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13 Die Türme von Ildindor

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Nach dem Ende der Versammlung waren Cichianon und Doriando zügig ins Freie geeilt. Es war dunkel geworden. Die silbern leuchtende Mondscheibe stand über dem Horizont. Eine Marmortreppe führte sie aus der Senke heraus, fort von der Halle des Gildanmir. Als sie die letzten Stufen der Treppe erreicht hatten, sahen sie in der Ferne Ildindor, die alte Fürstenstadt der Elfen in strahlendem Glanz. Wo vorher bedrohlich dunkle, hohe Tannen sich spitz wie Speere in den Himmel gebohrt hatten, streckten sich jetzt hell erleuchtete, schlanke Türme zwischen den Bäumen in die Höhe.

„Bei allen Geistern der vier Elemente! Das ist Ithildim faelen. Ildindor, die Mondbeglänzte! Jetzt weiß ich endlich, was dieser Beiname bedeutet!“, sagte Cichianon, als er die Stadt aus der Ferne bewunderte, „das funkelt und strahlt, als hätte einer eine Schatztruhe geöffnet. Ich bin wirklich froh, dass ich das mal sehen darf!“

„…und ich bin froh, dass du nach dem ganzen Ratsgeschwafel wieder normal geworden bist! Ooooh Hinandua, mein weiser Lehrer!“, äffte Doriando Cichianon mit großer Theatergeste nach, „ich hatte schon befürchtet, dass du jetzt nur noch so geschwollenen Kram daherredest!“ Er boxte den Freund übermütig auf den Arm, warf seinen blonden Pferdeschwanz mit einer Hand über die Schulter, griff mit der anderen seinen Bogen. Dann nahm er drei Stufen auf einmal und rief Cichianon, der stehen geblieben war, zu: „Der weise Hinandua scheint mir ein wenig alt geworden! Er hat die Sache nicht mehr im Griff!“

„So dürfen wir nicht urteilen, Doriando“, antwortete Cichianon. „Vertraue ihm. Er weiß, was er tut und wann es Zeit ist, damit aufzuhören.“

„Ich hoffe, du hast recht und wir vertrauen dem Richtigen. Und jetzt lass´ uns endlich in die Stadt gehen und einen Platz zum Schlafen suchen, damit wir bei Sonnenaufgang nach Engil zurückreiten können! Ich fühle mich hier nicht besonders wohl. Zuviel Politik, Diplomatie und Intrigen!“

Cichianon hatte nicht mehr zugehört. Er stand auf der obersten Stufe der Marmortreppe und staunte mit großen Augen und offenem Mund das Wunder an, dass er soeben erblickte. Doriando blieb ebenfalls stehen. Er sah den Freund verständnislos an.

„Hey, was ist los mit dir? Das sind nur ein paar Lichter.“

„Sag´ mal, Doriando, hast du diese Türme sehen können, als wir hier angekommen sind?“

„Nein, aber du kannst sie gleich aus der Nähe sehen, wenn du mir jetzt endlich folgst. Diese Gebilde dort sind wie Sterne am Himmel. Im Dunklen kommen sie heraus. Das hat angeblich mit dem Staub zu tun, den Gildanmir aus dem Weltall mitgebracht hat. Als er auf die Erde gestürzt ist, hat sich das Zeug überall in der Umgebung verteilt, vor allem dort hinten im Wald. Im Sonnenlicht ist es unsichtbar, aber wenn es vom Mondlicht angestrahlt wird, beginnt es zu glitzern. Dann siehst du die Türme der Stadt zwischen den Bäumen. So habe ich es jedenfalls gehört!“

„Ja, ich kenne die Geschichte auch, aber man glaubt sie ja erst, wenn man es mit eigenen Augen sieht! Es ist großartig, nicht wahr? Ich frage mich nur, warum die Türme leuchten und nicht die Bäume ebenfalls? Die müssen doch den Sternenstaub auch abbekommen haben, oder? Vielleicht finden wir in der Stadt jemanden, der uns das erklären kann!“

Doriando hatte es eilig. „Komm´ jetzt, sonst geh´ ich alleine! Es wird immer später!“, sagte er und zog Cichianon vorwärts. Der folgte dem Freund widerstrebend. Sie ließen die Marmortreppe hinter sich und folgten einem schmalen Pfad, der sie zwischen niedrigem Buschwerk eine Strecke bergauf führte. Nachdem sie einige Wurzeln und Felsbrocken, die im Weg lagen, überwunden hatten, endete der Weg so plötzlich am Rande einer Schlucht, dass Cichianon in den Abgrund gerutscht wäre, hätte ihn nicht Doriando am Arm gepackt und festgehalten. Die Schlucht musste sehr tief sein. Jedenfalls war das Rauschen des Wasserfalls, der etliche Meter unter ihnen über die Felsen stürzte, von hier oben kaum zu hören. Nur gelegentlich wehte der Wind ein dumpfes Dröhnen zu ihnen hinauf. Eine hölzerne Hängebrücke, oder vielmehr das, was davon noch übrig war, führte auf die andere Seite.

„Zu weit, um unsere Flügel zu benutzen!“, stellte Doriando fest.

„Ja, viel zu gefährlich! Wenn uns auf dem Weg dorthin eine Windböe erfasst, sind wir weg. Ich wusste gar nicht, dass es in Adagio solche Schluchten gibt. Wir müssen wohl über diese Brücke gehen. Sehr vertrauenserweckend sieht das Bauwerk allerdings nicht aus!“

„Hat definitiv bessere Tage gesehen, aber es bleibt uns nichts anderes übrig.“

„Also los! Zumindest haben wir das Mondlicht!“

„Ja, einer der Vorteile von Ildindor!“

„Seien wir trotzdem vorsichtig!“

Sinja und der siebenfache Sonnenkreis

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