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Freitag, 24. Mai
Оглавление»Ich freue mich, Ihnen mitzuteilen, dass wir nichts feststellen konnten, was darauf hindeutet, dass Daniel nicht völlig gesund ist.«
Der Oberarzt mit den graumelierten Schläfen rückte seine Brille zurecht, dann leckte er kurz an seinem rechten Zeigefinger und blätterte auf die zweite Seite des Untersuchungsberichts. Er überflog sie flüchtig. Als er von seinen Unterlagen aufsah, fixierte er kurz die sorgenvollen Gesichter von Carola und Joachim, konzentrierte sich schließlich jedoch auf Carola, die seiner Ansicht nach deutlich unruhiger war als Joachim. Er lächelte sie kurz an, dann sagte er ebenso gelassen wie routiniert: »Nach Ihrem letzten Besuch und gemäß Ihrem ausdrücklichen Wunsch haben wir, um es mal salopp zu sagen, Ihren Sohn von Kopf bis Fuß untersuchen lassen. Ich fasse die Untersuchungen wie folgt zusammen: Die neurologische Untersuchung hat keinerlei Auffälligkeiten ergeben, auch die abgeleitete Elektroenzephalographie konnte keine Hinweise auf eine Gehirnerkrankung geben. Das Gehirn entwickelt sich gut und für Daniels Alter völlig normal. Um jedoch ganz sicher zu gehen, dass auch wirklich alles in Ordnung ist, habe ich im Anschluss daran eine Kernspintomographie angeordnet. Zur kurzen Erklärung: Dabei werden mit Hilfe eines Computers detaillierte Schichtbilder des Schädels erzeugt, wodurch einwandfrei festgestellt werden kann, ob sich im Gehirn des Patienten ein Tumor gebildet hat oder nicht. Dies, und ich bin froh, Ihnen das versichern zu dürfen, können wir bei ihrem Sohn glücklicherweise ausschließen.«
Er setzte die Brille ab, lehnte sich in Bürostuhl zurück und sagte mit unverhohlener Selbstgefälligkeit: »Ich kann Sie beruhigen. Daniel ist ein kerngesundes Kind, dem es nach medizinischen Gesichtspunkten an nichts fehlt. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Sohn einfach ein sehr unruhiges Kind ist. Sie sollten das nicht überbewerten. Es ist eine Phase, mehr nicht.«
»Phase ist ein sehr dehnbarer Begriff.« Carola bemühte sich gar nicht erst, die Schärfe aus ihrer Stimme zu nehmen. »Natürlich bin ich erleichtert, dass unserem Sohn nichts fehlt und Sie nichts Ernsthaftes festgestellt haben. Aber bei einem Zustand, der vor dreieinhalb Wochen begonnen hat und sich seitdem immer mehr zuspitzt, kann man wohl kaum von einer Phase sprechen, sondern eher von einem Zustand, und zwar einem, der uns stark beunruhigt.«
Der Oberarzt sagte: »Ich habe vollstes Verständnis für Ihre Besorgnis, Frau Netzner, aber Ihr Daniel ist ein kerngesundes Kind. Und mit dieser Gewissheit fahren Sie nun bitte nach Hause und freuen sich darüber. Denn glauben Sie mir: Viel zu häufig sitzen mir Eltern gegenüber, denen ich zu meinem tiefsten Bedauern das Gegenteil mitteilen muss.«