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Ralph kam um neun Uhr nach Hause. Seine Frau saß vor dem Fernseher; das ist ihre Art, auf ihn zu warten. „Wie war`s im Geschäft?“ fragte sie.

„Nichts Besonderes. Die Haraldsons haben einen Gast. Es scheint auf Dauer zu sein.“

„So?“

„Ja, wohl auf Dauer.“ Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich in seinen Sessel, am entgegengesetzten Ende des Wohnzimmertischs. „Was macht Danny?“ fragte er.

„Daniel ist wieder oben vor dem Computer. Schon seit Stunden!“ Ein auffordernder Blick von ihr; er zog es vor, nach vorne auf den Bildschirm zu schauen.

„Sag mal was!“

„Ja, ich geh mal zu ihm hin“, antwortete er.

„Demnächst, oder wann?“

„Er hat doch noch Ferien.“

„In drei Tagen fängt die Schule wieder an. Er sollte sich schon mal vorbereiten.“

„Ach, Ferien sind doch Ferien.“ Er schaute zu ihr hinüber, jetzt starrte sie auf den Bildschirm. „Worum geht`s denn da?“ fragte er.

„Ein Sozialdrama. Familie im Prekariat“, las sie aus der Programmzeitung vor. „Sie ist Architektin, er Übersetzer, und beide sind ständig in Auftragsnot.“ Sie schaute zu ihm auf: „Um die Kinder kann sich da natürlich keiner richtig kümmern.“ Er vernahm ihren Vorwurf. „Wie gut, dass es uns besser geht“, fügte sie hinzu.

„Ja.“ Sollte er ihr von seinen Sorgen erzählen? Er kannte ihre Entgegnung: DU GLAUBST DOCH NICHT ETWA, WIR KÖNNEN VON MEINEM GEHALT ALLEINE LEBEN? Dabei ist sie Lehrerin, hier am Gymnasium, und bekommt wie alle Staatsbediensteten eine Zulage, weil Sabel so abseits ist.

Er ging auf die Terrasse. Selbst in der Stadt kann man viele Sterne erkennen, die Luft ist sehr sauber hier. Ralph hatte nie woanders leben wollen. Er überlegte, dass es schön wäre, mal wieder nachts mit dem Teleskop in die Berge zu fahren; wieso nicht heute?

Die Tür ging auf, sein Sohn trat neben ihn: „Hallo, Papa.“

„Hallo. Wie geht`s?“

„Hat die Mama sich schon wieder beschwert?“

„Na, du weißt ja“, antwortete Ralph.

„Ja, ich weiß.“

„Willst du mal wieder mit mir Sterne gucken fahren?“

„Wann, heute?“

„Ja, wieso nicht.“

„Mhm.“ Sein Sohn zögerte.

„Keine Lust?“ Es sollte aufmunternd klingen. Ralph wollte nicht aufdringlich sein.

„Ach, ich muss noch einige Sachen für die Schule vorbereiten. Du weißt ja.“

„Ja, ich weiß“, antwortete Ralph. Er sah seinem Sohn hinterher, wie er drinnen ein paar Worte mit seiner Mutter wechselte. Er zögerte hineinzugehen. Es war nicht so, dass er die Gegenwart seiner Familie unerträglich fand; nur dachte er abends manchmal, dass er nicht hierhin gehöre. Schließlich ging er doch wieder ins Wohnzimmer und setzte sich eine Weile in den Sessel. Der Film langweilte ihn. „Ich fahr noch etwas raus“, sagte er.

„Ja, tu das“, antwortete sie ohne vom Fernsehen aufzuschauen.

Ralph hatte sich eine dicke Jacke angezogen und Handschuhe eingesteckt. Im September wird es nachts schon ziemlich frisch. Er kennt sich gut aus in der Gegend. Nur wenige Kilometer von Sabel entfernt gibt es eine Stelle, wo keinerlei Licht stört. Hier ist es so ruhig, dass man die Mäuse hören kann, wenn sie über die Felsen huschen. Er stellte sein Teleskop auf. Es war ein semiprofessionelles Gerät, ziemlich teuer; man kann eine Kamera daran anschließen und sogar Details auf dem Mars erkennen. Aber momentan stand der Mars in Konjunktion zur Erde, dass man ihn nachts nicht sehen kann.

Ralph hatte schon als Kind ein Teleskop gehabt. Mit den Jahren hatte die Begeisterung für die Sternenbeobachtung nachgelassen. Auch an diesem Abend schaute er nur kurz durch das Gerät; ist es doch vor allem der Klang der Stille, den er hier sucht.

Er legte sich auf den Felsen, die Hitze des Tages war noch darin gespeichert. All die Sterne, wie klein wir doch sind, so unbedeutend. Und selbst diese Milliarden von Sonnen schaffen es nicht, das Universum zu erhellen; der Raum zwischen ihnen bleibt kalt und schwarz. Ruhe überkam ihn. Alles, was ihn bedrückte, wurde gering, und er bekam eine Ahnung von Gott, oder der Ordnung; aber das ist vielleicht dasselbe. Er wurde müde und schlief ein.

Als er aufwachte, war es schon weit nach Mitternacht. Ursus Maior, der Große Wagen, stand gegen Nordwesten. Der Felsen zeigte jetzt sein kaltes Herz, Ralph war froh um die Handschuhe. Rasch packte er das Teleskop zusammen. Auf der Straße war er allein, und auch in Sabel war es dunkel; nachts sind dort nur wenige Straßen beleuchtet.

Bei ihnen im Schlafzimmer war etwas Licht. Seine Frau lässt im Bad immer eine Lampe brennen und die Tür einen Spalt breit offen. Sie sagt, schon als kleines Kind mochte sie nicht im Dunkeln schlafen. Tagsüber ist seine Frau gar nicht ängstlich, da nimmt sie es mit den rabiatesten Schülern auf; nicht einmal vor deren Eltern hat sie Angst.

Der Lichtstreifen aus dem Bad fiel auf ihr Gesicht. Ralph blieb einen Moment stehen. So sanft sieht sie jetzt aus; es erinnerte ihn daran, warum er sich einst in diese Frau verlieben konnte.

Am Sandpass

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