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Sonntag, 29. April

Am nächsten Morgen ungewohntes Erwachen, keine Tini neben mir, niemand, der mir mit zärtlichen Fingern durchs Haar fährt, kein Atem an meinem Ohr. Ach ja, dIe Einzelkojen, das ist die profane Erklärung. In der Doppelkoje im Bug residiert unser Ehepaar. „Ihr seid doch nur befreundet, was braucht Ihr da ein Doppelbett.“ Wie bitte? Sprachlosigkeit. Was steigt da in mir hoch, Ärger oder Amusement? Ich schaue Tina an. Doch wohl eher das Zweite dann. Nein, nicht der Fernsehsender. Mann! Aber trotzdem. Mittelalter oder was? Lügen sich in die eigene Tasche. „Tini, wie schlau du bist, ich meine, wegen gestern Abend,“ flüstere ich über den schmalen Gang zwischen uns. Sie reicht ihren Arm zu mir herüber, wenigstens berühren sich unsere Fingerspitzen. Göttlicher Funke. Michelangelo, die Erschaffung Adams, verstehst du? Omen? Vorahnung? Wunschtraum? Seefahrt verlangt Opfer, wir sind Zeitzeugen.

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Sonntag also. Jetzt schon los? Beschluß am Vorabend: hier bleiben, akklimatisieren, bummeln, faulenzen, abhängen. Und so weiter. Jeder weiß, was damit gemeint ist, oder? Außerdem fehlt noch Ausrüstung.

Am Nachmittag Boje über Bord. Manöver üben im Hafen, jeder muß fit sein. Im Zweifelsfall bleibt wenig Zeit. Alle sind topfit. Überraschung. Habt wohl in der Badewanne geübt.

Sagte ich schon, daß mir das undankbare Amt des Skippers übertragen wurde? Beschluß einstimmig, auch gestern, kurz vor dem Einschlafen. Lilo hatte schon geschlafen, Chris war’s egal. Tina wollte nicht, hätte, ehrlich gesagt, auch nicht gekonnt. Nicht diese Art von Skipper. Zuhause war das schon mal was anderes. War mir recht so. Auf der Hanseatica mache ich also den Leithammel. Das geht in Ordnung. Übung genug habe ich ja. Mit gut zehntausend Meilen auf dem Buckel. Glaubst du nicht? Aber lästig, immer den Überblick behalten, Mannschaftsgeist pflegen, Crew zusammenhalten, nüchtern bleiben. Ein grosser Trinker bin ich sowieso nicht, also was soll’s.

Im letzten Jahr der Küsten - Segelschein auf Elba. Den amtlichen Schein hatte ich schon länger, Sportbootführerschein hieß das Ding. Die praktische Prüfung auf einem Fischkutter, doppelt so lang wie die Hanse. War spaßig, mit so einem Walfisch rumzumachen.

Von der „Grotte“ kam noch jemand und brachte eine Kiste voll Zeug, das wir bestellt hatten. Eine fehlende Rettungsweste, Lifebelts, Hafenhandbücher, Leuchtfeuerverzeichnis. Hatten die erst noch zusammensuchen müssen. Auch ein Sextant war dabei. Man wußte ja nie. Chris und ich hatten noch gelernt, damit umzugehen. Meine Tini zunächst tierisch interessiert an dem Ding. Toller Name übrigens. Aber sie hat da was falsch verstanden. Wieherndes Männerlachen. Sorry, meine Kleine.

Schon wieder mal Abendessen, drüben im Ristorante la Viste, direkt unten am Strand. Monumentaler Blick auf die Festung oben auf dem schroffen Felsen. Genickstarre, wenn man zu lange hochsieht. Wirklich beeindruckend, das Gemäuer. Massage für Tinas Hals. So kann es anfangen, heute aber sicher nicht. Zu viele Zeugen, genau genommen zwei zu viel. Da hat sie sich umsonst den Hals verrenkt.

Wieder an Bord. Ein Absacker zu viert in der Plicht. Sherry aus Plastiktassen. Prost. Besinnlichkeit. Zeit für Plaudereien. Leises Radio von drinnen.

