Читать книгу Das Spiel der Dämonen, Teil 3 (Planet Marduk, 2265 n. Chr.) - Andreas Parsberg - Страница 4
2
ОглавлениеAm nächsten Morgen war die Wut von Cedric noch nicht verraucht.
Laura hatte Fabian geküsst!
Was hat dieser Mistkerl, das ich nicht habe?
Missmutig und lustlos schaufelte er das Müsli mit dem frischen Obst in sich hinein.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte ihn seine Mutter erstaunt. „War´s gestern Abend nicht schön?“
„Nicht besonders.“
„Aber warum triffst du dich dann immer weiter mit Michelle, wenn dir die gemeinsamen Abende nicht gefallen?“
„Weiß nicht.“
„Mir gefällt Laura besser. Ich finde sie süß.“
„Die süße Laura!“, explodierte Cedric. „Wie kommst du nur auf den Schwachsinn? Woher willst du wissen, was Sache ist? Du hast ja keine Ahnung!“
„Warum triffst du dich also mit Michelle?“
„Ich habe schon meine Gründe“, antwortete Cedric.
„Nämlich?“
„Ach, lass mich doch in Frieden!“
Wütend verließ Cedric die Küche. Warum mussten sich immer alle in seine Angelegenheiten einmischen?
Außerdem musste er jetzt unbedingt Laura anrufen.
Das war wichtig!
Irgendjemand musste dieses Mädchen endlich zur Vernunft bringen und ihr sagen, wie albern es war, mit Fabian herum zu flirten.
Nervös wählte er ihre Nummer.
„Cedric? Weißt du, wie es Fabian geht?“, vernahm er ihre völlig verschlafene Stimme.
Sie dachte nur an Fabian! Cedric spürte, wie sich sein Magen vor Wut verkrampfte.
„Du kannst wohl nur an Fabian denken!“
„Was meinst du? Weißt du, wie es ihm geht?“, fragte sie stotternd.
„Du hast ihn geküsst!“
„Was hat das damit zu tun?“
Ihre Verwirrung stieg. Was sollte der Anruf von Cedric? Wichtig war, ob Fabian den Angriff mit dem Messer überlebt hat!
„Ja, ich finde, der Kuss war unter deiner Würde!“
„Was regst du dich so auf, Cedric?“
Ihre Stimme klang gefährlich leise. Langsam wurde sie zornig.
„Komm, sei nicht gleich sauer, Laura“, beschwichtigte er sie schnell. „Ich meine es doch nur gut mit dir. Du hast dich gestern blöd benommen.“
„Nun hör mal gut zu: Ich sah bestimmt nicht annähernd so beknackt aus wie diese Michelle, mit der du durch die Gegend ziehst!“
„Das ist etwas ganz anderes. Wir sprechen jetzt nicht über Michelle, sondern über dich.“
„Falsch, Cedric. Wir sprechen nicht über mich, sondern wir haben über mich gesprochen. Das Thema ist für mich beendet!“
„Mensch, Laura, was soll das ganze Getue?“
„Weißt du nun, wie es Fabian geht? Wird er den Angriff überleben?“
„Überleben?“, stotterte Cedric verwirrt. „Was für einen Angriff?“
„Du weißt nichts davon?“
„Nein! Was ist denn geschehen?“
„Fabian wurde heute Morgen beim Joggen angegriffen und mit einem Messer verletzt. Er liegt im Krankenhaus!“
„Mist! Verdammt! Entschuldige, Laura, ich versuche, etwas herauszubekommen.“
„Gib mir Bescheid, wenn du etwas erfahren hast.“
„Ja, klar“, antwortete Cedric. „Ich melde mich.“
Den Rest des Tages machte sich Cedric große Vorwürfe, sich so unbedacht verhalten zu haben.
Er hatte Laura beschimpft, obwohl sie sich Sorgen um Fabian machte, der schwerverletzt im Krankenhaus lag. Ob er überleben würde, war noch völlig offen. Cedric hatte nur kurz mit dem älteren Bruder von Fabian telefonieren können. Keiner wusste etwas Genaues.
Kurz darauf rief er Laura an. Er erzählte ihr, was er erfahren hatte. Sie hatte gereizt und genervt geklungen, etwas von einem Polizisten erzählt, der sie gerade befragen würde.
Später hatte er nur noch mit ihrer Mutter telefoniert. Laura würde tief schlafen und könnte nicht mehr mit ihm sprechen.
Am nächsten Morgen sah Cedric sie in der Pausenhalle mit Paul und Bernd zusammenstehen.
Er ging zu ihr und versuchte, sie beiseite zu ziehen.
