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1.2.1 Nationalstaat als politische Kategorie und Einheit

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Der Nationalstaat ist eine künstliche, fast beliebige Einheit. BÜHL (1970, S. 178f) sieht den Nationalstaat nicht als ethnische oder durch die gleiche Kultur oder Sprache gekennzeichnete Abstammungseinheit, das Volkstum ist dabei ein nachträglich zugeordnetes und zuerkanntes Konstrukt:

"[D]ie Nation [ist] weder als ethnische Einheit, als eine durch die gleiche Rasse, die gleiche Sprache oder die gleiche Kultur [oder Religion] gekennzeichnete Abstammungsgemeinschaft(*), noch als...[volkstümliche]...Einheit...zu verstehen."

Die Definition von Bühl ist ausschließend, negativ und schafft Raum für Kriterien, die positiv definierbar sind. Der Begriffsinhalt von `Nation' wird (auch umgangssprachlich betrachtet) sehr wohl mit einem Volk gleichgesetzt, das durch gleiche Abstammung, gleiche Sprache und gleiche Wurzeln gekennzeichnet ist. Das zeigt, dass die negative Definition darauf verweist, dass die positiven Kriterien zumindest auf einer Nicht-Ausschließlichkeit, das heißt, nur 'unter anderem' auf den oben genannten Variablen beruhen.

Zum Teil übereinstimmend mit letzterem Zitat definiert auch WIKIPEDIA ('Nationalstaat') den Nationalstaat als Konstrukt, deren Einzelelemente in keinem Staat vollständig verwirklicht sind, und damit nicht sinnvollerweise als in sich schlüssig-geschlossene Voraussetzung für den Staat herangezogen werden können:

"Ein Nationalstaat(*) ist ein Staatsmodell,... das auf der Idee und Souveränität der Nation beruht. Sprachliche, kulturelle oder ethnische Homogenität wurden zwar im Diskurs um die Nation oft als Voraussetzung des Nationalstaates benannt, sind aber in der Realität nirgends vollständig verwirklicht. Die Ideen der Nation und des Nationalstaats werden auch als Konstrukte bezeichnet."

Eine integrierende Definition könnte und müsste somit davon ausgehen, dass die Zusammensetzung des Nationalstaates im Zufall der Geschichtlichkeit sozialer, territorialer Prozesse begründet liegt, dessen Beschaffenheit also hauptsächlich geschichtlich zu erklären und zu begreifen ist.

Das Ergebnis der Geschichte sind für bestimmte geografische Bevölkerungsverteilungen charakteristische Merkmalskonstellationen: Eine Nation ist durch die Bündelung der Abstammungsgemeinschaft, Sprache und Kultur mehrerer miteinander auf jeweils charakteristische Weise verknüpfter Volksgruppen gekennzeichnet. Die Nation ist also nicht im Singular, sondern im Plural als Zusammenstellung mehrerer Großgruppen zu definieren, Bühls erstes Zitat (1970 S. 178f) befördert ein Plädoyer gegen eine grobe Vereinfachung von Nation(alstaat).

Der historische Werdegang des territorialen Staatswesens zeigt bei vielen heutigen Staaten, dass die räumliche Ausdehnung sich in einem permanenten Wandel aufgrund kriegerisch ausgetragener Herrschaftsprozesse befand und wieder befinden wird können, die sich zwischen den umliegenden Staatsverbänden und dem jeweils betrachteten Staat und dessen Aufkommen territorial sich äußernder Macht- und Geltungsansprüche zeigen.

Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie

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