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Zweiter Brief

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Hallo, du!

Unfassbar. Du hast ihn tatsächlich gefunden. Das war nicht ganz einfach, oder? Ich gebe zu, meine Hinweise waren lückenhaft. Aber wahrscheinlich hatte ich Angst, dass tatsächlich jemand danach suchen könnte. Dabei hab ich sie ja deshalb geschrieben. Verrückt, oder?

Na ja, jedenfalls herzlichen Glückwunsch! Nein, das ist wohl arrogant. Zu was soll ich dir denn gratulieren? Denn wie gesagt, das, was du am Ende findest, wenn du alle Zettel beisammen hast, sagt dir vielleicht gar nicht zu. Außerdem werde ich damit ja nicht automatisch deine Leibeigene.

Jetzt werde ich unfair. Ich sollte dir keine Moralpredigten halten, schließlich hast du einen weiten Weg auf dich genommen und das ohne Hoffnung auf irgendwas, deshalb sollte ich dich loben. Wer auch immer du bist, du hast einen starken Willen und Köpfchen und eine gute Intuition, da bin ich sicher.

Dabei fällt es mir schwer, dir jetzt gleich das nächste Rätsel zu stellen, aber ich muss es nun mal in diesem Schreiben tun. Also, wenn du Interesse hast, meiner Spur weiter zu folgen.

Deinen nächsten Hinweis findest du in der Würzburger Stadtbücherei. Im ersten Stock, Abteilung Poesie. Ein sehr weites Feld, nicht wahr? Aber das Meiste ist uninteressant, zumindest für mich. Zu schwer, zu unglaubwürdig, zu falsch. Vielleicht gibt es Leute, die bereit sind, Kompromisse einzugehen, aber mir zerstört ein falsches Wort, ein falscher Buchstabe, ein falscher Ton das ganze Werk. Erschreckt dich das? Oder verstehst du das auch? Du findest in einem dieser Bücher auf Seite 24 ein Gedicht, das ich so stehen lasse. Dort ist auch der Ort genannt, an dem du den nächsten Hinweis findest. Wenn du das Gefühl hast, das hier ist nicht der richtige Weg für dich, dann lass dich nicht länger stören. Ich bitte dich, verstecke die Hinweise wieder dort, wo du sie gefunden hast und mach dir keine Gedanken. Ich werde dir nicht fehlen. Wenn nicht, alles Gute bei deinen weiteren Bemühungen!

Forum; März 2014

Jetzt hatte sie sich verraten. Ein Mädchen! Sie hatte geschrieben »Leibeigene«, nicht »Leibeigener«. Aber hatte er das nicht die ganze Zeit geglaubt und ... wäre er den Hinweisen gefolgt, wenn es nicht so wäre?

Er ließ den Zettel in seinen Schoß sinken. Würzburger Stadtbücherei. Da kam er gerade her. Er hoffte nur, sie würde ihn danach nicht wieder hierher scheuchen. Er startete den Motor und fuhr los.

***

Die schlimmste Unruhe hatte sich gelegt. Jetzt, da er einen weiteren Hinweis von ihr gefunden, die Spur quasi aufgenommen hatte, war er viel beruhigter. Er wusste, dass ihn niemand veräppelte. Na ja, wenn, dann zumindest jemand, der sich viel Mühe gegeben hatte. Doch er zweifelte daran. Wer würde sich die Arbeit machen, wenn er dann nicht Zeuge dieses Spaßes werden konnte?

Er fuhr den Weg zurück, ohne Navigationssystem und tief in seinen Gedanken. Aber die Strecke war leicht zu merken. Seite 24. Das konnte nicht allzu schwer sein. Selbst wenn er das entsprechende Buch nicht fand, würde er einfach alle durchsehen. So viele Ortshinweise würden sich auf den entsprechenden Seiten im Bereich »Poesie« nicht verbergen.

Er stellte sein Fahrzeug im Parkhaus neben dem Bahnhof ab. Von dort musste er etwa 500 Meter laufen, bis er die Bücherei erreichte. Er hatte keinen Ausweis, aber den brauchte man nur, wenn man Bücher leihen wollte. Im Foyer studierte er den Lageplan. Poesie und Prosa: Erster Stock. Er stieg die Treppe nach oben. Der Bereich Poesie war noch einmal extra abgetrennt, doch sofort erkannte er, dass seine Einschätzung, was den Umfang des dargebotenen Materials betraf, weit gefehlt war. Michael schätze den Bestand zum betreffenden Thema auf über 2000 Bände. Er musste anders vorgehen, aber vermutlich hatte das seine geheimnisvolle Schreiberin auch so angedacht. Er versuchte seinen Kopf freizubekommen und völlig unvoreingenommen nach dem Exemplar Ausschau zu halten, zu dem er am ehesten greifen würde. Es überraschte ihn wenig, dass es ein schmaler Band am Rand der Ansammlung war. Die meisten Bücher waren von einschüchternder Statur und Michael verspürte nicht die geringste Lust, darin zu stöbern. So einfache Dinge so kompliziert zu machen, war nicht seine Sache. Schließlich folgte Liebe keinen Gesetzen, was sollte man anderen dann versuchen über ihr Wesen mitzuteilen, wenn sie sich für jeden anders anfühlte? Es war wohl mehr das Drumherum, das ganze Regale füllte. Der Band, den er am Rand entdeckt hatte, umfasste allerhöchstens 200 Seiten, war in einem noch kleineren Format als DIN-A5 und so wie er aussah selten bewegt worden.

Michael zog ihn aus dem Regal und schlug Seite 24 auf.

Die Liebesbotschafterin

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