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3 – Marlow-River
ОглавлениеNiemand im Ort war sonderlich begeistert davon, dass Moira DeMott wieder ins Dorf zurückgekehrt war.
Die Gerüchte um das, was vor dreißig Jahren sich in dem Ort zugetragen hatte, waren über all die Jahre niemals verstummt.
Das Dorf hatte damit zu leben gelernt, und alle waren froh und erleichtert gewesen, als sich die DeMott seinerzeit dazu entschlossen hatte, dem Ort den Rücken zu kehren und Marlow-River zu verlassen.
Dass der Rest ihrer Familie dennoch geblieben war, hatten sie zwar nicht sonderlicher als gut empfunden, jedoch mit den Jahren damit gelernt, zu leben und sie auch weiterhin als ihresgleichen zu akzeptieren. Immerhin waren es Bürger aus dem Ort, von daher hatten sie auch ein Recht gehabt, geblieben zu sein.
Wie auch heute Moira das Recht hatte, nach Marlow-River zurückgekehrt zu sein, um in ihrem Geburtsort zu sterben.
…
Unheil lag in der Luft, das spürte selbst das Mastvieh auf den Weiden.
Vor fünf Jahren hatte es angefangen. Damals hätte es niemand auch nur für möglich gehalten, dass ein Kind für all das Treiben verantwortlich gewesen sein sollte.
Daniel DeMott war ein hübscher kleiner Junge von fünf Jahren. Der Letztgeborene von Moiras Drillingen.
Duke war der Erste, danach wurde Desmond und als letzter Daniel geboren. Drei Buben, die, je älter sie wurden, sich immer ähnlicher sahen. Nur äußerlich allerdings.
Während Duke und Desmond liebenswerte kleine Jungen waren, war ausgerechnet das Kind, dem das Gesicht eines Engels geschenkt worden war, übertrieben böse. Nur brauchte es lange, bis die Einzelnen erkannten, wie böse das Kind war.
Über etliche Monate hinweg hatten die Marlow-River-Bewohner überlegt, wer es war, der in den Nächten das Vieh abschlachtete, und wer für den Tod so vieler Hunde und Katzen verantwortlich war.
Den Katzen waren die Schwänze in Brand gesteckt worden, während den Hunden die Beine abgehakt worden waren.
Durch Zufall hatte einer der Bewohner eines Tages Daniel bei einem dieser geschundenen Tiere vorgefunden. Blutüberströmt war er gewesen, doch er hatte es abgestritten, dem Hund etwas angetan zu haben. Gefunden hätte er ihn, hatte der Fünfjährige damals behauptet. Und die Meisten hatten ihm geglaubt, da es zu unwahrscheinlich erschienen war, dass ein kleiner Junge, einem Tier etwas derart Schreckliches angetan haben sollte noch, dass man Daniel für fähig gehalten hätte, auch all das andere Getier geschunden und getötet zu haben.
Dennoch, die ersten Zweifel waren geweckt worden, auch wenn es seine Mutter Moira nicht wahrhaben wollte, dass auch nur angenommen werden konnte, dass einer ihrer Drillinge, etwas derart Fürchterliches getan haben sollte.
…
Heute, dreißig Jahre danach, war die Erinnerung an die Geschehnisse von damals zurückgekehrt. Und mit der Erinnerung auch die Angst vor dem, was womöglich noch kommen sollte.
Das Grauen davor, was sich aus dem Grab heraus schleichen und aufs Neue zu töten anfangen könnte.
Die Meisten, die die Gräueltaten seinerzeit miterlebt hatten, fürchteten sich davor, dass mit Moira DeMotts Rückkehr, auch das Böse nach Marlow-River zurückgekehrt war, und der Tote seinem Grab entfliehen und erneut mit dem Morden beginnen würde.