„Hey, Laura, ich muss unbedingt mit dir reden.“
Unwillig und trotzig trat sie einen Schritt zurück.
„Später, Cedric. Ich muss jetzt in den Physikraum.“
Danach sah er sie noch zwei Mal, aber sie tat so, als bemerkte sie ihn nicht. In der Mittagspause musste er tatenlos mitansehen, wie sie mit einem älteren Jungen flirtete. Was war nur los mit ihr?
Noch nie zuvor hatte er sie so faszinierend gefunden wie gerade jetzt.
Wie hübsch und weiblich sie aussah!
Nach dem Unterricht fing er sie ab, als sie mit einigen Jungs zusammen aus der Schule kam.
„Laura, du hast versprochen, mit mir zu reden. Ich warte.“
Einen Moment zögerte sie. Dann legte sie Philip freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
„Okay, Philip, dann holst du mich also um sieben Uhr ab?“
Philip nickte und ging mit den anderen Jungs weiter.
Cedric öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Laura schnitt ihm das Wort ab.
„Wie geht es Fabian?“
„Er wurde in der Nacht operiert und liegt jetzt auf der Intensivstation.“
„Wird er überleben?“
„Das kann noch keiner sagen.“
„Danke, Cedric.“
„Gehst du heute Abend wirklich mit Philip weg?“
„Ja, warum?“
„Du hast heute den ganzen Tag mit Jungs in der Schule geflirtet!“
„Hast du mich beobachtet?“, fragte sie mit einem prickelnden Gefühl nach.
„Das gefällt mir nicht!“
„Bist du etwa eifersüchtig?“
„Nein, natürlich nicht“, sagte Cedric, während er verlegen mit seinen Fingern spielte.
Das Handy von Laura klingelte.
„Moment kurz, Cedric“, sagte sie zu ihm und nahm ihr Handy in die Hand.
„Ja?“
Cedric konnte das laute Geschnatter von Vanessa hören.
„Ja, klar. Reservier für Samstag eine Bowlingbahn. Ja, sieben Uhr ist okay. Kann ich dich später nochmals anrufen? Ich unterhalte mich gerade mit Cedric. Okay, bis gleich.“
Sie schob ihr Handy zurück in die Jackentasche.
„Ihr geht am Samstag Bowling spielen?“
„Ja, warum fragst du?“
„Gehst du mit Jungs aus der Schule dorthin?“
„Du bist ein hoffnungsloser Fall, Cedric. Warum soll ich nicht andere Jungs kennenlernen?“
„Kennenlernen? Du schmeißt dich denen geradezu an den Hals.“
„Ach, wirklich?“, fragte sie mit einer spöttischen Stimme.
„Ja! Lass das bitte.“
„Du übersiehst eine Kleinigkeit: Ich denke nicht daran, meine Freiheit aufzugeben. Es macht mir Spaß, abends mit Jungs loszuziehen und mich zu amüsieren.“
„Du willst dich also heute mit Philip treffen?“
„Nicht nur mit Philip. Auch mit anderen Jungs“, erklärte Laura voller Genugtuung.
In Cedrics Kopf drehte sich alles.
„Aber ich kann dich beruhigen!“, sagte sie.
„Ja?“, er blickte ihr hoffnungsvoll in die Augen.
„Am Samstag sind keine Jungs dabei. Ich gehe nur mit Vanessa und Anna zum Bowling!“
Einen Moment lang starrten sie sich an.
Dann drehte sich Laura einfach um und ging. Sie konnte es nicht mehr ertragen. Er war doch ihr Leben!
Unglücklich sah Cedric ihr nach, wie sie beschwingt davonschritt und die Landsberger Straße überquerte.
Was haben nur die anderen Jungs, was ich nicht habe?, dachte er traurig.
Laura fand den Abend mit Philip ganz lustig.
Sie gingen ins Kino und sahen sich den neuen James Bond Film an.
Später auf dem Heimweg wollte sie ihm das Geld wiedergeben, das er für die Kinokarten bezahlt hatte.
„Hier, Philip, ich möchte nicht, dass du meinetwegen so viel ausgibst.“
„Du spinnst, Laura“, erwiderte er lachend. „Ich lade dich gerne ein. Du bist so ganz anders als die anderen Mädchen, nicht so eingebildet und zickig.“
Laura wurde rot vor Verlegenheit.
Sie mochte Philip. Doch gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie mit ihm niemals eng befreundet sein könnte. Dazu war er viel zu still und zu ernst.
Allmählich gingen ihr auch die Gesprächsthemen mit ihm aus. Mit Cedric wäre das anders gewesen. Da musste sie nicht andauernd nachdenken, worüber sie sich mit ihm unterhalten könnte.
