Читать книгу Philosophie für Theologen - Andreas Scheib - Страница 9

2. Philosophie im Theologiestudium

Оглавление

Eine Einführung in die Philosophie für Theologen?

Traditionell ist die Auseinandersetzung mit Philosophie – und zwar sowohl mit der je zeitgenössischen Philosophie als auch mit ihren historischen Erscheinungsweisen – in der katholischen Theologenausbildung stärker verwurzelt als in der evangelischen, aber beide wissen um ihre strukturelle Nähe zu philosophischen Fragestellungen, die sich im hohen Grade philosophischer Reflektiertheit der großen theologischen Themen und Diskussionen widerspiegelt und für diese durchaus prägend ist. Philosophie gehört deshalb auch heute noch zu den integralen Bestandteilen der Ausbildung von Theologen. Für den katholischen Kontext hat Johannes Paul II. dies unter anderem im Rahmen seiner Enzyklika Fides et Ratio55 zum Ausdruck gebracht und damit gezeigt, wie hoch er selbst den Stellenwert der philosophischen Durchdringung theologischer Fragestellungen auch für die Theologen-Ausbildung einschätzt. Unter der Überschrift „Das Interesse der Kirche für die Philosophie“ führt er in § 60 bezugnehmend auf das II. Vatikanische Konzil (1952–65) aus: „Das Konzil hat sich auch mit dem Studium der Philosophie befaßt. […] Das Konzil lehrt: ‚Die philosophischen Disziplinen sollen so dargeboten werden, daß die Alumnen vor allem zu einem gründlichen und zusammenhängenden Wissen über Mensch, Welt und Gott hingeführt werden. Sie sollen sich dabei auf das stets gültige philosophische Erbe stützen. Es sollen aber auch die philosophischen Forschungen der neueren Zeit berücksichtigt werden.‘ Diese Weisungen sind wiederholt in anderen lehramtlichen Dokumenten bekräftigt und genauerhin erläutert worden, um vor allem für jene, die sich auf das Theologiestudium vorbereiten, eine solide philosophische Bildung zu gewährleisten. Ich habe meinerseits mehrmals die Bedeutung dieser philosophischen Bildung für alle betont, die sich eines Tages in der Seelsorge mit den Forderungen der modernen Welt auseinandersetzen und die Ursachen mancher Haltungen werden begreifen müssen, um umgehend darauf antworten zu können.“

§§ 62ff. fahren fort: „Ich möchte nachdrücklich betonen, daß das Studium der Philosophie ein grundlegendes und untilgbares Wesensmerkmal im Aufbau des Theologiestudiums und in der Ausbildung der Priesteramtskandidaten darstellt. Es ist kein Zufall, daß dem Curriculum der Theologie eine Periode vorausgeht, in der eine besondere Beschäftigung mit dem Studium der Philosophie vorgesehen ist. Diese vom V. Laterankonzil bestätigte Entscheidung hat ihre Wurzeln in der während des Mittelalters gereiften Erfahrung, als die Bedeutung einer konstruktiven Harmonie zwischen philosophischem und theologischem Wissen herausgestellt wurde. Diese Studienordnung hat, wenn auch auf indirekte Weise, zu einem guten Teil die Entwicklung der modernen Philosophie beeinflußt, erleichtert und gefördert. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist der von den Disputationes metaphysicae von Francisco Suárez ausgeübte Einfluß: sie fanden sogar in den deutschen lutherischen Universitäten Eingang. Der Verlust dieser Methode war hingegen Ursache schwerwiegender Mängel sowohl in der Priesterausbildung als auch in der theologischen Forschung. Man denke an die Gleichgültigkeit dem modernen Denken und der modernen Kultur gegenüber, die dazu geführt hat, sich jeder Form von Dialog zu verschließen oder aber jede Philosophie unterschiedslos anzunehmen. Ich vertraue sehr darauf, daß diese Schwierigkeiten durch eine sinnvolle philosophische und theologische Ausbildung überwunden werden, die der Kirche niemals verloren gehen darf. […] Wegen der genannten Gründe schien es mir dringend geboten, mit dieser Enzyklika das starke Interesse zu betonen, das die Kirche der Philosophie entgegenbringt; ja, es geht um die engen Bande, welche die theologische Arbeit mit der philosophischen Suche nach der Wahrheit verbinden. […] [S]o leistet die Philosophie der Theologie ihren eigentlichen Beitrag dann, wenn sie die Struktur der Erkenntnis und der persönlichen Mitteilung sowie besonders die vielfältigen Formen und Funktionen der Sprache betrachtet und bedenkt. Ebenso wichtig ist der Beitrag der Philosophie für ein zusammenhängendes Verständnis der kirchlichen Überlieferung, der Erklärungen des Lehramtes und der Sätze der großen Lehrer der Theologie: diese drücken sich nämlich häufig in Begriffen und Denkformen aus, die einer bestimmten philosophischen Tradition entlehnt sind. In diesem Fall wird vom Theologen verlangt, daß er nicht nur die Begriffe und Formulierungen erklärt, mit denen die Kirche über ihre Lehre nachdenkt und sie erarbeitet; er muß auch die philosophischen Systeme, die […] Begriffe und Terminologie beeinflußt haben, gründlich kennen, um zu korrekten und kohärenten Interpretationen zu gelangen.“56

