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Persönliche Ziele: wichtiger als Unternehmensziele

Kein angestellter Mitarbeiter in einem Unternehmen interessiert sich für die Ziele des Unternehmens, zumindest nicht in erster Linie. Im Vordergrund des Interesses stehen immer zuerst die ganz persönlichen, individuellen Ziele. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn die persönlichen Ziele sind der Grund, warum man sich überhaupt in einem Unternehmen um eine Anstellung bewirbt.

Natürlich sind die persönlichen Ziele bei verschiedenen Personen höchst unterschiedlich. Während die einen nach einer Tätigkeit suchen, die einen schnellen Aufstieg in der Unternehmenshierarchie ermöglichen soll und in der sie möglichst viel Geld verdienen können, streben andere einen Beruf an, der persönliche Sicherheit und Stabilität in Aussicht stellt. Ein geringeres Gehalt und schlechtere Aufstiegschancen werden sie dabei akzeptieren, da die Karriere für sie ja nicht an erster Stelle auf ihrer persönlichen Prioritätenliste steht. Wieder andere Menschen streben weder nach Karriere, noch ist für sie die dauerhafte Sicherheit des Arbeitsplatzes von zentraler Bedeutung. Für sie zählt vielmehr ein gutes Arbeitsklima und ein ausgeglichenes Arbeitsverhältnis im Kollegenkreis.

Dies sind nur einige allgemeine Beispiele, um zu verdeutlichen wie unterschiedlich die Berufswünsche von Menschen sein können und wie vielfältig die Gründe für die Entscheidung zur Mitarbeit in einem Unternehmen sind. Der für das Unternehmen entscheidende Punkt ist, dass all diese persönlichen Ziele von Menschen, die sich für die Mitarbeit in einem Unternehmen interessieren, bereits fest stehen noch bevor sie eine Tätigkeit in dem Unternehmen überhaupt aufgenommen haben. Hinzu kommt, dass sie jedes dieser Ziele in beliebig vielen verschiedenen Unternehmen realisieren können. Aufstieg in der Hierarchie? Sicherer Arbeitsplatz? Netter Kollegenkreis? Keines dieser Ziele ist an ein bestimmtes Unternehmen gekoppelt.

Sobald die Bewerber um eine Anstellung in einem Unternehmen jedoch den Arbeitsvertrag mit diesem Unternehmen unterschrieben und ihre neue Tätigkeit angetreten haben, können sie nur noch hoffen, dass sie ihre Ziele und Wünsche auch tatsächlich realisieren können. Denn ab dem ersten Arbeitstag im neuen Unternehmen spielen ihre persönlichen Wünsche oftmals kaum noch eine nennenswerte Rolle. Von ihren Vorgesetzten bekommen sie Zielvorgaben, die noch nicht einmal diskutiert werden können, weil sie sich mit mathematischer Genauigkeit aus dessen Zielvorgaben ableiten. Diese Ziele müssen sie mindestens erfüllen, am besten jedoch – und das ist in den meisten Unternehmen eine unausgesprochene, aber konkrete Erwartung – übertreffen. Warum? Weil es wichtig ist – für das Unternehmen.

Es interessiert aber keinen Mitarbeiter, ob etwas wichtig für das Unternehmen ist. Die einzige Frage, die sie sich stellen ist, ob ihnen das bei der Realisierung ihrer ganz persönlichen und individuell höchst unterschiedlichen Ziele dienlich ist. Wenn ja, dann werden sie sich aktiv, selbständig, und mit all ihren Fähigkeiten im Unternehmen engagieren. Wenn nein, dann werden sie die Aufgaben zwar natürlich auch abarbeiten, aber eben nur abarbeiten; weil es halt sein muss. Das Ergebnis dieser Abarbeitung der vorgegebenen Aufgaben wird selbstverständlich gut sein, guter Durchschnitt. Mehr aber eben auch nicht.

