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I. 7 Musikalische Elemente in Salons, Konversationszirkeln, Sprachgesellschaften und Damenorden

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Das Französische wurde in Deutschland in der Mitte des 17. Jahrhunderts zur „mit großem Abstand wichtigsten neueren Fremdsprache – eine Position, die es zweieinhalb Jahrhunderte lang halten sollte.“1 Die französische Sprache nahm eine wichtige Stellung als langue véhiculaire des europäischen Adels ein und fungierte beispielsweise am kursächsischen Hof in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts als lingua franca der Aristokratie. Koldau2 und Kuhfuß3 berichten über frankophile Damenkränzchen am anhaltinischen Hof von Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen. Am Hof wurde die Bildung in verschiedenen europäischen Sprachen durch Übersetzung, Schulversuche und Damenorden gepflegt.4 Als Gegenreaktion auf die starke Französierung am anhaltinischen Hof wurde 1617 die Fruchtbringende Gesellschaft5 von Fürst Ludwig I. gegründet. Nach dem Vorbild der italienischen Accademia della Crusca sollte sich die älteste deutsche Sprachgesellschaft der Pflege der deutschen Hoch-Sprache und Literatur widmen.6 Die Fruchtbringende Gesellschaft war mit 890 Mitgliedern die größte und bedeutendste der deutschen Sprachgesellschaften des Barocks.7 Bei diesem Palmenorden handelte es sich fast ausschließlich um einen Männerorden. Koldau zeigt, dass in der Fruchtbringenden Gesellschaft „künstlerisch besonders begabte Ehefrauen der Mitglieder zwar an den Sitzungen teilnehmen [konnten], jedoch nur unter dem Gesellschaftsnamen ihres Mannes und nicht als ordentliche Mitglieder.“8 Musik spielte in der Fruchtbringenden Gesellschaft eine geringe Rolle. Wenn Musik „überhaupt in den Statuten erwähnt wird, dann nur als geringfügiger Zeitvertreib – zu Beginn des 17. Jahrhunderts dennoch ein wichtiger Hinweis, dass die Adelsdamen selbstverständlich gewohnt waren, zu musizieren und dies auch häufig in Gesellschaft taten.“9

In allen Sprachgesellschaften bekam das neue Mitglied bei seiner Hänselung (wie die Aufnahmezeremonie genannt wurde) einen Gesellschaftsnamen, der immer der Pflanzenwelt entnommen war, einen Spruch und ein Emblem. Fürst Ludwig I. erhielt als Gründungsmitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft den Beinamen Der Nährende.10

Als Gegenentwurf zur männlich dominierten Fruchtbringenden Gesellschaft erfolgte am 21. 10. 1617, also nicht einmal zwei Monate nach Gründung des Palmenordens, die Gegengründung der frankophilen Noble Académie des Loyales11 durch Fürstin Anna von Anhalt-Bernburg, die Schwägerin von Fürst Ludwig I. Es handelt sich um eine geheimgehaltene Gesellschaft, die exklusiv Frauen und Angehörigen von Adelsfamilien vorbehalten waren. Die Akademie „hielt sich […] im Rahmen der damals modernen französischen Bildung.“12 Ziel war es, die Errungenschaften der französischen Kultur und Bildung unter den vornehmen, adeligen Damen zu verbreiten.13 Es gibt mehrere Indizien dafür, dass es sich um eine Replik auf den Palmenorden handelte, hatte die Fruchtbringende Gesellschaft als Emblem eine Kokospalme, wählte die Noble Académie des Loyales als Ordenszeichen „eine goldene Palme, die mit dem Phönix als Sinnbild wechselte […] und nannte sich auch L’ordre de la Palme d’or, sie führte den Wahlspruch ,sans varier‘ und als Unterschrift unter dem Phönix ,Rare mais perpétuel‘ […].“14

Ein bewusster Gegensatz zum Palmenorden ist hier die starke Betonung der französischen Sprache. So wurden die Statuten ursprünglich nur auf französisch verfasst und „erst 1633 in revidierter Fassung ins Deutsche übertragen […].“15 Christian I., der Gatte von Fürstin Anna von Anhalt-Bernburg, korrespondierte selbst mit seinem Bruder Ludwig in französischer Sprache.16

Die Akademie bestand aus 20 Mitgliedern, „wobei genaue Vorgaben für die Verteilung auf fürstliche (10), gräfliche (7) und ritterbürtige (3) Damen bestanden und die ständischen Differenzen strikt zu beachten waren […].“17 Außerdem mussten alle Mitglieder reformierten Glaubens18 sein. Im Gegensatz zu anderen Sprachgesellschaften sollten die Mitglieder nach den Satzungen der Noble Académie des Loyales

