt, das neben geschichtlichen Prozessen zur Erklärung für dessen Zusammensetzung und Konstitution eine Reihe von möglichst multikausalen Definitionsnotwendigkeiten aufweist und aufweisen muss, will das Ziel einer politischen Theoriebildung verfolgt werden, den Realitätsbestand dieses Phänomens nachzuzeichnen. Mehrere Definitionen können dann als Grundlage einer weiteren Modellbildung für eine Theorie herangezogen werden. Im Folgenden soll versucht werden, die erste Stufe einer multiplexen und multikausalen Definitionsbildung und -zusammenstellung, zu zeichnen.

Von der Konstitution des Staatsvolkes ausgehend kann auf einer psychologischen Ebene konstatiert werden, dass mehrere Einzelne, die Großfamilie, soziale Klassen, lokale Initiativen, Verbände, Wirtschaftsunternehmen, regionale Verbände, Kooperationen und Zusammenschlüsse auf höherer organisationaler (und entwicklungsgeschichtlich später: der völkerrechtlichen) Ebene zum Staatsvolk werden, das die Basis einer Nation darstellt.

Die Entstehung des modernen Nationalstaates,

"...zunächst in England und Frankreich, dann auch in modifizierter Form als Territorialstaat im Bereich des deutschen Reiches...(BERG-SCHLOSSER/STAMMEN 2013, S. 17)"

setzt in der Neuzeit ein. WIKIPEDIA setzt die Neuzeit im Zeitraum der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert an.

"Der Staat gründet..auf ganz neue Prinzipien wie Souveränität, Staatsräson [der Grundsatz, in bestimmten Situationen die Rechte des Staates über die Rechte der einzelnen BürgerIn zu stellen, was auch der Begriff 'Staatsräson' summarisch umfasst], territoriale Herrschaft, rationale Verwaltung [...und...] Absolutismus (BERG-SCHLOSSER/STAMMEN 2013, S. 17 )".

Vereinfachend betrachtet adressiert der Begriff des Nationalstaats den Aspekt der Bevölkerungsstruktur; der Territorialstaat fokussiert die geographische Lage, eingebettet in fassbar-geographisch lokalisierbare Grenzen. Die beiden Begriffe Territorialstaat und Nationalstaat werden synonym oder zumindest überlappend in der einschlägigen Literatur verwendet und zur Anwendung gebracht.

Das staatliche Gewaltmonopol

Das nationalstaatliche Gewaltmonopol ist die zentral tragende Säule allen staatlichen Gebahrens. Die Grundformen menschlicher Vergemeinschaftung werden durch das staatliche (und das auch im transnationalen Netz gegebene) Gewaltmonopol strukturiert, in Stand gesetzt, aufrechterhalten und nach innen und außen verteidigt und aggressiv und zerstörerisch eingesetzt.

"Von Anfang an schien es zu seinen unvermeidlichen Bestandteilen zu gehören, Gewalt nicht nur gegen andere Staaten, sondern auch gegen das eigene Volk anzuwenden. In der Geschichte der Theorie des Nationalstaates sind, spätestens seit...dem Beginn der Moderne, Gewalt und Zwang stets als seine zentralen Merkmale betrachtet worden (ALBROW 1998, S. 101)."

Gleichermaßen wird das durch Gewaltmonopol vergemeinschaftete Staatsvolk durch eben dieses fragmentiert und systematisch – nach den jeweiligen rechtlichen Bedingungen hin – zugerichtet und damit in seiner Existenz teilweise zerstört, zerstückelt und gewaltintensiv geformt.

Es dient der Einzementierung, Absicherung und Verteidigung des sich kontinuierlich als normal herauskristallisierenden, genormten Bereichs historisch-gesellschaftlicher Lebensweisen. Je moderner, desto fluider ist der Aspekt des zu Stabilisierenden in Abstimmung zum permanenten Veränderungsmodus, der ermöglicht werden muss, um einen fortlaufenden Bestand sichern zu können.

Weber spricht von dem staatlichen

"Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit (WEBER 1968, S. 34)"

und referenziert damit auch die Ebene in modernen Staaten, auf der von physischer bis zu symbolischer Gewalt, die zum Beispiel bei Polizeihandlungen, Gerichtsexekutionen und anderen Kontrollmaßnahmen und -handlungen, die sich die Untertanen eines Staates, deren BürgerInnen ständig ausgesetzt sehen müssen.

Mehrere Autoren, die

"Gewalt als die eklatanteste Manifestation von Macht"

definieren, werden von ARENDT (1970, S. 39) zitiert und ALBROW (1998, S. 101) beschreibt die Gewalt als Mittel, die es dem Staat ermöglicht, sich gegen andere Staaten, aber auch gegen das eigene Volk (zum Beispiel mittels widerrechtlicher Vorenthaltung kollektiver Rechte) durchzusetzen.

Gewalt und Zwang sind zentrale, den Staat kennzeichnende Mittel und der Staat behält sich rechtlich abgesicherte Gewaltmittel gegen sich selbst, seinem Volk, dabei vor:

"Der Nationalstaat ist wie keine andere Staatsform vor ihm im Volk verwurzelt. Aber seine Wurzeln sind nicht immun gegen Angriffe. Er mußte sich ebenso gegen andere Nationalstaaten wie gegen mit ihm konkurrierende Vereinigungen wie die Familie, die lokale Gemeinschaft, die Kirche oder das Wirtschaftsunternehmen behaupten..."

Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie

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