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1 – Angst

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Nur wenige waren gekommen. Die Angst, die sich vor Jahren in die Menschen gefressen hatte, war zu groß, um dass sich auch alle getraut hätten, dem Toten die Letzte Ehre zu erweisen.

»Moira hätte niemals zurückkommen dürfen«, flüsterte Linda Ben zu.

»Sie ist in diesem Ort geboren«, antwortete Ben, doch auch er wusste, dass Linda Recht hatte, und es besser gewesen wäre, wenn die Frau niemals wieder nach Marlow-River zurückgekehrt wäre. Nicht, nachdem, was damals passiert war.

»Mit ihr ist das Unheil über unser Dorf gekommen, Ben. Sie hätte woanders hingehen können, um zu sterben.«

»Du kannst niemandem vorschreiben, wo er seine letzten Tage verbringen will.«

»Und somit geleiten wir dich ins Tal der Toten«, drangen die Worte des Geistlichen an Lindas Ohr.

Der Wind wurde immer stärker. Mit beiden Händen mussten die Trauergäste die Regenschirme umspannen, und beeilten sich, vom Grab wegzukommen.

»Es geht schon wieder los«, schwappten die Worte ängstlich über Lindas Lippen, während sie den Blick hastig über ihre Schulter fegte.

»Nichts geht los. Das ist ein Unwetter, wie es bereits die Wetterfrösche seit einer Woche vorhersagen«, versuchte Ben, die Frau zu beruhigen.

Doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, Ben, und du weißt es auch. Das sind die ersten Anzeichen.« Sie schaute an den Reihen der Gräber entlang. »Es geht wieder alles von vorne los.«

»Da geht nichts von vorne los.« Doch auch Ben konnte nicht anders, als seine Augen ängstlich über den Friedhof zu zwingen, in der Hoffnung, nichts sehen zu müssen, was er erst gar nicht sehen wollte.

»Daniel ist tot. Und das seit dreißig Jahren«, erinnerte er die Frau an den Toten, mit dem seinerzeit alles seinen Anfang genommen hatte.

»Was heißt das schon.« In ihren Augen zuckte die Angst. »Er wird zurückgekommen sein.«

»Nach dreißig Jahren … Nein, das macht keinen Sinn, Linda.«

»Und wie das Sinn macht. Er kommt, um seine Mutter zu holen.«

»Wozu das denn. Sie stirbt ohnehin. Dazu braucht sie ihn nicht«, beharrte Ben darauf, dass Linda falsch lag und sich irrte. Ich will gar nicht, dass auch nur ein Fünkchen Wahrheit an deinen Worten ist, dachte er, während er Linda mit einem flüchtigen Blick streifte.

»Rache! Daniel kommt zurück, um an seiner Mutter und seinen Brüdern Rache zu nehmen.« Ihr Blick lag sorgenvoll auf dem offenen Grab. »Schau doch nur auf diesen Sarg. Ben, wir sind heute hierher gekommen, um Duke zu begraben.«

»Ich weiß«, kam es dumpf über seine Lippen.

»Und Duke war sein Bruder. Daniels Bruder!«

»Daniel ist tot, seit über dreißig Jahren. Und selbst, wenn an all den Gerüchten etwas dran wäre. Was sollte er für einen Grund haben, nach so vielen Jahren, seinen Bruder zu töten?«

»Er wird sich an allen rächen, Ben. An all denen, die ihn damals durchschaut und das durchtrieben Böse in ihm erkannt haben.«

»Das ist doch Irrsinn. War es damals schon. Daniel war ein Kind. Ein zehn Jahre altes Kind«, begehrte der Mann auf. Seit dreißig Jahren hatte er sich bemüht, das tragische Geschehen von damals, aus seinen Gedanken zu verbannen. Und ausgerechnet mit Moiras Rückkehr und Dukes Tod, kam alles wieder zum Vorschein. Nichts ließ sich mehr verdrängen. Alles war wieder da. Daniels barbarischer Tod, Moira, die zuerst als Tatverdächtige angeklagt, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden war. Wobei Ben heute noch davon überzeugt war, dass Reverend Sanders dabei seine Hände mit im Spiel gehabt und seinen Einfluss geltend gemacht hatte, um dass sie der Todesstrafe entkommen war und sogar wieder auf freien Fuß gelassen worden war.

Der Regen schlug ihnen ins Gesicht, als sie den Friedhof verließen. Eilig liefen sie auf ihr Auto zu, um sich vor dem Unwetter in Sicherheit zu bringen.

Todesnacht

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