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1. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) respektive Anfechtbarkeit (§ 123 BGB) und Schadenersatz (§ 311 BGB)

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Wie jeder Vertrag ist auch die Vergütungsvereinbarung an den zivilrechtlich zwingenden Bestimmungen zu messen. So kann sie unter bestimmten Umständen gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies ist jedoch nicht mit der Angemessenheitsprüfung i.S.d. § 3a Abs. 2 RVG[32] gleichzusetzen: Während letztere auf den Zeitpunkt der Mandatsbeendigung abstellt, kommt es bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.[33]

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Zur Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung können sowohl besondere Umstände bei ihrem Zustandekommen führen als auch ihr Inhalt. Eine Vereinbarung kann sittenwidrig sein, wenn der Verteidiger bei Abschluss eine besondere Zwangslage des Auftraggebers ausnutzte. Grundsätzlich wird eine Mandatsniederlegung zur Unzeit als problematisch angesehen, dies vor allem im Zusammenhang mit einer Haftsituation des Mandanten; zur Annahme einer Zwangslage bei Abschluss kann weiterhin die unmittelbar bevorstehende Hauptverhandlung[34]. oder gar das Plädoyer[35] führen. Grundsätzlich ausgeschlossen ist ein Vertragschluss in einer solchen Situation aber nicht, der Verteidiger muss sich nur übermäßigem Druck enthalten. Dabei können bspw. unrichtige Angaben über die Höhe der gesetzlichen Gebühren[36] oder die anwaltliche Drohung, eine Mandatsniederlegung werde vom Gericht zu Lasten des Mandanten gewertet werden,[37] in einer Gesamtbetrachtung zur Annahme von Sittenwidrigkeit führen.

Gleichwohl sind die Hürden zur Annahme von Sittenwidrigkeit hoch: Der Gesamtcharakter muss das Geschäft im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung als sittenwidrig erscheinen lassen. Im Regelfall wird das eher zu verneinen sein. Näher liegt vielmehr eine Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) mit der weiteren Folge eines Schadenersatzanspruchs aus § 311 Abs. 2 BGB aus Verschulden bei Vertragsschluss auf Befreiung von der eingangenen Verbindlichkeit. Der Schaden des Mandanten läge also im Abschluss der abgepressten Vergütungsvereinbarung.[38] Es ist darauf zu achten, dass der Mandant ausreichend Zeit hat, einen anderen Anwalt zu konsultieren.[39]

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Auch ein besonders krasses Missverhältnis zwischen dem Wert der anwaltlichen Dienstleistung und der vereinbarten Vergütung kann zur Sittenwidrigkeit führen, wenn der Rechtsanwalt dabei die Unterlegenheit oder Unerfahrenheit des Mandanten bzw. dessen Zwangslage bewusst ausnutzte. Das subjektive Moment wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch das besondere Missverhältnis indiziert,[40] ferner lehnt der BGH die Feststellung des Missverhältnisses an die Angemessenheitsprüfung des § 3a Abs. 2 RVG an.[41] Ist der Mandant jedoch geschäftsgewandt oder bereits anwaltlich vertreten, so kann nicht unmittelbar ein Ausnutzen durch den Verteidiger vermutet werden.[42]

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Die Sittenwidrigkeitsprüfung unterscheidet sich ebenfalls in der Rechtsfolge von der der Unangemessenheit nach § 3a Abs. 2 RVG: Eine Herabsetzung der Vergütung auf einen noch angemessenen Betrag kommt nicht in Betracht. Vielmehr hat die Feststellung der Sittenwidrigkeit die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung zur Folge. Ergebnis ist, dass der Verteidiger einen Anspruch nur noch auf die gesetzliche Vergütung hat. Der Anwaltsvertrag selbst besteht fort.

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