Читать книгу Heiße Tage - liebestolle Nächte - Andreas Zenner - Страница 3

Liebeswahn

Оглавление

Ich glaube nicht mehr an die Liebe auf den ersten Blick. Ich glaube überhaupt nicht mehr an die Liebe. Diese Verirrungen der Jugend habe ich hinter mir, denke ich. Nach zwei gescheiterten Ehen und einer unglücklichen Liaison ist das nur zu verständlich. Für diese Torheit meiner frühen Jahre fühle ich mich mit zweiundsechzig Jahren zu alt. Also bin ich, wie man heute so schön neudeutsch sagt, Single. Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich Ehepaare und solche die es unbedingt werden wollen, berate. Erst beim Abfassen eines Ehevertrags und dann, nicht selten, bei der Scheidung, nebst der Auflösung des gemeinsamen Vermögens. Man glaubt gar nicht, zu wie viel Niedertracht ein ehemals liebendes Paar fähig ist. Häufig geht es dabei nicht einmal um das gemeinsame Bankkonto, das Haus, den Mercedes, sondern schlicht um Rache. Für mich als Anwalt ist es nicht einfach, verletzte Gefühle friedlich zu entwirren. Aber wenn es gelingt und ein Paar mit einem versöhnlichen Händedruck auseinandergeht, habe ich gute Arbeit geleistet. All das zu sehen ist nicht gerade motivierend für eine eigene Beziehung und für mich eine tägliche Warnung. Meine Fachrichtung ist das Familienrecht. In diesem Metier verliert man schnell seine Illusionen. Der Beruf erfordert ein gewisses Maß an Seriosität. Anzug, geputzte Schuhe, Sie wissen schon. Die einzige Extravaganz, die ich mir bei der Arbeit leiste, ist eine rote Fliege, auch Propeller genannt, statt der in unseren Kreisen üblichen silbergrauen Krawatte. Meine Mandanten würden mich als einen steifen Knochen bezeichnen. An diesem Image habe ich Jahre hart gearbeitet. Meine grauen Haare verleihen mir den Nimbus langjähriger Erfahrung in meinem Beruf. Viele Paare fassen wegen meines väterlichen Auftretens rasch Vertrauen zu mir. In der Kanzlei fördert das den Umsatz.

Doch das ist nur die helle Seite der janusköpfigen Medaille. Außerhalb meiner anwaltschaftlichen Tätigkeit bin ich ständig auf der Jagd. Nachts streife ich wie ein lüsterner Wolf durch die Bars und Cafés mit einem einzigen Ziel: Frauen aufzureißen. Ich folge dem lockenden Geruch ihres Parfüms, errege mich beim Anblick ihrer schwingenden Röcke, ihrer in den Nylons seidig glänzenden Schenkel. Das einzige was ich suche ist Sex, Sex und nochmals Sex. Für eine Nacht, allenfalls für eine Woche. Handfester Beischlaf kurz und hitzig. Danach schlummert es sich wunderbar, wäre da nicht der Weg nach Hause. Manchmal spüre ich wie die Verzweiflung, die Gier nach Zärtlichkeit dieser Gespielinnen unsichtbar mitficken. Das ist mir peinlich, denn die Gefühlsduselei drum herum spiele ich nur mit, weil es für die Ladies dann leichter ist, sich auf mich einzulassen. Ich lüge keine an, wirklich nicht, denn sie sind einsame Seelen wie ich. Das wäre außerdem in meinem Beruf ein bisschen schizophren. Ich spiele diese Komödie der Liebe lediglich mit, weil die Damen nur zu gerne glauben wollen ich hätte ernste Absichten. Denn sind wir doch mal ehrlich, nur aus Spaß tun es die wenigsten. Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage. Sie wollen mein Geld und ich ihren Körper. Mir geht es einzig und allein darum ein weibliches, einigermaßen attraktives Wesen ins Bett zu quatschen. Ständig bin ich auf der Suche nach einem schnellen Abenteuer ohne weitergehende Verpflichtungen. Ich bin ein Getriebener. Mir ist das bewusst, doch gegen diese Sucht bin ich machtlos. Jäger bin ich und Gejagter zugleich. Komme ich drei Tage nicht zum Schuss, werde ich kribbelig und suche Hilfe auf den Pornoseiten des Internets. Entwürdigend, aber was soll ich machen, Mönch werden? Wird der Drang in meiner Hose zu übermächtig und eine andere Erleichterung ist nicht in Sicht, suche ich die Dienerin heim. So nennen wir unsere Sekretärin, hinter ihrem Rücken.