Für das Unternehmen ist das hochproblematisch. Denn mit durchschnittlichen Ergebnissen kann es sich nicht von seinen Wettbewerbern differenzieren – weder heute, noch in absehbarer Zukunft. Und es wird niemals herausfinden, ob nicht eventuell doch mehr möglich gewesen wäre; ob die Mitarbeiter nicht doch mehr hätten leisten können, mit besseren Ergebnissen oder auch nur kreativeren Lösungen. Schließlich haben die Mitarbeiter ja die ihnen gestellten Aufgaben erledigt. Dass sie dies nur widerwillig und ohne Elan getan haben, erfährt das Unternehmen, beziehungsweise der Vorgesetzte als Vertreter des Unternehmens nicht.

Wenn Mitarbeiter dann nach wenigen Jahren den Job und damit auch gleich den Arbeitgeber wechseln, weil sie keine Möglichkeit mehr sehen, in der aktuellen Tätigkeit ihre persönlichen Wünsche zu realisieren, dann heißt es oft, dass man Wandernde nicht aufhalten und Ziehende gehen lassen soll; und solange die Fluktuationsrate einigermaßen konstant bleibt, besteht ja auch kein Handlungsbedarf – heißt es dann.

Diese für viele Unternehmen vermutlich nicht ganz unrealistische Situationsbeschreibung ist aber nicht ausschließlich negativ. Sie hat durchaus auch positive Seiten, zumindest für solche Unternehmen, die erkannt haben, dass nur die individuellen, persönlichen Ziele der Mitarbeiter die eigentlich treibende Kraft hinter hoher Leistungsbereitschaft und überdurchschnittlichem Engagement sind, und dass die Ziele des Unternehmens aus Sicht der Mitarbeiter immer erst in zweiter Linie wichtig sind. Unternehmen, die das verstanden haben, realisieren ihre Ziele besser als es ihren Konkurrenten gelingt und haben dadurch auch zufriedenere Kunden. So paradox es klingt: sie realisieren ihre unternehmerischen Ziele besser, weil sie sie den Zielen und Wünschen ihrer Mitarbeiter unterordnen.

Dies ist kein Plädoyer für »Country Club Management«, das den Mitarbeitern alle Wünsche von den Augen abliest und die legitimen Ansprüche des Unternehmens an seine Mitarbeiter ignoriert. Im Gegenteil, es ist die Erkenntnis, dass es sich Unternehmen, die einem zunehmend dynamischen und harten Wettbewerb ausgesetzt sind, nicht mehr leisten können, mit nur mäßig motivierten Mitarbeitern zu arbeiten.

Das gilt umso mehr, als sich viele Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile genauso frei und ungezwungen bewegen wie ihre Arbeitgeber auf den Produkt- und Dienstleistungsmärkten. Gerade die qualifiziertesten und flexibelsten Mitarbeiter sind häufig wahre »Portfolio-Virtuosen«1, die im Sinne von »pimp my Lebenslauf« von Job zu Job wandern und ihre Ziele mit höchster Priorität zur Not auch gegen die legitimen Interessen ihrer Arbeitgeber umsetzen – opportunistisch und eigennützig.

Weil das Unternehmen und seine Mitarbeiter oft unterschiedliche und teils sogar entgegengesetzte Interessen verfolgen, ist es umso wichtiger, dass das Unternehmen den persönlichen Zielen seiner Mitarbeiter hohe Priorität einräumt. Es gibt ihnen damit einen Grund, sich im Unternehmen zu engagieren und ihrerseits den Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden. Das wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für die Nachhaltigkeit des unternehmerischen Erfolgs.

In einer innerbetrieblichen Kooperationsbeziehung lohnt es sich also, die Ziele des jeweils anderen mit höherer Priorität zu verfolgen als die eigenen. Das zu tun und sich so zu verhalten, ist der legitime Anspruch des Unternehmens an seine Mitarbeiter, gilt aber auch anders herum.

Danke für Ihr Verständnis

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