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Abschied

Sie wundern sich, warum ein Urlaubsgeschichten-ABC mit „Abschied“ beginnt? Weil sich viele Männer und Frauen von Schreibtischen und Arbeitsplatten erst dann beruhigt verabschieden, wenn dort alles abgearbeitet ist. Abartig vieles. Vor dem realen Abfahren kommt das mentale Abfahrenkönnen.

Nur noch schnell diese eine Geburtstagskarte, diese zwei Überweisungen, diese unaufschiebbaren drei Telefonate, diese vier wichtigsten Antwortmails! Vielleicht sind die letzten Arbeitstage vor dem Urlaub die effizientesten in der Jahresleistung eines Berufstätigen. Hat das denn noch kein Institut mal untersucht? Je schlechter das Betriebsklima in einer Firma ist, umso hektischer wird der Kurz-vor-Urlaub-Fleiß: „Den Arbeitsplatz sauber zu verlassen“ ist meist eine notwendige Sicherheitsmaßnahme, damit die Urlaubsvertretung nichts Missverständliches vorfindet. Oder gar Fragwürdiges entdeckt. Wär’ doch blöd, wenn die hinterlassenen Papierstapel reichlich Stoff für den Teeküchen-Tratsch der lieben Kollegen böten …

Du weißt, dass die Abfahrt in den Urlaub bevorsteht, wenn es tagelang weder Salat noch Gemüse gibt. Wenn sich Obst, Eis, Kuchen, ja sogar Brot, Wurst und Käse still verabschiedet haben, weil „die Reste verschimmeln würden, bis wir wiederkommen“. Und weil man ja keine Lebensmittel wegwerfen will. Also jedenfalls nicht in Mengen. Der Urlaub naht, wenn man lernt, dass Fliegenlarven Madenheere erzeugen, dass Lebensmittelmotten selbst in eingetupperte Grundnahrungsmittel dringen und dass es Schimmelbefall in den Variationen blau, rosa und pelzig gibt. Die Ferienabreise rückt heran, wenn von den Pflanzen der Wohnung nur noch als Opfer gesprochen wird. Als Opfer möglicher Verwahrlosung. Wenn sie entweder vertrocknen oder ertrinken oder verfaulen oder einfach vereinsamen könnten.

Aber während die Gespräche sorgenvoller, die Mahlzeiten karger und die Portionen kleiner werden („mach nichts Neues mehr auf, ja?“), wird die Wohnung immer schöner! Selten im Jahr – die Vorweihnachtstage mal ausgenommen – wird so gründlich gesaugt, so viel gewischt, so energisch gewienert, geräumt und geordnet wie an letzten Tagen vor dem Urlaub.

Dass der Kompost entsorgt werden muss, leuchtet selbst Männern ein. Aber warum Fenster geputzt, Gardinen gewaschen, Teppiche ausgeklopft, Bettwäsche gewechselt und Regale abgestaubt werden müssen, bleibt ein Geheimnis zwischen den Geschlechtern.

Der Start in den Urlaub lässt in manchen Familien sogar Wunder geschehen: Zeitschriftenstapel schrumpfen, CDs finden in ihre richtigen CD-Hüllen zurück, Altglas und Altpapier verschwinden, kaputtes Spielzeug und defekte Computerhardware landen endlich, endlich im Metallschrott.

Wann ist das Ziel dieser verdichteten, geradezu explosiven Häuslichkeit erreicht? Das sollten Unbeteiligte – mehrheitlich Männer und Kinder – besser nicht fragen. „Die Wohnung tipptopp hinterlassen“ ist ein evolutionärer Prozess wie die Schöpfung Gottes. Nie ganz abgeschlossen. Allerdings muss ich einschränken: Den Seufzer „So! Jetzt müssten wir nur noch die Raufaser streichen. Wollen wir nicht zwei Tage später fahren?“ – den halte ich für ein antifeministisches Gerücht. Glaub ich nicht. Hat keine Frau je gesagt. Aber dass Männer schon gefragt haben: „Warum ist unsere Wohnung immer dann am saubersten, wenn sie niemand sieht?“ – das weiß ich aus zuverlässiger Quelle.

Vielleicht gibt es nur zwei Methoden, den mühselig langen Abschied vor der Abreise abzukürzen, das zwanghafte Erfüllen von Aufräum- und Putz-Pflichten zu beenden. Eine ist einfach. Die andere ist radikal:

Fahren Sie mit dem Wohnmobil in einen Campingurlaub. Dann nämlich räumen Sie alles Unaufgeräumte aus der Wohnung in den Wagen, stopfen alle Vorräte und Lebensmittelreste in den Kühlschrank – und fahren ab.

Oder: Stellen Sie sich vor, in den nächsten zwölf Stunden zu sterben.

Was wäre, wenn Sie alles Kleine und alles Große, den banalen Krimskrams und die wichtigen Familienthemen, die Essensvorräte und die Versöhnungswünsche, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe unvollendet, unerfüllt, halbfertig und unerledigt hinterlassen müssten. Wenn Sie Psalm 90, Vers 12 ernst nähmen:

„Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.“

Dieser Abschied kommt. So viel ist sicher.

Malessa macht Urlaub

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