Ich bin nicht sehr erfolgreich in meinen Eroberungen, was bei meinem gesetzten Alter verständlich ist, sollte man meinen. Nichtsdestotrotz treibt es mich um. Mehr als mir lieb ist. Es ist nicht zu übersehen, dass mir die Haare aus den Nasenlöchern und den Ohren wachsen und nicht mehr auf dem Kopf, da helfen auch die vielen Wässerchen aus dem Drogeriemarkt nicht. Natürlich könnte ich mir ein seelenloses halbstündiges Vergnügen kaufen, Angebote gibt es genug, aber irgendetwas in mir sträubt sich bei diesem Gedanken, ich weiß nicht genau was. Vielleicht bin ich doch ein verkappter Romantiker. In meinen Augen ist es nicht dasselbe ein junges Reh auf freier Wildbahn zu erlegen oder einen bereits ausgeweideten Rehrücken für ein paar Scheine im Zerwirkgewölbe zu erstehen. Es fehlt der Reiz des Beuteschlagens.

Unablässig verfolgt mich das Gefühl, das Leben hätte mir etwas Entscheidendes vorenthalten. Anders kann ich mir mein merkwürdiges Verhalten nicht erklären. Oder sollte ich vielleicht doch nach etwas anderem suchen?

Meine Psychologin nennt es Satyriasis also Sexsucht und meint, daran sollten wir arbeiten. Wieso wir?

Ich habe mich im Internet bei Dr. Google schlau gemacht und bin anderer Auffassung.

Sie ist die Fachfrau, deshalb widerspreche ich ihr nicht, aber ich glaube, sie denkt in erster Linie an ihren Geldbeutel, genauer gesagt an meinen. Ich erscheine jeden Mittwoch pünktlich um sechzehn Uhr in ihrer Praxis. Ich glaube nicht unsere Gespräche brächten mich weiter. Sicher nicht, ich brauche einfach einen Menschen um über meine seelischen Befindlichkeiten zu quatschen. Immer nur den Mandanten zuzuhören und dabei beifällig mit dem Kopf zu nicken laugt auf Dauer aus. Es reizt mich, meinen sexuellen Phantasien in allen pikanten Einzelheiten vor ihr auszubreiten. Wir spielen ein Spielchen mit ungewissem Ausgang. Meine Therapeutin ist jünger, attraktiv, hübsche Figur, toller Busen und eine einschmeichelnde Altstimme. Ab und zu träume ich davon, ihren nackten Körper in meine Arme zu reißen. Dann treiben wir es wie die Karnickel auf ihrer Couch. Sie feuert mich in meinen Träumen an, die unanständigsten Dinge mit ihr zu tun. Meine Psychologin meint, ich sei ein hoffnungsloser Fall.

