Читать книгу Robert und Tina - Andreas O. Müller - Страница 8
ОглавлениеDienstag, 01. Mai.
Der coup de vent ist tatsächlich nicht bis zu uns rübergekommen. Himmel bedeckt, mäßig windig. Gemeinsames Frühstück im Cockpit. Aufklaren, Wasser bunkern, Leinen los und ab in Richtung Korsika. Das ist der Tagesbeginn. Kein langes Anstehen beim Hafenmeister, kein ätzender Papierkram wie in Portoferraio, wo ich (Skipperhammel) eine gute halb Stunde hatte warten müssen.
Und ab nach Macinaggio auf West-Nord-West. Gutes Vorankommen, braves Schiff. Später eine Kreuzpeilung achteraus auf die Südhuk von Capraia und die Ostecke der im Dunst versinkenden Insel Elba. Voraus Profile des korsischen Höhenprofils am Horizont. Garnicht mal so weit weg. Nur einige Meilen weiter. Die einzige Häuseransammlung in diesem Küstenbereich kommt in Sicht. Macinaggio. Nördlichster Hafen an der Ostküste Korsikas. Umfangreiche Erweiterungsarbeiten, wie schon im letzten Jahr. Platz für mehr Yachten. Mehr Umsatz. Steigende Wut der Einheimischen. Nervende Touristenmassen. Deutsche, Briten. Russen, krasivaya strana zdes’ deshevo. Ja ja, billig und schön, gut erkannt, Boris.
Verlängerung der Ostmole, dahinter ein im Sommer wunderschöner Strand, soweit man ihn dann sehen kann. Flach abfallender, feiner Sand. Tina: „Wie auf Sylt, gell, Liebster, weißt Du noch?“ Wohl weiß ich noch. Habe kaum was davon gesehen. Draußen immer die Dunkelheit, nachts. Und tagsüber viel Schlaf, so oder so. Wir hatten uns gerade kennengelernt. Du weißt, was das ich meine.
Aufschüttungen an der neuen Mole im Norden, verdammt schmale Einfahrt in das Hafenbecken.
„Fender raus, los, schnell.“
„Jetzt schon?“
„Ja, zum Teufel, macht schon, Ihr Landratten.“
Nur fünfzehn Meter Breite. Genug Platz für die Hanseatica? Schon, an sich, aber vor der Nordmole lagern Felsen unmittelbar um den Molenkopf herum. Deutliches Bild im klaren Wasser. Freihalten ist angesagt. Also südlich daran vorbei gemogelt und an die Pier. Festmachen an Muringketten. Römisch - katholisch, du verstehst? Mit dem Heck voraus. Lilo grinst, Chris hat nicht zugehört. Unbefangenes Lachen von Tini. Lieblicher Augenaufschlag, herzerwärmend. Ob sie’ s verstanden hat, das bleibt eines ihrer kleinen Geheimnisse.
Stolz liegt unser Schiff im Wasser, der kraushaarige Korsenkopf flattert unter der Steuerbordsaling. Schöner Augenblick. Das Heck spiegelt sich klar im Hafen. Einige Fotos, Pol-Filter natürlich, Spiegelbild des Yachthecks. Tolles Motiv.
Marmorduschen. Italien und sein Marmor. Gesamte Mannschaft zur Wäsche abkommandiert. Weithin bekannt, dieses Kulturdenkmal, jedenfalls bei Seglern. Ordentlich gekachelt, sauber, sogar geöffnet, obwohl die Saison gerade erst Anlauf genommen hat. Und noch Feiertag, hier in Italien, heute.