Als Philip sie zu Hause absetzte, war sie völlig fertig vom angestrengten Grinsen und Lächeln. Die ganze Zeit hatte sie ihm gegenüber so getan, als würde sie seine Witze unheimlich lustig finden, weil sie ihn nicht verletzen wollte.
Ich bin ja schon ganz so wie Michelle, dachte sie angewidert. Statt ehrlich meine Meinung zu sagen, spiele ich die ganze Zeit Theater.
Laura fand dieses ganze aufgesetzte Getue nicht fair, auch wenn es den Jungs zu gefallen schien und sie laufend Komplimente bekam.
Als sie am nächsten Morgen aufstand, rief Kevin an.
Sie kannte Kevin nicht besonders gut. Er war der ältere Bruder von Paul, hatte bereits eine Lehrstelle und ein eigenes Auto.
Nervös erzählte sie ihrer Mutter, dass sich ein älterer Junge mit ihr treffen wolle.
„Schon wieder ein anderer Typ?“, fragte sie missbilligend. „Übertreibst du nicht langsam ein wenig?“
„Keine Sorge. Ich werde auch nicht so spät heimkommen“, antwortete Laura.
„Ich möchte nicht, dass du den Ruf einer Rumtreiberin bekommst!“
„Quatsch, Mama!“, antwortete Laura. „Andere Mütter sind froh, wenn ihre Kinder viele Freunde haben.“
„Klar, wer über tausend Freunde bei Facebook hat, ist ein Held! Ich kenne den Nonsens im Internet. Es kommt nicht darauf an, dass du viele Freunde hast. Kümmere dich um die wenigen, wirklichen Freunde!“
„Ja, das verspreche ich dir“, antwortete Laura und verschwand im Bad. Sie musste sich noch schminken und umziehen.
Kevin kam sie wenig später abholen.
„Ich muss aber um halb elf zu Hause sein“, erklärte Laura, als sie neben Kevin im Auto saß. Er sah enttäuscht aus. „So früh schon? Ich wollte gern mit dir nach Schwabing fahren, da hat ein neuer Club aufgemacht.“
Laura sah auf die Uhr.
„Tut mir leid“, sagte sie, „aber das wird wohl nicht klappen.“
„Nein, allerdings nicht. Wozu hättest du denn sonst Lust?“, fragte Kevin und betrachtete interessiert ihren schlanken Körper.
„Keine Ahnung.“
„Ich bin bei der Feuerwehr.“
„Toll.“
„Ja, natürlich ist das toll. Aber ich meinte damit, dass ich einen Schlüssel vom Feuerwehrhaus habe.“
„Na und?“, fragte Laura irritiert.
„Wir könnten dort hinfahren. Ich zeige dir die Feuerwehrautos.“
„Ich steh nicht so auf Autos“, antwortete sie.
„Es geht ja auch nicht um die Autos.“
„Aha. Warum sollen wir dann dorthin fahren und uns Autos ansehen, wenn es gar nicht um Autos geht?“, fragte Laura.
„Die Feuerwehrautos haben große, ausklappbare Rücksitzbänke.“
„Klasse, das freut mich für die Feuerwehrleute.“
„Willst du dir die Rücksitzbänke mal ansehen?“
„Wieso sollten mich Autositze interessieren?“
„Es geht doch nicht um die Autositze!“
„Ich verstehe nicht, was du meinst?“, fragte sie verwundert.
„Na, wir könnten es uns auf den großen Rücksitzbänken bequem machen und etwas fummeln. Ich bin scharf auf deinen Körper. Du nimmst doch die Pille, oder?“
„Spinnst du?“, stammelte Laura verwirrt.
„Natürlich nicht“, antwortete er scheinheilig und tat so, als wäre er vollkommen erstaunt. Dabei rutschte er bedrohlich näher.
„Hör auf damit!“
„Du spielst doch nur ein Mädchen, dass schwer zu kriegen ist!“
Er lachte, stürzte sich wie ein Puma auf sie und knurrte spielerisch. Er hatte die Arme fest um sie geschlungen und versuchte, sie zu küssen.
Nach einem aggressiven Handgemenge konnte sie sich losreißen.
„Ich meine es ernst!“
„Ich auch“, fauchte er. „Ich will dich!“
Entsetzt starrte Laura ihn an. Ihr gefiel diese direkte Art ganz und gar nicht. Kevin schien ihr Schweigen als Zustimmung zu verstehen und versuchte, sie erneut zu küssen.