Die drei Kinder aus der zweiten Ehe sind aus dem Haus. Sie ahnen nichts von meinem nächtlichen Treiben. Der Jüngste studiert Tibetologie und hängt noch an Vaters Tropf. Ich habe ihm von dieser brotlosen Kunst abgeraten. Wie viele Tibetologen braucht die Welt? Aber er ist so stur wie ich. Reihum laden mich die Kinder zum Essen ein. Meist stehen Spaghetti mit Tomatensoße oder Bolognese auf dem Tisch mit der geblümten Wachstuchdecke, der Enkel wegen. Anschließend muss ich mit den Enkelkindern spielen. Meist etwas mit kaufen und verkaufen, ich darf zahlen, natürlich mit echtem Geld. Für gewöhnlich aber betteln mich die Kids nur um Taschengeld an. Enkelkinder sind ab einem gewissen Alter entsetzlich bedürftig, brauchen die neuesten Handys und Klamotten von Abercrombie und Fitch. Abends bin ich heilfroh endlich diesem mir vorgespielten Familienglück zu entrinnen. Zumal mich in unregelmäßigen Abständen eines der Kinder beiseite nimmt, mir gönnerhaft auf die Schulter klopft und meint: du solltest dir endlich wieder was Kuscheliges fürs Bett suchen. Dann lächle ich still und denke mir meinen Teil. Ich weiß genau, kaum bin ich aus dem Haus, streiten mein Sohn und seine Frau wie die Kesselflicker. Ich habe es mehr als einmal gehört, als ich schon halb im Treppenhaus stand. An den Wochenenden mit angehängten Feiertagen verdrücke ich mich lieber und fliege nach Venedig ans Meer. Wo sich der lachende blaue Himmel Italiens mit der Melancholie der Steine und dem launischen Meer vermählt. Die morbide Stadt, in der schon Casanova sein Unwesen trieb, hat es mir angetan. Meine Bedürfnisse ähneln denen des legendären Liebhabers. Dort sitze ich dann auf dem Markusplatz in der Sonne im Café Florian, nippe an einem Brandy, der hier so viel kostet wie beim Dallmayr in München eine ganze Flasche und sehe den vorbeiflutenden Touristinnen auf den Hintern. Die steinernen Löwen von San Marco beobachten das bunte Treiben mit ihren blinden Augen und stoischer Gelassenheit.

Man könnte denken ich wäre einsam, aber ich empfinde mein Leben nicht so. Kann ein Jäger einsam sein, den ein magisches Band an seine Beute fesselt? Ich führe ein beschauliches Leben, wäre eigentlich zufrieden, wenn mir nur der verdammte Sex nicht ständig in die Quere käme. Ich denke, ich bin sexsüchtig ähnlich einem Junkie auf Speed. In diesem einen Punkt hat meine Therapeutin wohl recht.

Damit man mir mein Alter nicht geradewegs auf den Kopf zusagt, gebe ich mir ein jugendliches Aussehen, sportliches Outfit, solariumsgebräunte Haut. Das macht es einfacher die jungen Dinger nicht nur mit dem Geldbeutel zu beeindrucken. Denn jung, jung vor allem sollten sie sein. Mein Verlangen treibt mich um, jagt mich nachts auf tote, regennasse Straßen, wo ich gierig jedem Rock nachstelle. Trotz der Not in meiner Hose habe ich zwei eiserne Regeln aufgestellt, an denen ich kompromisslos festhalte.

Erstens: unter keinen Umständen Gefühle investieren. Unter gar keinen Umständen. Gefühle stiften nur Verwirrung und unnötigen Kummer. Dahinter steckt vermutlich die Angst erneut verletzt zu werden, meint meine Psychologin. Aber darüber denke ich nicht nach.

Zweiten: niemals, wirklich niemals eine Frau mit zu mir nach Hause nehmen. Der Gedanke, sie könnte sich dort breit machen ist mir kaum erträglich. Schon die bloße Vorstellung ihre Zahnbürste oder ihre Tübchen und Wässerchen in meinem Bad vor zu finden jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Und erst das nächtliche Röcheln neben mir, ich könnte kein Auge zu tun.

Mit dieser Strategie bin ich die letzten fünfzehn Jahre gut gefahren. Ich will ehrlich sein, ich hatte nicht allzu viele Gelegenheiten meine Standfestigkeit zu erproben, was mich aber nicht daran hindert München weiter zu durchkämmen. Ich unterliege einem inneren Zwang. Dabei ist mein größtes Handicap eine angeborene Scheu Frauen gegenüber. In diesem Zwiespalt zwischen Gier und Angst zu überleben, ist nicht einfach.

Doch das Leben spielt nicht nach Regeln, die von Menschen gemacht werden. Es folgt eigenen wunderlichen Gesetzen, die wir, wenn wir Glück haben im Nachhinein verstehen, oder auch nicht.

Heiße Tage - liebestolle Nächte

Подняться наверх