Читать книгу Von Eltern mit Migrationshintergrund lernen (E-Book) - Angelika Schöllhorn - Страница 6

Fachpersonen als Vermittler*innen zwischen Familien mit Migrationshintergrund und Gesellschaft

Оглавление

Dieses Buch ist an pädagogische Fachpersonen, Akteure im Feld und auch Eltern adressiert. Pädagogische Fachpersonen sind alle, die mit Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern arbeiten, sei es als Mitarbeitende in Spielgruppe oder Kita, Lehrperson, aber auch in der Funktion als Leitung oder Träger einer Einrichtung. Unter Akteuren im Feld verstehen wir Menschen, die beratend, begleitend oder auf der politischen Ebene mit und für Familien mit Migrationshintergrund tätig sind. Beide Zielgruppen finden in diesem Buch wichtige Hinweise für ihre berufliche Praxis. Nicht zuletzt sind auch Eltern angesprochen, die sich vielleicht in den aufgeführten Themenfeldern, den Ausführungen, den Beispielen und den Umsetzungsideen wiederfinden und Ideen für ihren Weg mit den Kindern entdecken.

Unzählige Fachbücher zeigen auf, wie eine gelingende Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Institutionen und Eltern aussehen sollte. Sie vermitteln eine professionelle Sichtweise auf dieses komplexe Thema. Von Spezialistinnen und Spezialisten entwickelte Qualitätsmerkmale und Handlungsprämissen geben wichtige Hinweise für diese Zusammenarbeit auch im Kontext von migrationsbezogener Vielfalt. In diesem Buch wollen wir die Sichtweisen der Eltern mit Migrationshintergrund ins Zentrum rücken und zuhören, was Sie zur sozialen Integration und Bildungsentwicklung ihrer Kinder und schlussendlich zur Zusammenarbeit zu erzählen haben. Wir erhoffen uns davon neue Einsichten und Anregungen für die alltägliche pädagogische Arbeit im Kontext migrationsbezogener Vielfalt.

Uns und ihnen allen ist klar, dass die vorbehaltlose und vorurteilsfreie Begegnung zwischen Menschen eine Illusion ist. Wir sind nie frei von Vorurteilen und brauchen sie, um mit der Fülle an Informationen umzugehen, die unablässig auf uns einströmt. Dabei helfen uns Vorurteile, uns in einer komplexen Welt zu orientieren und handlungsfähig zu bleiben. Gleichzeitig können Vorurteile Quelle von zu starken Vereinfachungen oder verfestigten Meinungen sein und stehen damit einer offenen und kultursensitiven Zusammenarbeit mit Eltern im Weg. Über die Selbstreflexion und den bewussten Umgang mit den eigenen Vorurteilen kann ein angemessener Umgang damit erarbeitet und entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund sprechen wir von einer «vorurteilsbewussten» Bildung und Erziehung. Die Selbstreflexion unterstützt uns dabei, ungewollte Mechanismen der Ausgrenzung nicht weiter zu verfestigen (Borke et al., 2015; ISTA/Fachstelle Kinderwelten, 2016).

Dennoch soll nicht vergessen werden, dass wir mit dem Anspruch, allen Eltern gerecht zu werden, auch an Grenzen stossen können. So weisen Uehlinger und Kolleginnen (2014) darauf hin, dass durch eine Migrationssituation möglicherweise ein so hoher Druck auf die Familie entstehen kann, dass die Eltern mit einem Rückzug in eine unnachgiebige Haltung reagieren. Der Umgang damit fordert pädagogischen Fachpersonen viel ab, vor allem Zeit und Aufmerksamkeit (Uehlinger et al, 2014). Die daraus resultierende Überforderung kann auch bei hoch motivierten Fachpersonen zu einer inneren Abwehr führen und in Frustration und Verzweiflung münden. An dieser Stelle wird deutlich, dass diejenigen, die im direkten Kontakt mit Kindern und ihren Familien arbeiten, nicht allein gelassen werden dürfen. Für einen gelingenden Weg braucht es sowohl Leitungspersonen als auch Akteure im Feld und in der Politik, die sich für Rahmenbedingungen engagieren, unter denen die Bewältigung der Gesamtaufgabe möglich wird. An der Brücke zueinander können nur die pädagogischen Fachpersonen mit ihren Leitungspersonen, mit den Akteuren im Feld und in der Politik und mit den Eltern gemeinsam bauen.

Um gerade in schwierigen Ausgangslagen eine konstruktive Kooperation mit den Eltern zu ermöglichen, schlagen Uehlinger und Kolleginnen (2014) eine Selbstreflexion in Bezug auf die eigenen Gefühle und Gedanken, die eigenen Wertvorstellungen und Bedürfnisse sowie den sich anschliessenden Perspektivwechsel zu den Eltern vor. Das gilt für alle oben genannten Beteiligten und setzt nicht voraus, alles über die Kulturen der Kinder zu wissen, mit denen wir arbeiten. «Jede neue Situation erfordert Strategien, um Wissen und Kenntnisse zu erlangen und Handlungsweisen für diese Situation zu entwickeln. Die entscheidende Herausforderung ist, offen zu bleiben, um von den Familien zu lernen» (ebd.) und ihnen mit Interesse, Neugier und Offenheit zu begegnen.

In den folgenden Kapiteln finden Sie eine Fülle von Anregungen. Wir sind uns bewusst, dass diese nicht alle umgesetzt werden können. Es geht darum, sich dazu anregen zu lassen und eine Auswahl zu treffen für die nächsten kleinen Schritte in der jeweils eigenen beruflichen Praxis.

Von Eltern mit Migrationshintergrund lernen (E-Book)

Подняться наверх