„Bring mich nach Hause“, verlangte sie entschlossen, aber ihre Stimme zitterte dabei.
„Warum?“
„Ich mag es nicht, wie du dich verhältst.“
„Ich will doch nur mit dir schlafen! Das machen viele Menschen und das ist nicht schlimm!“
„Bring mich nach Hause“, beharrte sie entsetzt.
„Ich will dich aber nicht nach Hause bringen“, entgegnete er genauso störrisch.
„Dann laufe ich eben!“
Um zu zeigen, dass sie es ernst meinte, drehte sie sich um und öffnete die Autotür. Kevin ergriff ihren Arm, um sie aufzuhalten.
„Hey, komm schon. Sei doch nicht so.“
Laura presste die Lippen zusammen. Sei doch nicht so? Je mehr sie über sein Verhalten nachdachte, desto wütender wurde sie.
„Schau nicht so böse“, sagte er grinsend. „Ich sagte doch bereits, es tut mir leid. Ich habe doch nur Spaß gemacht.“
Was sollte das für ein blöder Spruch sein?, dachte sie zornig.
„Ich denke, ich möchte mich nie wieder mit dir treffen.“
Sie fühlte, wie er erstarrte.
„Warum?“
„Es funktioniert nicht mit uns.“
„Was funktioniert nicht?“
„Wir beide zusammen.“
„Ich dachte, du findest mich nett?“
„Das dachte ich auch, aber...“ Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
Er starrte sie an, zuerst ungläubig, dann mit anwachsender Wut.
„Das kannst du mit mir nicht machen!“
„Sicher kann ich das. Warum sollte ich nicht können?“ fragte Laura verwundert.
„Das kannst du nicht machen!“ wiederholte er, diesmal laut und voller Wut. „Zuerst machst du mich scharf und dann lässt du mich fallen. So geht man mit mir nicht um!“
Laura schreckte zurück. Sie hatte nicht erwartet, dass ein Junge sie anbrüllen würde.
„Was hast du denn an mir auszusetzten?“, fragte er zornig.
„Ich gehe nach Hause.“
„Du hast mir nicht geantwortet!“, sagte Kevin.
Laura wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie verstand nicht, dass ein Junge ihre Entscheidung nicht akzeptieren konnte.
„Okay, okay!“, bestimmte er, als sie nicht antwortete. „Ich bringe dich nach Hause.“
„Nein!“, sagte sie entschlossen und lauter, als es ihre Absicht gewesen war. „Ich laufe!“
„Aber es ist zu weit.“
„Das macht mir nichts aus“, antwortete sie.
Als Kevin wieder ihren Arm ergriff, machte sie sich zappelnd von ihm los. Während sie sich zur Seite drehte, traf sie ihn unabsichtlich mit ihrem Ellbogen an seinem Kinn. Sein offener Mund wurde mit einem harten Schwung zusammengepresst, wobei er sich mit den Zähnen auf seine Zunge biss. Als er etwas sagen wollte, lief Blut aus seinem Mund hervor.
Laura blickte ihn entsetzt an, riss die Autotür auf und rannte weg.
Kaum war sie zu Hause angekommen, musste sie grinsen, als sie sich sein blutendes Gesicht mit den entsetzten Augen nochmals bildlich vorstellte.
Oh nein, was für ein Trottel, dieser Kevin!
Die Schmerzen hatte er sich redlich verdient.
Im Bett konnte Laura dann lange nicht einschlafen. Immer und immer wieder gingen ihr die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf.
Gegen drei Uhr fasste sie einen Entschluss, der zum Teil aus dem Verhalten von Kevin stammte.
Punkt eins, sie wollte nie wieder mit einem Jungen etwas unternehmen, den sie nicht auch wirklich mochte.
Punkt zwei, sie wollte sich nicht mehr mit Jungs treffen, nur weil das ihr Ansehen steigerte.
Punkt drei, sie wollte nie wieder so tun, als interessiere sie sich für etwas, was sie im Grunde stinklangweilig fand.
Punkt vier, wenn sie sich mit einem Jungen traf, wollte sie nicht mehr gekünstelt daherreden, sondern sich so verhalten, wie sie wirklich war.
Sollten sich doch Mädchen wie Michelle lächerlich machen und dieses ganze Theater mitmachen! Sie wollte nur noch sie selbst sein, beschloss Laura.
Punkt fünf, ich liebe Cedric!
Die Bowlingbahn war an diesem Samstagabend wie immer sehr gut besucht. Vanessa und Anna holten sich am Counter noch Leihschuhe. Laura hatte ihre eigenen Bowlingschuhe dabei. Sie gaben ihre Bestellungen bei der Kellnerin auf und beschlossen, gleich mit dem ersten Spiel zu beginnen.
