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Gehört werden – oder wie ein Lebewesen in seine Umwelt eingebettet ist

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Die Größe eines Tieres, der hormonelle oder emotionale Zustand, all das beeinflusst die Eigenschaften der Stimme und den ausgestoßenen Laut – und beeinflusst damit auch den Empfänger. Um das Kommunikationssystem einer Tierart wirklich verstehen zu können, muss ich in meiner Forschung jeden einzelnen Aspekt berücksichtigen. Ich muss mich mit der Anatomie und Funktionsweise der schallproduzierenden Strukturen und Organe beschäftigen, mit allen internen Faktoren, die die Struktur des Lautes beeinflussen können, also das Alter und das Geschlecht des Tieres kennen, seinen hormonellen oder emotionalen Zustand beachten sowie auch gewisse kognitive Fähigkeiten, mit deren Hilfe das Tier die Lautstruktur modifizieren kann. Dank der Spektralanalyse, mit der sich dieses Spektrum von Frequenzen untersuchen lässt, kann ich dann herausfinden, welche Informationen über das Tier, über das lautgebende Individuum selbst in der akustischen Struktur des Lautes kodiert sind. Verlässt der Laut das Maul, den Schnabel oder den Mund, so wird er sofort durch die Umwelt verändert und mit zunehmender Entfernung abgeschwächt. Physikalische Mechanismen wie Schallreflexion oder Absorption wirken auf den Laut ein, atmosphärische und klimatische Bedingungen haben aber ebenso einen Einfluss wie der Lebensraum, das sogenannte Habitat, an sich. In der Savanne ist die Schallübertragung eine völlig andere als im dichten Regenwald.

Und was passiert dann, wenn der Laut mit all diesen Veränderungen von einem Artgenossen wahrgenommen wird? Die Antwort scheint simpel: Das Tier muss ihn hören, die Information verarbeiten und darauf reagieren. Kommunikation benötigt immer einen Sender und zumindest einen Empfänger. Es ist eine Interaktion zweier Lebewesen, und jedes beeinflusst das Verhalten des anderen. Aber wie wird der Empfänger reagieren? Es ist genau diese Reaktion, die ein ganz entscheidender Aspekt in der Kommunikation ist. Denn diese Reaktion wirkt als Feedback zurück auf den Sender. Ist ein Paarungsruf etwa besonders attraktiv und zeigt an, wie stark und groß das Männchen ist, wird das Weibchen sich eher dazu entschließen, sich anzunähern, als bei einem Paarungsruf, der gewisse Schwächen aufweist, salopp gesagt also weniger sexy ist. Die Lautproduktion ist nämlich sehr energieaufwendig. Wenn Männchen in der Paarungszeit oft und kontinuierlich Rufe produzieren, gelingt es nur den Stärksten, eine gewisse Lautstärke und Energie in der Stimme aufrechtzuerhalten. Evolutionär haben derartige Fähigkeiten einen gewaltigen Einfluss auf den Sender, in unserem Fall auf das Männchen, weil sich die Eigenschaften der erfolgreichen Individuen häufiger fortpflanzen als jene der unterlegenen.

Als Bioakustikerin sitze ich demnach nicht „nur“ mit meinem Mikrofon im Wald oder in der Savanne, am Tümpel oder vor einem Erdloch und warte mehr oder weniger geduldig darauf, dass ein Tier vokalisiert, sondern ich arbeite mit sehr diversen und vielfältigen Methoden – im Labor genauso wie im Freiland. Ich untersuche die Anatomie und Morphologie der schallproduzierenden Organe, ich sammle Kotproben für Hormonanalysen, verbringe viel Zeit vor dem Rechner, um die Struktur von Lauten zu analysieren, und tüftle an Experimenten, um Hypothesen zu verifizieren.

Ich beschäftige mich aber auch mit dem Hörvermögen der Tiere. Zur Bestätigung, dass etwa ein gerade entspannt fressender Elefant einen interessanten Laut wahrgenommen hat, muss er innehalten und die Ohren leicht abspreizen. Nur unter Einbeziehung dieser Beobachtung kann ich bei Experimenten auch wirklich feststellen, ob die Tiere ein Geräusch wahrgenommen haben oder nicht. Erkenntnisse darüber, wie und was Tiere hören, in welchen Frequenzbereichen sie besonders sensibel sind, sind derzeit wichtiger denn je, wenn wir verstehen wollen, welcher Lärm welche Tiere stört. Denn wir Menschen verpesten die Umwelt mit Lärm. Er ist eines der universellen Umweltprobleme – an Land wie auch im Wasser.

Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten

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