[…] ihre Zeit / wie auch sonsten / mit Ehrlichen / Ihnen und ihrem Stande wohl anstehenden auch frölichen Ubungen [sic] und Gesprächen zubringen / unter welchen auch diese sein sollen / daß sie sich befleißigen / unterschiedlicher Sprachen / allerhand schöner Hand-Arbeit / auch anderer feiner künstlicher Sachen / darunter auch die Musick / Gedichte / und ingemein in allen dem / was ihnen und ihres gleichen rühmlich ist / und wohl anstehet / nach einer jeden Fähigkeit.“19

Die Mitglieder wählten sich französische Beinamen wie la Pourvoyante, la Constante, la Paisible, l’Obéissante, la Concorde, l’Invariable, la Débonnaire und eine französische Devise.20 Heinz Engels vermutet, dass „die Musik und die Gedichte […] sich natürlich bei diesem [besonders frankophilen, A. R.] Damenorden auf französische Lieder und Gedichte“ beziehen.21 „Die adligen Damen sangen in gemeinsamer Runde auch gerne französische Lieder.“ stellt Kuhfuß22 fest. Koldau bezweifelt jedoch, ob die Frage nach dem Repertoire und der vokalen und instrumentalen Ausführung der französischen Lieder auf den Sitzungen der Académie des Loyales aufgrund der spärlichen Quellenlage dieses geheimen Damenordens je beantwortet werden kann.23

Viele dieser Damen gehörten parallel einer weiteren Damengesellschaft an, die neben dem gesellschaftlichen Miteinander und der standesgemäßen Konversation, die bei der Académie des Loyales im Vordergrund stand, besonders auf die christlich-moralische Sittsamkeit und Tugend achteten. 1619, also zwei Jahre nach der Noble Académie des Loyales, gründeten neun Adelsdamen als „neün newe Kunstgöttinnen auf dem gräflichen Schloss zu Rudolstadt die Tugendliche Gesellschaft, einen Damenorden, der der Fruchtbringenden Gesellschaft eng verbunden war, sich allerdings ein „Werck“ zum Ziel setzte, „das mehr als singen“ sei.24 Koldau stellt fest, dass das „Singen“ hier „primär als Dichtung und nicht als Musikausübung zu verstehen [ist]“ und sich „das ‚mehr‘ auf die bereits im Ordensnamen enthaltene Zielsetzung [bezieht], die weiblichen Tugenden und dadurch die christlich-evangelische Sittlichkeit im gesamten Staatsgefüge zu fördern.“25 Dabei stand die Tugendliche Gesellschaft nicht nur „Frauen aus reformierten Kreisen, sondern Angehörigen aller reformatorischer Bekenntnisse offen.“26 Klaus Conermann zitiert zeitgenössische Quellen von Damen der Tugendlichen Gesellschaft, die sich als Dichterinnen, Verfasserinnen von Erbauungsschriften, Sinnbildern und Frauenlexika, als musikalische Liebhaberinnen, sogar als Komponistinnen engagierten.27 Das gesellschaftlich-kirchliche Engagement reichte von der Gründung von Schulen und dem regelmäßigen Abhalten von Hausandachten mit Gebet (der „Haus-Kirche“) bis zu geistlicher Lektüre mit Kirchenliedern.28 Bis auf die frankophile Noble Académie des Loyales und die Tugendliche Gesellschaft waren alle weiteren Gesellschaften größtenteils Männerorganisationen, die einen deutschen Sprachpurismus förderten.29 Die von Barthold30 und Conermann31 erwähnte bukolische frankophile Académie des Vrais Amants, die aus Verehrern des Schäferromans Astrée von Honoré d’Urfé bestand und „deren Mitglieder in die Rollen von Schäfern und Hirten schlüpften und diese lesend, phantasierend und spielend an den Höfen Anhalts und Thüringens nachahmten“32, ist jedoch nach Dünnhaupt erfunden: „[…] die Erklärung, warum weder Barthold noch Conermann dokumentarische Beweise für die Existenz einer ‚Académie des Vrais Amants‘ auftreiben konnten, ist sehr einfach – es hat nie eine solche Akademie gegeben!!“33

Weitere Akademien und Sprachgesellschaften waren männlich dominierte germanophile Nachahmungen der Fruchtbringenden Gesellschaft: Die Deutschgesinnte Gesellschaft mit dem Sinnbild der Rose hatte zwei weibliche Mitglieder und nahm neben Angehörigen des Adelsstands auch mehrfach Mitglieder aus bürgerlichen Kreisen auf.34 Der Pegnesische Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz, später auch Nürnberger Dichterschule genannt, widmete sich der Förderung der deutschen Sprache und Poesie.35 Der Elbschwanenorden stand vor allem deutschen Gelehrten und Dichtern36 offen und beschäftigte sich unter anderem mit der Übersetzung französischer Romane ins Deutsche.

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