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Sechste Nachricht

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So langsam sollten wir uns als Bekannte bezeichnen, oder? Du hast in der Erde gewühlt, einen Stein im Residenzgarten ausgehebelt, Bücher gewälzt, im Internet recherchiert. Viel Aufwand für ein paar Zeilen auf Papier. Dabei hab ich dir nichts verraten, was man nicht auch völlig unverfänglich bei einem bedeutungslosen Plausch von sich geben würde.

Ich will das ändern. Ich möchte dir etwas mitteilen, das ich noch niemandem verraten habe: Ich bin einsam. Ich habe kein Problem mit dem Alleinsein, ich habe ein Problem mit der Einsamkeit. Verstehst du, was ich meine? Es ist besser, sich mit niemandem zu umgeben, als mit zehn Leuten zusammen zu sein, die einen nicht verstehen. Der Gedanke, dass jemand neben mir liegt, der mir fremd ist, erschreckt mich. Selbst wenn ich alles über ihn weiß.

Ich frage mich, wer du bist. Weißt du es? Wenn nicht, hör auf nach mir zu suchen. Such dich selbst.

Wenn ja, findet du hier deinen nächsten Hinweis: Im Würzburger Parkhaus am Hauptbahnhof. Zweite Etage, hinter dem Parkscheinautomaten oberhalb des Betonsockels innerhalb der Dichtungsmasse, die den Automaten auf dem Sockel hält.

Pass auf die Kamera auf.

Na, das Mädchen hatte wirklich Nerven. Was für absurde Verstecke! Andererseits: Wenn er darüber nachdachte, dann schien es ihm wahrlich nicht einfach, Hinweise irgendwo unterzubringen, wo sie die Zeit überdauern konnten und von niemandem gefunden wurden. Erde wurde umgegraben, Gebäude abgerissen, Systeme umgestellt, Bücher aussortiert. Man musste schon genau überlegen, wo man einen Hinweis platzierte, ohne dass er nach kürzester Zeit verloren ging.

Einen Moment lang hatte er Angst, dass vielleicht einer der Hinweise abhandengekommen sein könnte. Sofort würde seine Informationskette abreißen und er würde sie nie finden. Er versuchte den Gedanken zu verscheuchen. Sie würde schon vorgesorgt haben.

***

Er fuhr zurück in die Stadt und ins Parkhaus am Bahnhof. Im zweiten Stockwerk stand kaum ein Auto. Keiner wollte sein Fahrzeug der prallen Hitze aussetzen, wenn es nicht sein musste. Er näherte sich dem Parkscheinautomaten aus westlicher Richtung. Die Kamera filmte in Richtung Osten die Ereignisse, welche vor dem Parkscheinautomaten vonstattengingen. Aber er konnte sich von hinten nähern und den Zettel unbemerkt herausziehen. Zwar glaubte er nicht, dass irgendjemand Notiz davon nahm, wenn er ein bisschen am Automaten fummelte – die Gefahr war beim Verstecken des Hinweises sicherlich größer gewesen – aber er wollte kein Risiko eingehen.

Er lief um den Parkscheinautomaten herum, lugte in den Spalt zwischen Automat und Treppenaufgang und erkannte die eingedrückte Ecke in der Gummidichtung. Er fummelte mit zwei Fingern darin herum, bekam aber nichts zu fassen. Die Spalte war einfach zu klein. Alsbald musste er sich eingestehen, dass es so keinen Sinn hatte. Er brauchte Werkzeug. So verließ er das Parkhaus und lief in die Stadt. Das Erste, was er sah, war ein Drogeriemarkt. Er würde sich dort eine Pinzette kaufen. In der Kosmetikabteilung wurde er fündig. Die Augenbrauenzupfpinzette im Lederetui für 5,99 Euro. Wucher! Aber er hatte keine Wahl, also ging er damit zur Kasse.

Er hatte den Eindruck, dass ihm die Kassiererin argwöhnte, aber vielleicht täuschte er sich auch. Ihm konnte es egal sein. Er machte sich rasch auf den Weg zurück ins Parkhaus. Die Pinzette hatte er unterwegs entpackt, nun bohrte er auf Verdacht in der dunklen Öffnung herum. Da, er hatte ihn!

Rasch ging er zurück zu seinem Wagen, stieg ein und entfaltete das Papier.

Die Liebesbotschafterin

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