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2 – Moira

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Der Sturm fegte über die Farm hinweg. Rollläden schlugen laut gegen die Fenster und von irgendwoher drang Stöhnen, das immer lauter wurde, zu Moira hin.

Die Frau zog den Gürtel ihres Morgenmantels fester. Besorgt wanderte ihr Blick über das Land. Wie sehr sie es doch vermisst hatte, all die Jahre.

Der Wasserkessel pfiff durchdringend und Moira wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie eilte zum Herd und schob den Kessel zur Seite.

Nachdem sie sich Kaffee gemacht hatte, schlappte sie ins Wohnzimmer zurück. Heute fiel ihr das Laufen besonders schwer. Der Krebs, er machte ihr das Leben immer beschwerlicher. Sie wusste, dass sie jeden neuen Tag mit dem Tod an ihrer Seite erlebte. Der Tod, über all die Jahre hatte er sie begleitet und nur auf den Tag gewartet, zuschlagen und an ihr Rache nehmen zu können, das wusste sie.

Moria kramte ein abgegriffenes Fotoalbum aus einer der Schubladen und setzte sich damit in einen Sessel.

Am Ende holte sie es hervor, das Bild ihres Sohnes. Daniels Bild. Wie ein Engel schaute er auf dem Foto aus.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich einen Sohn des Teufels, einen Dämon auf die Welt bringe. Auch heute wollte sie es immer noch nicht wahrhaben, dass einer ihrer drei Söhne, die Ausgeburt des Bösen gewesen war.

Moira erzitterte auch heute noch, wenn sie nur daran dachte.

Es klopfte an der Tür.

»Herein«, rief Moira, doch ihre Stimme war schwach. Der Krebs, und all die Behandlungen, die seit Erkennen von diesem, sie gezwungen gewesen war, über sich ergehen lassen zu müssen, hatten viel von ihrer eigentlichen Energie gekostet. Heute war sie nur noch eine schwache Frau, die nur noch aufs Sterben wartete. Dabei war sie erst einundsechzig Jahre alt.

»Reverend Sanders, schön dich zu sehen«, begrüßte sie den Mann, der zu ihr herein kam.

»Moira, ich musste endlich einmal wieder nach dir sehen«, sagte der Geistliche und betrachtete die Frau besorgt. »Du hättest zu Dukes Beerdigung kommen sollen.«

Die Frau schüttelte nur schweigend den Kopf, und der Reverend sah ihr an, wie schlecht es ihr ging, und wie schwach sie doch war.

»Nein, Sanders, es ist besser für all die, die dort waren, dass ich nicht gekommen bin.«

»Moira, du redest Unsinn. Du bist Dukes Mutter gewesen. Wie sieht das denn aus, dass ausgerechnet du seinem Begräbnis ferngeblieben bist.«

»Dafür hast du doch sein Begräbnis arrangiert, und auch die letzten Worte an seinem Grab gesprochen«, antwortete sie traurig.

»Ich bin aber nicht seine Mutter gewesen.«

»Aber du bist gut, Sanders. Du bringst niemanden in Gefahr.«

»Du doch auch nicht. Auch du bist ein guter Mensch.«

Sie lächelte schwach. »Dermaßen gut, dass ich meinen eigenen Sohn getötet habe.«

»Bei Gott, Moira, wir haben das damals bereits wie oft durchgekaut. Du hattest gar keine andere Wahl gehabt, als den Jungen zu töten. Hast du völlig vergessen, dass der Junge mit dem Teufel im Bunde war?«

»Dennoch war er mein eigen Fleisch und Blut.«

»Ja, und du hast ja auch lange Zeit noch zwei weitere wundervolle Söhne gehabt, die dich liebten und froh waren, dass es dich gibt.«

»Zwei von drei.« Ihr Blick lag zweifelnd auf dem Reverend. »Und ob sie mir jemals vergeben haben, Daniel getötet zu haben, das weiß ich nicht.« Sie weinte. »Jetzt ist mir nur noch ein Sohn geblieben.«

»Du hattest keine andere Wahl. Er hätte alle Menschen aufs Brutalste umgebracht.« Auf Dukes Tod ging der Reverend nicht ein.

»Vielleicht hätte man ihm helfen können. In einer Klinik …«

»Nein, Moira, das hätte man nicht. Dein Junge, er war nicht psychisch krank. Mehr noch: Das Kind war besessen.«

Sie fing zu schluchzen an. »Aber wieso, Sanders, wieso ausgerechnet er. Eins meiner Kinder?«

Der Reverend stand auf und setzte sich zu ihr auf die Sessellehne, und nahm ihre Hand. »Niemand kann auf solche Fragen Antworten geben. Satan, wo immer er sich auch seine Opfer sucht, er findet sie. Und Daniel war ihm ergeben. Keiner von uns war in der Lage gewesen, den Jungen davon zu überzeugen, dass die Dinge, die er tat, schauderhaft und teuflisch waren.«

»Haben wir es denn auch tatsächlich versucht, Sanders? Haben wir alles getan, um Daniel auch wirklich zu helfen?«

»Weshalb quälst du dich nur mit all diesen Fragen. Genieße doch die letzten Tage deines Lebens, anstelle sie mit Fragen nach dem Weshalb und Warum zu verbringen«, appellierte er an sie.

»Warum, fragst du mich …« Ihr Blick suchte den Seinen. Sie senkte die Stimme: »Daniel, er ist hier. Er ist ganz in meiner Nähe. Ich kann ihn spüren. Das Böse, das von ihm ausgeht, es ist, als verfolge es mich wie ein unsichtbarer Schatten.«

»Da siehst du, du sagst es selbst, dass er böse war. Selbst heute, so viele Jahre danach, verfolgt er dich immer noch. Aus dem Grab heraus. Was, Moira, willst du mehr als Beweis, für das, was wir damals getan haben, und dass es gar nicht anders gegangen war, als zu handeln, wie wir gehandelt haben?«, erregte der Reverend sich. Warum grämt sie sich nur derart. Das alles liegt so lange zurück, und niemand will heute mehr daran erinnert werden.

»Ich habe Angst, dass er sich an den Menschen rächt, die sich in meiner Nähe aufhalten.« Sie senkte den Blick und betrachtete ihre Hände. »Ich will nicht, dass er nochmals anderen Menschen etwas antut«, flüsterte sie; und Sanders erkannte an ihrer Angst, wie sehr die Frau davon überzeugt war, dass Daniel nach Marlow-River zurückgekehrt war, um sich an allen zu rächen. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Er wird nicht zurückkommen, Moira. Daniel ist tot und begraben. Niemand wird jemals wieder durch ihn in Gefahr kommen.«

»Nein, Sanders, du irrst. Er ist bereits zurück.«

»Das bildest du dir ein. Deine Krankheit ist es, die dir einen Streich spielt und dir diese Angst macht.«

Wieder legte sich dieses traurige Lächeln in ihr Gesicht. »Nein, du hast mich immer noch nicht verstanden, Sanders. Der Junge, Daniel, er ist zurück. Heute Nacht war er an meinem Bett gestanden. Als ich aufwachte, hat er nur böse gelacht.«

»Moira, hör‘ auf, bitte! Das hast du nur geträumt.«

Doch sie schüttelte wieder nur traurig mit dem Kopf.

Todesnacht

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