Читать книгу Todesnacht - Angelika Nickel - Страница 8
6 – Grabesstille
Оглавление»Daniel ist tot. Das weißt du genauso gut wie ich selbst. Wir beide haben damals dafür gesorgt, dass er niemandem mehr etwas zuleide tun kann.« Reverend Sanders schaute Moira besorgt an. »Er kommt nicht zurück, um dich zu holen. Das bildest du dir ein. Vielleicht sind es auch deine Medikamente, die dir dieses Bild vorgegaukelt haben.«
»Nein, Sanders, du willst mich einfach nicht verstehen. Er war hier. Daniel war da. Nachts. Er ist zurück.« Sie knetete nervös die Finger ineinander. »Jetzt ist das passiert, was damals alle befürchtet haben.« Sie hob den Blick und in ihren Augen stand die Angst. »Alle waren seinerzeit überzeugt, dass Daniel zu böse gewesen war, um dass man ihn für allezeit verbannen könnte. Selbst durch den Tod nicht.« Tränen rannen ihre Wangen hinab. »Wozu habe ich denn seinerzeit Marlow-River verlassen?« Sie warf die Hände von sich, doch auch dabei erkannte Sanders, wie schwach die Frau doch bereits schon geworden war. Hätte sie nur annährend Recht damit, dass das Böse zurückgekehrt war, würde sie dieses Mal nicht in der Lage sein, es aufhalten zu können.
»Ich bin gegangen, um die Bewohner hier in Sicherheit zu halten. Nur zum Sterben bin ich zurückgekommen. Es ist so viele Jahre her, wie konnte ich wissen, dass er nur darauf gewartet hat, dass ich ins Dorf zurückkomme, um dass auch er zurückkehren kann.«
»Hör‘ zu, Moira, wenn es dich beruhigt, fahre ich zu meinem Haus im Wald. Dorthin, wo ich ihn damals begraben habe.«
»Und wozu, Sanders? Was glaubst du, damit erreichen zu können. Er wird sich dir nicht zeigen, denn er weiß, dass du ihn aufhalten kannst – so Gott will.«
»Ich werde seine Grabstätte und seinen Sarg öffnen, und nachsehen, ob sein Leichnam noch darin liegt, oder ob er tatsächlich seinem Grab entflohen ist.«
Die Frau quälte sich aus dem Sessel und schlurfte zu einem Schrank und zog eine Lade auf. Mit einer hölzernen Schatulle in der Hand, kam sie zu dem Reverend zurück. Erneut ließ sie sich in den Sessel fallen, und ihr Gesicht verzog sich vor Schmerzen, bei jeder ihrer Bewegungen. Sie hielt dem Reverend das Kästchen hin. »Öffne es, Sanders«, forderte sie ihn auf.
Reverend Sanders öffnete das Kästchen. Er nahm das silberne Medaillon, das darin lag, und öffnete auch das. Das Bild eines kleinen Jungen war darin. Engelsgleich lachte er ihm entgegen. Daneben klebte eine Locke von seinem Haar.
»Ich habe es nie übers Herz gebracht, auch das zu verbrennen. Nimm es mit dir mit, Sanders. Vielleicht hilft es dir dabei, meinen Sohn erneut in die Hölle zurück zu vertreiben«, bat sie ihn und ihre Stimme zitterte.
Der Reverend nickte nur stumm. Sie hatte tatsächlich etwas von ihm aufgehoben. Wie konnte sie nur! Wenn sie Pech hatten, war genau das, was er in seiner Hand hielt, der Weg für den Jungen gewesen, in seinem Grab darauf zu warten, um dass er einen Weg zurück finden würde. Zurück in Moiras Leben, und zurück nach Marlow-River.
Grabesstille legte sich zwischen die beiden Menschen. Niemand von ihnen sagte mehr ein Wort. Beide überlegten sie, ob es ihnen ein zweites Mal gelingen würde, Daniel in die Hölle zurück zu zwingen.
Nach einer Weile stand der Reverend auf. Das Medaillon steckte er in seine Hosentasche. »Moira, ich werde fahren und nachsehen.« Er drückte der Frau einen flüchtigen Kuss aufs Haar. »Und ich hoffe bei Gott, dass du dich irrst«, sagte er in gesenktem Ton.
Moira nickte. »Komm zurück, Sanders, und gib mir Bescheid. Ich muss wissen, was du gefunden hast. Bitte, Reverend, vergiss das nicht. Ich muss Gewissheit haben.«
»Ich komme zurück. Ich verspreche es dir.« Damit verließ er die Frau und machte sich auf, um dorthin zu fahren, wohin bereits Graham Jenkins auf dem Weg war.