Als Laura an der Reihe war, ihren ersten Wurf zu platzieren, und sich der Linie näherte, hörte sie neben sich eine wohlbekannte Stimme.
„Hallo, Laura. Du hast eine tolle Haltung beim Anlauf!“
Vor Schreck ließ sie die Bowlingkugel fallen, die mit einem lauten Knall auf den Boden donnerte, so dicht neben ihren Füßen, dass sie einen erschrockenen Satz nach hinten machte. Lautes Gelächter und dumme Bemerkungen drangen an ihr Ohr.
Laura spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
Sie blickte zur Seite und entdeckte Cedric, der mit Tobias und Philip auf der Nebenbahn stand.
„Du... du ...!“, rief sie voller Empörung. „Du, ach lass mich doch in Ruhe!“
Laura war furchtbar wütend, aber diesmal auf sich selbst, da sie nicht imstande war, sich richtig auszudrücken.
Wieso brachte sie es nicht fertig, bei Cedric die richtigen Worte zu finden?
Schnell hob sie die Bowlingkugel wieder auf, die mittlerweile ein Stück weiter zur Seite gerollt war. Ohne den Kopf zu heben, der mit einer leichten Röte überzogen war, machte sie ihren Wurf.
„Strike!“, rief Laura und machte einen Freudensprung.
Blitzartig drehte sie sich um und setzte sich auf ihren Platz. Als hätte sie einen Spaziergang durch die Wüste gemacht, trank sie ihr Mineralwasser aus und stellte dann das leere Glas mit einem nicht zu überhörenden Knall auf den Tisch zurück. Sie kochte immer noch innerlich.
Von der Nebenbahn konnte sie hören, wie die Jungs immer noch lachten. Aber nicht nur über Laura allein. Über die Mädchen insgesamt machten sie sich lustig, und zwar in einer Art und Weise, die normalerweise ihren Kampfgeist gegen das andere Geschlecht geweckt hätte.
Normalerweise!
Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sie bestimmt gewusst, wie sie sich zu wehren hätte. In der Nähe von Cedric fühlte sie sich unruhig und nervös.
„Hey!“
Durch einen Seitenhieb wurde sie unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Vanessa und Anna hatten sich neben sie gesetzt und blickten sie fragend an.
„Was ist denn mit dir los? Hat dir das Glas etwas getan?“, fragte Anna.
„Du bist ja feuerrot im Gesicht“, stellte Vanessa lachend fest. „Du bist übrigens wieder dran. Los, mach noch einen Strike!“
„Ach, lass mich doch in Ruhe!“, fauchte Laura. „Ich habe keine Lust mehr!“
„Du spinnst wohl!“, empörte sich Vanessa. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“
„Nichts!“, erwiderte Laura mürrisch. Sie sprang auf und hätte fast Vanessa über den Haufen gerannt. „Ich geh mir mal die Hände waschen.“
Sie verließ den Bowlingbereich, ohne auf die anderen zu achten. Als sie wenig später die Damentoilette verließ, stand Cedric vor ihr und blickte sie besorgt an. Ein Kloß saß in Lauras Hals.
„Na?“, fragte er und klang dabei unsicher.
„Was – na?“, fauchte sie. „Was willst du?“
Dieser verdammte Kloß in ihrer Kehle wollte nicht verschwinden. Sie räusperte sich.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, sagte Cedric.
„Entschuldigen?“ Laura war verblüfft. Ihr Zorn war verraucht, ihre Unsicherheit ihm gegenüber war geblieben. Sie begann leicht zu zittern, ihre Hände wurden feucht.
„Ja, das war vorhin nicht gerade nett von mir“, fügte Cedric hinzu.
„Das kann man wohl sagen“, erwiderte sie. Langsam wurde sie ruhiger. Aber sie war noch lange nicht versöhnt.
„Ja, ich...“, stammelte er.
„Schon gut“, unterbrach sie ihn. „Ich muss jetzt wieder zurück zur Bahn.“
Sie drehte sich um und ging zurück zu ihrem Platz. Es fühlte sich gut an, ihn wie einen dummen Jungen stehen zu lassen. Und obwohl es ihr schwerfiel, drehte sie sich nicht um.
Sie kam aber nicht weit, denn als sie um die Ecke bog, spürte sie seine Hand auf ihrem Arm.
