Читать книгу Sinja und der siebenfache Sonnenkreis - Andreas Milanowski - Страница 10
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Оглавление„Ferendiano! Hast du das auch gespürt?“, rief Emelda. Sie hatte ihr Training für eine kurze Pause unterbrochen und Faltram, den dicken, alten Bassbaum von ihren Pfeilen befreit. Der hatte das mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung quittiert. Danach hatte sie es sich im Schatten Ben Dors bequem machen wollen. Ben Dor war ihr Riesenfarn. Er hatte Emelda ein Zuhause gegeben. Ihre Freundin Amandra, die Hüterin des A, brauchte nicht viel, um schlafen zu können. Es musste nur einigermaßen weich und bequem sein. Gamanziel ließ sich am liebsten in die flauschigen Blätter ihres Farns einrollen. Sie liebte das Kitzeln auf ihrer Haut, dass die winzigen, weichen Härchen verursachten, die alle Blätter überzogen. Emelda dagegen konnte mit alledem nichts anfangen. Sie wollte nicht ihre Wachsamkeit dadurch einbüßen, dass sie zu tief einschlief. Daher hatte sie sich aus einigen alten Seilen und einem harten Segeltuch eine Hängematte genäht, sie zwischen Ben Dors Zweige gehängt und verbrachte dort ihre Dunkelzeiten. So war sie jetzt wach, während die Anderen noch schliefen oder dösten, eingerollt in ihre Farnblätter. Jedenfalls war, außer Ferendiano, bislang niemand aufgetaucht. Bis zum Frühstück war also noch etwas Zeit. Die wollte Emelda nutzen, um in Ruhe über einige Dinge nachzudenken. Doch dazu kam sie nicht. Jemand schien etwas dagegen zu haben.
„Hey! Ferendiano, kannst du mich hören?“
„Ja! Was ist?“
„Hast du es auch gespürt? Dieses Zittern?“
„Nein, ich habe nichts gespürt! Was war denn? Ein Erdbeben? Oder mehr eine innere Regung?“
„Nein, Quatsch! Nichts Inneres! Es kam von außen, wahrscheinlich aus der Menschenwelt.“
„Wie kommst du darauf?“
„Na ja, es war dieses silbrige Schimmern, wie immer, wenn sie uns rufen.“
„Sinja?“
„Möglich! Auf jeden Fall muss es einer der Berufenen gewesen sein, sonst hätte ich es nicht so intensiv fühlen können.“
„Vielleicht ist die Nachricht endlich bei ihr angekommen und sie versucht, dich zu erreichen!“
„Ja, mag sein.“
„Das würde auch erklären, warum ich nichts gespürt habe. Sie hat das E gespielt.“
In diesem Moment wurde Emelda erneut von einem heftigen Zittern erfasst. Ihr Körper verlor ganz allmählich seine Farbe. Er wurde milchig und durchscheinend und begann, sich in seine Bestandteile aufzulösen.
Sinja hatte ein weiteres Mal über die zweite Saite gestrichen. Wieder das E, diesmal etwas kräftiger, lauter. Ein silbrig hellblauer Lichtschimmer legte sich um das, was von Emelda noch zu sehen war und hüllte sie ein wie eine glitzernde, funkelnde Schale. Die zog sich bis auf einen winzigen Punkt zusammen, dehnte sich wieder aus, bis sie die Größe von Emeldas Körper erreicht hatte, zog sich erneut zusammen und...explodierte mit einem hellen Blitz. Emelda war verschwunden. Nichts deutete mehr darauf hin, dass sie noch vor wenigen Augenblicken gemütlich unter den gewaltigen Blättern des Riesenfarns gelegen hatte. Lediglich ihr Bogen und der Köcher mit den Pfeilen waren zurückgeblieben und, für wenige Sekunden, der Nachhall eines Geigentons.
„Emmi?“, rief in diesem Moment eine Mädchenstimme aus einiger Entfernung, „Emmi, bist du hier?“
„Hallo, wer ruft da?“, antwortete Ferendiano aus seinem Blätterverschlag.
„Ich bin es. Gamanziel! Ich bin auf der Suche nach Emelda!“
„Ich fürchte, du kommst um ein Vierundsechzigstel zu spät. Sie hat sich vor wenigen Augenblicken in die Menschenwelt verabschiedet.“
„Wie? Darüber wollte ich gerade mit ihr sprechen. Es ist eine Nachricht aus Fasolanda bei uns eingetroffen. Zabruda Menroy, Königin Myrianas Schlossverwalter schrieb, wir sollten uns darauf vorbereiten, zu dritt in die Menschenwelt zu reisen. Sie hätten Sinja einen Glissando mit einer Botschaft geschickt, in der sie sie auffordern uns drei zu rufen. Was ist schiefgelaufen?“
„Drei?“
„Ja, Amandra sollte mitkommen. Emelda, Amandra und ich! Wir alle drei, wie beim letzten Mal. Und jetzt ist Emmi alleine unterwegs? Bei allen Geistern, hoffentlich geht das gut!“
„Warum sollte das nicht gut gehen? Es ist ja nicht das erste Mal, dass Emelda drüben ist. Wo steckt denn Amandra?“
„Na wo schon? Als ich gegangen bin, hat sie sich gerade nochmal rumgedreht. Ich denke, sie pennt noch!“
„Dann sollten wir sie jetzt mal wecken und beratschlagen, was wir tun wollen“, sagte Ferendiano.
„Ja, ich geh´ sie holen! Bleib´ du solange hier und bereite einen kleinen Imbiss vor. Wenn Amandra aufwacht, wird sie Hunger haben und wenn sie müde ist und Hunger hat, ist sie unausstehlich.“
„Buh, buh! Amandra, das A! Dann wollen wir mal lieber ein Frühstückchen bereitstellen, bevor unser Tiger um die Ecke kommt. Ich bereite alles vor. Geh du die Bestie wecken!“