Super, das mit dem warmen Wasserstrahl, überall, wo man ihn hinhaben will. Runter mit dem Mehrtagesschmutz. Kostenlos chlorhaltige Luft zum Einatmen. Hygienemaßnahme. Sogar hier. Fußpilz? Sehen wir mal. Frag´ in ein paar Tagen wieder nach. Dann wissen wir’s, denke ich. Prasseln und Plätschern auf dem Kopf, herrlich. Vergleichbares werden wir in den nächsten Wochen nicht wieder zu fassen bekommen. Also nochmal Wasser marsch. Dann aber doch Ladenschluss. Adesso devi andare, per favore. Jetzt raus hier. Noch schnell die Toilette, per favore. Weiches Papier, erstaunlich, und doch so griffig. Dreisterne - Verdacht.
Blinkendes Licht hinter der Ostpier, Spiegelungen auf der leicht bewegten See. Die Konturen des Schiffsrumpfes leicht auf und ab. Überall Katzen, hungrig schnurrend, Felldefekte. Ohrschlitzer. Eine große Ruhe legt sich über mich, in diesem Augenblick. Das Heck der Hanse noch sonnenbeschienen. Weitere Fotos. Urlaubsalbum. Eltern, Freunde, Kollegen. „Oh wie wunderbar, ihr seid zu beneiden. Und das alles nur zu viert.“ Geht es da um die Charterkosten, oder was?
Nach dem Duschen kommt das Essen. Ungeschriebenes Naturgesetzt. Man kann es auch umkehren. Ändert wenig am Appetit, schon gar nichts am Geschmack der italienischen Küche. Problem Feiertag, wie ich schon sagte. Wenig Lokale hier, weniger offene Türen. Am wenigsten auf der Karte, Preise entsprechend hoch, zum Ausgleich. Genau wie im letzten Jahr. Beruhigend, daß die Zeit hier still steht. Stehgetränke an der Theke. Drei Tische im Saloon. Würfelspieler knallen einen Full House auf die Tischplatte. Becher klappern, Gesichter angespannt. Stühle rücken. Lautstärke hoch im Saal. Übel riechender Tabak, was für ein Kraut ist das denn. Einzeltisch neben dem Eingang. Ein offensichtlich oligophrener, junger Mann. Schmuddlige, dunkle Weste, war vielleicht mal heller. Uhrentäschchen, leer. Lotteriges Hemd, auch dunkel, sicherlich mal sauberer. Riesenhut auf dem Kopf, findet an den abstehenden Ohren sicheren Halt. Starrer Blick in Richtung auf die Spieler, unbewegt. Dann huscht ein versteckter, schneller, angstvoller Blick über sein leeres Glas hinweg zu uns Fremden, der doch nichts wahrnimmt und selbst nicht wahrgenommen werden will. Sehr bedrückende Atmosphäre. Armer Mensch, alleine gelassen, belächelt, ohne Hoffnung auf irgend etwas. Ehrliches Bedauern. Betroffenheit. Wie gut geht es uns. Schlechtes Gewissen? Ich bin froh, daß wir wieder gehen, weil wir beschlossen haben, lieber an Bord zu kochen.
Wer hat Backschaft heute? Egal, alle leisten Bemerkenswertes. Schon mal in einem engen Loch Pfanne und Topf über einem Gaskocher geschwenkt? Das ist Küchendienst auf der Hanseatica. Weißt Du eigentlich, was der Name bedeutet? Ist eher was für Norddeutsche. Hamburg, Bremen, Lübeck. Wismar, Greifswald. Das reicht.
Wer immer also Dienst hatte, es gibt, bella Italia mal wieder, köstliche Spaghetti mit irgendwas dazu, vor allem vino tinto. Sag´ ja nicht „rosso“, damit fällst Du nämlich unangenehm als tumber Ausländer auf. Wenn nicht schon dein lächerlicher Teutonen - Akzent hierfür ausreicht. Oh pardon, wir sind ja schon in Frankreich, also was ich sagte, bitte auf Frankreich ummünzen. Désolé!
Kerzenlicht auf dem ausgeklappten Kajüttisch. Die Blumen. Kann die nicht mal jemand wegnehmen? Ein langer Abend wird es nicht werden, diesmal. Gute Nacht, Leute, schlaf schön, meine Geliebte..