„Warte doch“, sagte er leise. „Ich wollte dir noch etwas sagen.“
„Da gibt es nichts mehr zu sagen“, meinte Laura und versuchte, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. Dabei hoffte sie, dass er das leise Zittern, das sich in ihre Stimme eingeschlichen hatte, nicht bemerkte. Sie riss sich von Cedric los und lief schnell zu den anderen Mädchen, die sie sofort bestürmten, ihren noch ausstehenden Wurf zu machen.
„Mensch, wo warst du denn so lange?“, fragte Vanessa. „Du bist doch an der Reihe. Wir warten schon auf dich. Schließlich sind wir zum Bowlen hergekommen!“ Sie schüttelte genervt den Kopf.
Laura setzte sich gar nicht erst hin, sondern holte sich ihre Bowlingkugel aus dem Rücklauf.
Was wollte Cedric nur von ihr?
Warum habe ich ihn nicht aussprechen lassen?
Sie war unruhig, nervös und hatte zittrige Hände.
Der Wurf ging daneben!
Sie war sich bewusst, dass es an ihrer Unkonzentriertheit lag und ging nachdenklich zurück auf ihren Platz. Laura schämte sich dafür, dass sie sich so aus der Ruhe hatte bringen lassen.
Vanessa blickte sie nachdenklich an. Es war ganz offensichtlich, dass ihr tausend Fragen auf der Zunge lagen.
Laura kniff den Mund zusammen und tat so, als bemerke sie nichts von ihrer unterdrückten Neugier. Wie unbeabsichtigt blickte sie sich in der Halle um, tat so, als interessierte sie die Umgebung.
Als sie zu den drei Jungs auf der Nebenbahn sah, erhaschte sie gleich mehrere Blicke.
Tobias zwinkerte sie an und grinste. Er wirkte sympathisch und nett.
Cedric blickte sie ernst und nachdenklich an. In seinen rehbraunen Augen konnte sie viel Wärme erkennen.
Philip betrachtete sie, als wäre Laura ein auf der Erde gelandeter Engel. Er war eindeutig in Laura verliebt, sein schmachtender Blick verriet ihn.
Schnell drehte Laura ihren Kopf und beteiligte sich wieder am Gespräch ihrer Freundinnen. So konnte sie wenigstens so tun, als hätte sie nicht bemerkt, wie sie beobachtet wurde.
Ihr Gespräch, von dem Laura eigentlich nichts mitbekam, wurde von Tobias unterbrochen, der an ihren Tisch trat.
„Es war beeindruckend, euch drei hübschen Mädels beim Bowling zuzusehen“, begann er mit einem ironischen Unterton in seiner Stimme. Die Mädchen drehten sich zu ihm und blickten ihn neugierig an.
„Wir fragten uns, ob ihr Lust auf einen kleinen Wettkampf habt?“, fragte er neugierig.
„Einen Wettkampf?“, fragte Vanessa selbstbewusst. „Wollt ihr unbedingt verlieren?“ Sie konnte es einfach nicht lassen. Vanessas direkte Art war selten jemand auf Anhieb gewachsen.
„Nun ja, das wird sich herausstellen“, antwortete Tobias. „Also, wie sieht es aus? Traut ihr euch?“
„Trauen?“, protestierte Vanessa energisch. „Ihr Angeber!“
Spöttisch musterte sie Tobias.
„Wie stellt ihr euch den Wettkampf denn vor?“, fragte sie.
„Na, ihr drei Mädels gegen uns drei Jungs“, erklärte Tobias.
„Was bekommen die Sieger?“, erkundigte sich Anna neugierig.
„Wenn ihr gewinnt, würden wir die Bahngebühren und eure Getränke bezahlen. Wäre das okay für euch?“
Vanessa nickte mit dem Kopf. „Hoffentlich habt ihr genug Geld dabei, denn ihr werdet verlieren!“
„Was wollt ihr, solltet ihr gewinnen?“, fragte Laura neugierig.
„Nur einen Kuss!“, antwortete Tobias grinsend.
„Wie? Einen Kuss?“, stotterte Anna verwirrt.
„Meine liebe Anna“, erklärte er. „Ein Kuss ist etwas, wenn sich die Lippen zweier Menschen berühren. Das hast du vielleicht schon einmal in einem Film gesehen.“
„Blödmann!“
„Danke.“
„Wer muss wen küssen?“, fragte Laura.
„Das haben wir bereits ausgelost“, antwortete Tobias.
„Ihr Volldeppen habt um uns gelost?“, entrüstete sich Vanessa.