○○○

„Du, Chris, wer war das eigentlich, von dem du gesprochen hast, der vielleicht mitkommen wollte?“

„Du meinst sicher den Rheuma - Klaus.“

„Du spinnst wohl, nein, mal im Ernst.“

Ach so, der Paul, ja, der ist auch ein wilder Segler, macht viel alleine, das Döspaddel. Bis es ihn mal über Bord spült.“

„Ja, ja, und was ist mit dem?“

„Ich hab´ ihm erzählt, was wir vorhaben, durfte ich doch, oder?“

„Klar, warum nicht.“

„Eben.“

„Na und? Erzähl´ doch mal.“

„Ich hab´ ihm von unserem Charterboot erzählt, er war richtig heiß, aber unser Termin hat ihm nicht gepasst. Er arbeitet an einer Klinik, er ist Arzt, der kann nicht einfach abhauen, wann er will.“

„Armes Schwein.“

„Ey, das passt jetzt aber garnicht.“

„Entschuldige, ich meinte arme Sau.“

„Mann, Robert, du bist ja richtig gut drauf heute.“

„Das mein´ ich doch nicht wörtlich, ist nur so ein Spruch. Kenns´te doch.“

„Na gut. So ist das jedenfalls mit ihm. Netter Typ, der würde dir sicher gefallen.“ Tina aus der Kombüse :

“Hör´ doch mal auf mit der Kuppelei. Robert gehört schon mir, damit das klar ist.“

Ruhige Stimme, abgeklärt. Keine Spur von Besitzanspruch. Selbstverständlichkeit, als hätte sie gesagt: ich bin Tina., heute ist Montag, oder so was alltägliches. Sie hat recht, Robert ist einverstanden. Unbeirrt zu Chris : @@„Meinst du? Warum?“

„Fischt gerne, liest viel, ist auch so ein musischer Mensch wie du. Hab´ ich nicht recht, Tina? Dein Robert ist ein Softie.“ Keine Antwort ist auch eine.

„Spielt Cello, selbst gebaut, wirklich. Übrigens in einem Kammerorchester. Gefällt ihm da nicht mehr, zu viele Musiker auf einem Haufen.“

Blonder Wuschelkopf im Niedergang, schüttelt den Kopf.

„Deshalb habe ich ihn auch besonders lieb. Wie alles, was meins ist.“

"Was? Ach so.“ Das hat gesessen.

„Danke, Schatz.“ Sie macht mich fertig mit ihrer Offenheit.

„Dafür darfst du dir was wünschen.“

„Jetzt gleich?“

„Von mir aus. Denk´ aber dran…“

Tina unterbricht ihn. „Schon gut. Dann will ich einen zärtlichen Kuß.“

„Und wohin?“ Ich provozierend, diesmal.

„Du denkst, Du kannst mich verlegen machen! Da täuschst Du Dich aber gewaltig, mein Lieber.“

Ihre Stimme keineswegs aggressiv, vielmehr schadenfroh. Und dann: „auf meinen Hintern, bitte, komm sofort mit mir runter zum Vollzug.“

Ich gebe doch noch nicht auf!

„Links oder rechts?“

Ich kenne die Antwort, aber es läuft dann auf etwas anderes hinaus. Zugepresste Münder, Herzrasen, gestaute Blutgefäße hier und dort. Ich stürze über eine Propangasflasche.

„Welcher Dussel hat die denn da hingestellt!“

Schäme ich mich? Ein wenig? Keine Ahnung, was in mir brodelt, aber doch Scham gewiß nicht. Die da draußen sind verheiratet. Na also. Ich glaube, wir sind mehr verheiratet als die beiden. Obwohl sie die staatliche Lizenz zur Paarung haben, und wir nicht. Und damit den Anspruch auf die geräumige Bugkoje. Haben sie selbst gesagt, so ähnlich jedenfalls. Dabei sind wir doch alle vier im gleichen Alter, ungefähr. Da können sie mal sehen. Wie ein Spiegelbild ist das für sie, gutes Lehrstück, will ich jedenfalls für sie hoffen. Soll aber nicht wieder vorkommen, nehme ich mir vor. Bin ich ein wildes Tier? „Das bist du“, sagt Tini in diesem Augenblick. Kann sie Gedanken lesen? Oh Gott!“ Sie meint aber nur mein Temperament, so allgemein gesprochen. Danke Tini. So ein Segelurlaub ist wirklich traumhaft schön, denke ich. Kann sie gern wissen. Sie denkt dasselbe wie ich. Ohne daß sie meine Marionette wäre, ist sie ganz gewiß nicht, ehrlich.

Robert und Tina

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