Dem entsprechen auch die Maßgaben der Deutschen Bischofskonferenz für die Priester- und Diplomstudiengänge sowie für die Kirchlichen Anforderungen an die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologieim Rahmen des Bologna-Prozesses, die in der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2006 formuliert wurden. Und nicht zuletzt die Regensburger Vorlesung Benedikts XVI., der bereits in seiner Antrittsvorlesung von 1959 im Anschluss an Thomas von Aquin, einen maßgeblichen Philosophen und Theologen des 13. Jahrhunderts, vom Verhältnis von Philosophie und Glaube als einem partiellen Identitätssystem spricht57, zeigt in ihrer Auseinandersetzung mit den philosophischen Implikationen theologischer Fragestellungen, wie gegenwärtig das Wissen um die enge und untrennbare Verknüpfung theologischen und philosophischen Denkens auch in seinem Pontifikat war.

Zu den zentralen Anliegen der philosophischen Ausbildung von Theologen hat daher die Vermittlung ebendieses engen und gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisses von Philosophie und Theologie zu gehören. Die philosophische Bildung, von der Johannes Paul spricht, impliziert, wie er erläutert, eine Kenntnis des philosophischen Erbes ebenso wie der neueren philosophischen Diskussionen. Das Wissen über Mensch, Welt und Gott hängt mit den philosophischen Begriffen von Erkenntnis, Kommunikation und Sprache zusammen, und es betrifft damit große Teile des gesamten philosophischen Forschungsfeldes. Eine sinnvolle Auseinandersetzung mit den großen theologischen Systemen setzt die Kenntnis jener philosophischen Begriffs-, Argumentations- und Welterklärungssysteme voraus, die im Hintergrund der theologischen Arbeit prägend wirken.

Vom philosophisch-theologischen Grenzbereich zu sprechen legt hingegen unweigerlich die Assoziation mit Begriffen wie Grenzziehung, Abgrenzung etc. nahe und evoziert so das Bild einer Interdisziplinarität als Beziehungsgefüge zweier ansonsten disjunkten Wissenschaftsbereiche, das im Gefolge der philosophischen Aufklärung steht und ihre Bemühungen um Autonomie unter Vermeidung von Berührungspunkten mit der Theologie dokumentiert.58 Dass die Kommunikation zwischen Vertretern der Theologie und der Philosophie problematisch ist, wird an der oben bereits angedeuteten Bemerkung von Jürgen Habermas im Gespräch mit Joseph Ratzinger deutlich: In dem Dialog des Philosophen mit dem Kardinal59 über Fragen des epistemologischen Status religiöser Überzeugungen, der 2004 in der Katholischen Akademie Bayern in München stattgefunden hat, weist Habermas darauf hin, dass er als Philosoph nicht über jene ‚religiöse Musikalität‘ verfüge, die seiner Meinung nach erforderlich sei, um sich religiösen Überzeugungen zu öffnen.60 Die wechselseitige Sprachlosigkeit beider Disziplinen, die Habermas hier mit einer auf Max Weber zurückgreifenden Umschreibung formuliert, geht vermutlich zumindest unter anderem auf Brüche im philosophisch-theologischen Gefüge zurück, die im 17. Jahrhundert entstanden sind, sie ist aber zugleich Ausdruck einer allgemeinen Tendenz zur Emanzipation der Philosophie vom Vormund der Theologie und damit einer Entwicklung, die sich über viele Jahrhunderte erstreckt. In ihrer konsequentesten Form wird diese Emanzipation in Gestalt der umfassenden Religions- und Metaphysikkritik bei Nietzsche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftreten, mit der zugleich radikale Veränderungen in der Philosophie eingeleitet werden, die bis heute wirkungsvoll bleiben und auf die wir im weiteren Verlauf einzugehen haben.

Der vorliegende Band versucht daher, auf einige Aspekte des Philosophischen, das für das Theologische bedeutsam war und ist, hinzuweisen und so anhand zentraler philosophischer Themenfelder, die Einfluss auf die Gestalt und Entwicklung der Theologie haben und hatten, einige der methodischen Forderungen erkennbar zu machen.

Philosophie für Theologen

Подняться наверх