„Oh ja, das hat richtig Spaß gemacht.“
„Zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?“
„Du hast mit mir die Ehre“, sagte Tobias und blickte Vanessa strahlend an. „Ich freue mich darauf, dich küssen zu dürfen, und überlege gerade, ob ich auch mit Zunge darf.“
„Blödmann“, sagte sie ironisch, aber innerlich grinsend. Liebend gerne hätte sie jetzt Tobias geküsst, auch mit Zunge. „Und weiter?“
„Philip will gerne die Geschmeidigkeit von Annas Lippen testen.“
Er verstummte kurz, blickte von einem Mädchen zum Nächsten.
„Cedric freut sich auf einen Kuss von Laura. Er erzählte, dass es nichts Schöneres auf dieser Welt gibt. Ich glaube, er übertreibt etwas.“
„Er freut sich auf einen Kuss von mir?“, stammelte Laura verlegen.
„Bist du schon aufgeregt?“, fragte Tobias.
„Blödmann!“
„Danke! Was ist nun? Traut ihr euch?“
Vanessa wurde ernst. Dann blickte sie fragend zu den beiden Mädchen, ehe sie sich wieder Tobias zuwandte.
„Also gut, sag deinen Kumpels, es geht in Ordnung.“
Sie zögerte einen Moment. „Oder warte mal, kommt doch rüber. Hier ist genug Platz für uns.“ Sie machte eine ausladende Bewegung mit dem rechten Arm.
Tobias zuckte mit den Schultern und lief schnell zu seinen Freunden hinüber. Dann steckten sie alle die Köpfe zusammen. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich über die Zusage der Mädchen freuten.
Es dauerte keine fünf Minuten und sie saßen gemeinsam um den kleinen weißen Tisch herum. Natürlich ergriff Vanessa sofort das Wort. Kurze Zeit später war alles geklärt und die Regeln festgelegt. Anna ging als erste Spielerin zur Bahn.
Laura wurde in diesem Moment richtig bewusst, dass Cedric direkt neben ihr saß. Irgendwie hatte sie es vorher nicht mitbekommen. Sie merkte es erst, als sich seine Hand auf ihre Hand legte, mit der sie gerade mit dem Glas spielte. Ein Schauer durchrann ihren Körper.
Sie drehte den Kopf und sah direkt in seine Augen.
Er beugte sich vor und blickte sie sanft an.
„Ich freue mich wirklich auf einen Kuss von dir“, hauchte er sanft in ihr Ohr. Verlegen senkte sie den Blick und presste die Lippen aufeinander. Schnell zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt.
Durch die plötzliche Bewegung warf sie das mittlerweile wieder gefüllte Glas um und ein Schwall Wasser lief über den Tisch. Sie sprang auf und versuchte, ihre Hose vor dem herunter fließenden Wasser zu retten.
Aber es war zu spät.
In Sekundenschnelle saugte der helle Leinenstoff die Flüssigkeit auf und produzierte einen hässlichen Fleck auf der Hose. Laura stand vor dem Tisch und blickte an sich herunter. Der Stuhl war durch die hastige Bewegung umgefallen.
An ihrem Tisch war Ruhe eingetreten. Durch ihr plötzliches Aufspringen und das Poltern des umstürzenden Stuhles war die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Laura gerichtet. Stille trat ein, alle sahen sie an.
„Oh je, Laura!“, unterbrach Vanessa die Stille. „Was ist denn passiert?“
Sie hatte Mühe, nicht laut loszulachen. Auch in den Gesichtern der anderen zuckte es verdächtig.
„Ach, ich weiß auch nicht“, antworte sie mühsam beherrscht. „Ich bin irgendwie an mein Glas gestoßen.“
Laura holte aus ihrer Handtasche ein Taschentuch hervor, womit sie vorsichtig den Fleck betupfte. Es half natürlich nichts, eigentlich tat sie es auch nur, um ihre Hände zu beschäftigen. Sie wagte nicht, den Kopf zu heben, hatte Angst vor Cedrics Blick. Sie spürte selbst, wie sie feuerrot wurde.
„Ich habe sowieso keine Lust mehr“, sagte Laura mürrisch. „Ich geh nach Hause.“
Dabei vermied sie, irgendjemanden in der Runde anzusehen. Sie wusste genau, dass ihr Gesicht glühte.
„Aber warum denn?“, fragte Anna. „So ein Wasserfleck ist doch kein Grund, nach Hause zu gehen. Außerdem fängt es doch gerade an, lustig zu werden.“
„Ihr werdet ohne mich diesen Kusswettkampf gewinnen müssen“, knurrte Laura und nahm ihre Handtasche. Endlich wagte sie, den Kopf zu heben.
Vanessa, die bisher entgegen ihrer sonstigen Art überhaupt nichts gesagt hatte, sah nur zwischen Cedric und ihr hin und her. Laura erkannte, wie es in ihr arbeitete und war sich sicher, dass Vanessa genau wusste, was mit ihr los war. Aber sie enthielt sich jeglichen Kommentars. Was in diesem Moment sicherlich auch besser war.
