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Vorwort

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Nachdem sich die ersten beiden Bände des Handbuchs Ius Publicum Europaeum den Grundlagen und Grundzügen des Verfassungsrechts im europäischen Rechtsraum widmen, erschließen die folgenden Bände III bis V die Grundlagen und Grundzüge des Verwaltungsrechts. Dem Gegenstand geschuldet kombinieren sie, mehr noch als die beiden ersten Bände, rechtsvergleichende und rechtsordnungsspezifische Elemente. Während Band III die Grundlagen des Verwaltungsrechts ausgehend von den Begriffen Staat und Verwaltung behandelt, befasst sich der hiermit vorgelegte Band IV mit der Disziplin der Verwaltungsrechtswissenschaft.

Der europäische Rechtsraum umfasst die 27 Rechtsordnungen der Mitglieder der Europäischen Union sowie weitere, ihr vertraglich unterschiedlich intensiv verbundene. Man könnte daher meinen, dass ein Handbuch, das sich um die Rechtswissenschaft in diesem Rechtsraum und perspektivisch um eine gemeinsame Rechtswissenschaft bemüht, auch Beiträge zur Verwaltungsrechtswissenschaft in allen betreffenden Staaten enthalten müsste. Der vorliegende Band präsentiert demgegenüber nur eine Auswahl. Dies hat ressourcenbedingte, aber vor allem sachliche Gründe: Eine Beschreibung aller nationalen Wissenschaften scheint für das Anliegen dieses Bandes, der keine europäische Harmonisierung vorbereitet, sondern den wissenschaftlichen Diskurs beleben soll, nicht erforderlich. Das zeigt insbesondere die gemeineuropäische Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft, die eben nicht von allen Verwaltungsrechtswissenschaften in gleichem Maße geprägt worden ist. Über lange Zeit waren es allein Großbritannien und Frankreich, später dann auch Deutschland, welche die gemeineuropäische Entwicklung angestoßen und vorangetrieben haben. Auch heute sind die Gewichte unterschiedlich verteilt. Man kann dies bedauern, aber kaum bestreiten. Immerhin ist der Aufmerksamkeitsbogen weiter gespannt als früher. Da das Verwaltungsrecht im europäischen Rechtsraum gerade auch durch „Mischungen“ und Rezeptionen geprägt ist, könnte es jedoch kaum überzeugen, sich in diesem Projekt allein auf den deutschen, britischen und französischen Typ zu konzentrieren. Daher enthält der vorliegende Band zehn Landesberichte.

Das Verständnis von wissenschaftlichen Texten einer anderen Rechtsordnung ist nicht leicht, und oft sind verwaltungsrechtswissenschaftliche Werke noch „fremder“ als verfassungsrechtliche Schriften. Denn die Terminologie des Verfassungsrechts (z.B. Demokratie, Gewaltenteilung oder Rechtsstaat) ist tendenziell rechtsordnungsübergreifend (Diana Zacharias, IPE II, § 40 Rn. 9ff.), und die Gedanken sind oft in universelle theoretische Diskurse eingebettet. Hingegen haben sich die nationalen Entwicklungspfade im Verwaltungsrecht stärker in eigensinnigen Figuren niedergeschlagen. Ein sprechendes Detail: Die redaktionelle Bearbeitung der IPE-Bände III, IV und V, die sich mit dem Verwaltungsrecht befassen, hat sich als weit aufwendiger erwiesen als diejenige der dem Verfassungsrecht gewidmeten Bände I und II.

Dieses Projekt nimmt die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Verwaltungsrechtswissenschaften ernst. Es geht aber nicht darum, monolithisch gedachte Nationalwissenschaften einander gegenüberzustellen. Dies würde das Wesen von Wissenschaft in freien Gesellschaften verkennen. Im Gegenteil: Der vorliegende Band soll, anders als andere verwaltungsrechtsvergleichende Werke, gerade auch über Grundkontroversen berichten, denn sie bilden einen wichtigen Schlüssel zu vertieftem Verständnis: Bruchstellen sind Fundstellen. Entsprechend bietet Band IV Ausführungen etwa über das Ringen konservativer und progressiver Wissenschaftler im Vereinigten Königreich schon um die Existenz des Faches, zur französischen Debatte service public versus puissance publique als konkurrierende dogmatische Grundbegriffe, über den italienischen Kampf zwischen einer allein dogmatischen und einer multiperspektivischen Verwaltungsrechtswissenschaft. Gerade die einflussreichen Wissenschaftstraditionen sind vielstimmig. Überdies würde eine krude Gegenüberstellung von „Nationalwissenschaften“ den gemeineuropäischen Kontext verkennen, in dem sich die nationalen Entwicklungspfade bewegen. Diese gemeineuropäische Durchlässigkeit soll gerade dieses Handbuch in der Perspektive eines gemeinsamen Rechtsraums herausarbeiten. § 57 legt vor diesem Hintergrund Perspektiven der disziplinären Fortentwicklung dar.

Das Projekt ist der Fritz Thyssen Stiftung zutiefst verpflichtet. Sie hat, wie schon bei den Bänden I bis III, die aufwendige und kostenträchtige Zusammenarbeit nachdrücklich gefördert. Ohne ihre ebenso unbürokratische wie substanzielle Hilfe hätte dieser Band nicht in dieser Form verwirklicht werden können. Unser Dank geht weiter an den C.F. Müller Verlag für die Fortsetzung der Reihe. Dankend zu erwähnen sind des Weiteren Marc Jacob, Matthias Kottmann, Dr. Karin Oellers-Frahm und Dominik Zimmermann für die Anfertigung von Übersetzungen, Mark Ciesielczyck, Ute Emrich, Margit Dagli, Cornelia Glinz, Dr. Felix Hanschmann, Angelika Schmidt, Isa Weyhknecht-Diehl und Christian Wohlfahrt für Literaturrecherche, redaktionelle Bearbeitung bzw. abschließendes Korrekturlesen sowie Hannes Fischer, Dominik Fronert, Lea Katharina Roth-Isigkeit, Frauke Sauerwein und Matthias Schmidt, die das Projekt als fleißige studentische Hilfskräfte unterstützt haben.

Ganz besonders haben die Herausgeber Dr. Diana Zacharias zu danken, in deren Händen die Gesamtredaktion lag. Die Bearbeitung der Beiträge dieses Bandes hat gezeigt, wie weit die untersuchten Verwaltungsrechtstraditionen auseinanderliegen, gerade auch in der Mikrostruktur der juristischen Darstellung. Es ist vor allem ihrer tiefgreifenden begrifflichen Bearbeitung zu verdanken, dass die Texte nunmehr gut an rechtswissenschaftliche Diskurse aus dem deutschen Sprachraum anknüpfen. Hier liegt nicht nur eine große redaktionelle, sondern zudem und vor allem eine herausragende wissenschaftliche Leistung für das entstehende ius publicum europaeum.

Heidelberg, Rom und München, im Februar 2011

Armin von Bogdandy/Sabino Cassese/Peter M. Huber

Ius Publicum Europaeum

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