„Ciao, viel Spaß noch“, rief Laura und rannte nach draußen. Erst als sie die Tür erreichte, hörte sie Vanessa hinter sich.
„Laura, so warte doch einen Augenblick!“
Sie blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
„Warum rennst du denn so?“, keuchte Vanessa.
„Ich? Rennen? Aber ich renne doch nicht. Ich will nur nach Hause.“
Tränen traten in ihre Augen. Laura versuchte krampfhaft, sie zu unterdrücken. Vanessa stellte sich direkt vor sie.
„Was ist los? Da stimmt doch etwas nicht. Was hat Cedric gemacht?“, fragte sie und blickte Laura direkt in die Augen.
„Nichts hat er gemacht.“
„Mensch, Süße, jeder am Tisch hat gemerkt, dass es zwischen euch geknistert hat. Es war kaum zu übersehen. Und erst die Blicke, die er dir zugeworfen hat!“
„Du weißt doch überhaupt nichts!“, stieß Laura hervor und wollte sich umdrehen, doch Vanessa hielt sie am Arm fest.
„Willst du mir erzählen, was dich bedrückt?“, fragte sie. „Oder muss ich es dir mühsam aus der Nase ziehen?“
Laura schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht darüber reden.“
„Wirklich nicht? Heißt das, dass du mit deinen Problemen allein fertig werden willst?“
„Nein, das nun auch wieder nicht.“
Laura kämpfte mit den Tränen. Die Probleme schienen übermächtig zu werden. Ihre unerfüllte Liebe zu Cedric! Die unheimlichen Alpträume! Der Messerangriff auf Fabian!
„Na, komm schon“, drängte Vanessa neugierig. Sie hatte Laura noch nie so seltsam erlebt. „Du benimmst dich ziemlich komisch, weißt du das?“
„Ich habe wieder geträumt“, flüsterte sie.
„War wieder Cedric dabei?“
„Ja, er lief in dem Flur an mir vorbei.“
„Wie ging es weiter?“
„Er warnte mich und hatte Angst um mich. Dieses unheimliche Wesen würde mich töten wollen, rief er mir zu. Wir rannten in den Keller zum Heizungsraum. Er sagte, hier würde er das Problem lösen. Dann hat er mich angeschrien, dass ich aufwachen soll.“
„Aber das ist doch nett von ihm“, versuchte Vanessa ihre Freundin zu trösten. „Wenn er Angst um dich hat, bedeutet das doch, dass er dich gern hat.“
„Aber er hat mich mit dem Vornamen »Emily« angesprochen!“
„Wer ist Emily?“
„Ich weiß es nicht. Wohl eine seiner Freundinnen“, stammelte Laura und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. „Er hatte Angst um eine Emily und nicht um mich!“
Was verursacht mir mehr Angst, dachte sie erschrocken, ein Wesen, das mich töten möchte, oder, dass Cedric noch eine weitere Freundin hat?
„Ich dachte, er geht mit Michelle?“, fragte Vanessa verwirrt.
„Ja, das dachte ich auch.“
„Du solltest mit Cedric reden. Ich halte das für wichtig“, flüsterte Vanessa, während sie Laura in den Arm nahm und ihr beruhigend über den Rücken streichelte. „Frag ihn dann doch, wer diese Emily ist.“
„Ja, klar“, antwortete Laura bissig. „Ich frage ihn nach Eileen, Emily und Michelle und was weiß ich noch, was er für Mädchen hat!“
„Ich habe mit Tobias über deinen Traum gesprochen“, sagte Vanessa mit einer schuldbewussten Stimme.
„Was hast du?“
„Wir waren auch bei dieser blöden Geisterbeschwörung mit dem Ouija-Brett dabei, oder hast du das schon vergessen?“
„Nein, natürlich nicht“, antwortete Laura.
„Es hätte ja sein können, dass Tobias ähnliche Träume hat, oder?“
„Hatte er denn solche Alpträume?“ fragte Laura neugierig.
„Nein, genauso wenig wie ich. Diese Träume scheinen nur dich und Cedric zu betreffen. Ich werde Tobias noch einmal ansprechen. Er muss es Cedric sagen, wenn du es schon nicht schaffst! Wir müssen das Problem lösen, bevor dir noch etwas passiert!“
„Ja“, erwiderte Laura niedergeschlagen. „Da hast du sicher Recht.“
Sie verabschiedeten sich vor der Bowlingbahn.